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Hölderlin, Friedrich: Gedichte. Stuttgart u. a., 1826.

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Ach! wie anders hätt' ich dich umschlungen! --
Marathons Heroen sängst du mir,
Und die schönste der Begeisterungen
Lächelte vom trunknen Auge dir,
Deine Brust verjüngten Siegsgefühle,
Und dein Haupt vom Lorberzweig umspielt,
Fühlte nicht des Lebens dumpfe Schwüle,
Die so karg der Hauch der Freude kühlt.
Ist der Stern der Liebe dir verschwunden?
Und der Jugend holdes Rosenlicht?
Ach! umtanzt von Hellas goldnen Stunden,
Fühltest du die Flucht der Jahre nicht!
Ewig, wie der Vesta Flamme, glühte
Muth und Liebe dort in jeder Brust,
Wie die Frucht der Hesperiden, blühte
Ewig dort der Jugend süße Lust.
Hätte doch von diesen goldnen Jahren
Einen Theil das Schicksal dir bescheert;
Diese reitzenden Athener waren
Deines glühenden Gesangs so werth;
Hingelehnt am frohen Saitenspiele
Bei der süßen Chiertraube Blut,
Hättest du vom stürmischen Gewühle
Der Agora glühend ausgeruht.
Ach! wie anders haͤtt' ich dich umſchlungen! —
Marathons Heroen ſaͤngſt du mir,
Und die ſchoͤnſte der Begeiſterungen
Laͤchelte vom trunknen Auge dir,
Deine Bruſt verjuͤngten Siegsgefuͤhle,
Und dein Haupt vom Lorberzweig umſpielt,
Fuͤhlte nicht des Lebens dumpfe Schwuͤle,
Die ſo karg der Hauch der Freude kuͤhlt.
Iſt der Stern der Liebe dir verſchwunden?
Und der Jugend holdes Roſenlicht?
Ach! umtanzt von Hellas goldnen Stunden,
Fuͤhlteſt du die Flucht der Jahre nicht!
Ewig, wie der Veſta Flamme, gluͤhte
Muth und Liebe dort in jeder Bruſt,
Wie die Frucht der Hesperiden, bluͤhte
Ewig dort der Jugend ſuͤße Luſt.
Haͤtte doch von dieſen goldnen Jahren
Einen Theil das Schickſal dir beſcheert;
Dieſe reitzenden Athener waren
Deines gluͤhenden Geſangs ſo werth;
Hingelehnt am frohen Saitenſpiele
Bei der ſuͤßen Chiertraube Blut,
Haͤtteſt du vom ſtuͤrmiſchen Gewuͤhle
Der Agora gluͤhend ausgeruht.
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[6/0014] Ach! wie anders haͤtt' ich dich umſchlungen! — Marathons Heroen ſaͤngſt du mir, Und die ſchoͤnſte der Begeiſterungen Laͤchelte vom trunknen Auge dir, Deine Bruſt verjuͤngten Siegsgefuͤhle, Und dein Haupt vom Lorberzweig umſpielt, Fuͤhlte nicht des Lebens dumpfe Schwuͤle, Die ſo karg der Hauch der Freude kuͤhlt. Iſt der Stern der Liebe dir verſchwunden? Und der Jugend holdes Roſenlicht? Ach! umtanzt von Hellas goldnen Stunden, Fuͤhlteſt du die Flucht der Jahre nicht! Ewig, wie der Veſta Flamme, gluͤhte Muth und Liebe dort in jeder Bruſt, Wie die Frucht der Hesperiden, bluͤhte Ewig dort der Jugend ſuͤße Luſt. Haͤtte doch von dieſen goldnen Jahren Einen Theil das Schickſal dir beſcheert; Dieſe reitzenden Athener waren Deines gluͤhenden Geſangs ſo werth; Hingelehnt am frohen Saitenſpiele Bei der ſuͤßen Chiertraube Blut, Haͤtteſt du vom ſtuͤrmiſchen Gewuͤhle Der Agora gluͤhend ausgeruht.

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Zitationshilfe: Hölderlin, Friedrich: Gedichte. Stuttgart u. a., 1826, S. 6. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hoelderlin_gedichte_1826/14>, abgerufen am 03.05.2024.