Hölderlin, Friedrich: Gedichte. Stuttgart u. a., 1826.Noch gedeihn die Pfirsiche mir, noch wachsen gefällig Mir an's Fenster, wie sonst, köstliche Trauben herauf. Lockend röthen sich noch die süßen Früchte des Kirschbaums, Und der pflückenden Hand reichen die Zweige sich selbst. Schmeichelnd zieht mich, wie sonst, in des Walds unendliche Laube Aus dem Garten der Pfad, oder hinab an den Bach, Und die Pfade röthest du mir, es wärmt mich und spielt mir Um das Auge, wie sonst, Vaterlandssonne! dein Licht; Feuer trink' ich und Geist aus deinem freudigen Kelche, Schläfrig lässest du nicht werden mein alterndes Haupt. Die du einst mir die Brust erwecktest vom Schlafe der Kindheit, Und mit sanfter Gewalt höher und weiter mich triebst, Mildere Sonne! zu dir kehr' ich getreuer und weiser, Friedlich zu werden, und froh unter den Blumen zu ruhn. Noch gedeihn die Pfirſiche mir, noch wachſen gefaͤllig Mir an's Fenſter, wie ſonſt, koͤſtliche Trauben herauf. Lockend roͤthen ſich noch die ſuͤßen Fruͤchte des Kirſchbaums, Und der pfluͤckenden Hand reichen die Zweige ſich ſelbſt. Schmeichelnd zieht mich, wie ſonſt, in des Walds unendliche Laube Aus dem Garten der Pfad, oder hinab an den Bach, Und die Pfade roͤtheſt du mir, es waͤrmt mich und ſpielt mir Um das Auge, wie ſonſt, Vaterlandsſonne! dein Licht; Feuer trink' ich und Geiſt aus deinem freudigen Kelche, Schlaͤfrig laͤſſeſt du nicht werden mein alterndes Haupt. Die du einſt mir die Bruſt erweckteſt vom Schlafe der Kindheit, Und mit ſanfter Gewalt hoͤher und weiter mich triebſt, Mildere Sonne! zu dir kehr' ich getreuer und weiſer, Friedlich zu werden, und froh unter den Blumen zu ruhn. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <lg type="poem"> <pb facs="#f0160" n="152"/> <l>Noch gedeihn die Pfirſiche mir, noch wachſen gefaͤllig</l><lb/> <l>Mir an's Fenſter, wie ſonſt, koͤſtliche Trauben</l><lb/> <l>herauf.</l><lb/> <l>Lockend roͤthen ſich noch die ſuͤßen Fruͤchte des</l><lb/> <l>Kirſchbaums,</l><lb/> <l>Und der pfluͤckenden Hand reichen die Zweige</l><lb/> <l>ſich ſelbſt.</l><lb/> <l>Schmeichelnd zieht mich, wie ſonſt, in des Walds</l><lb/> <l>unendliche Laube</l><lb/> <l>Aus dem Garten der Pfad, oder hinab an den</l><lb/> <l>Bach,</l><lb/> <l>Und die Pfade roͤtheſt du mir, es waͤrmt mich und</l><lb/> <l>ſpielt mir</l><lb/> <l>Um das Auge, wie ſonſt, Vaterlandsſonne!</l><lb/> <l>dein Licht;</l><lb/> <l>Feuer trink' ich und Geiſt aus deinem freudigen</l><lb/> <l>Kelche,</l><lb/> <l>Schlaͤfrig laͤſſeſt du nicht werden mein alterndes</l><lb/> <l>Haupt.</l><lb/> <l>Die du einſt mir die Bruſt erweckteſt vom Schlafe</l><lb/> <l>der Kindheit,</l><lb/> <l>Und mit ſanfter Gewalt hoͤher und weiter mich</l><lb/> <l>triebſt,</l><lb/> <l>Mildere Sonne! zu dir kehr' ich getreuer und weiſer,</l><lb/> <l>Friedlich zu werden, und froh unter den Blumen</l><lb/> <l>zu ruhn.</l> </lg> </div><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/> </body> </text> </TEI> [152/0160]
Noch gedeihn die Pfirſiche mir, noch wachſen gefaͤllig
Mir an's Fenſter, wie ſonſt, koͤſtliche Trauben
herauf.
Lockend roͤthen ſich noch die ſuͤßen Fruͤchte des
Kirſchbaums,
Und der pfluͤckenden Hand reichen die Zweige
ſich ſelbſt.
Schmeichelnd zieht mich, wie ſonſt, in des Walds
unendliche Laube
Aus dem Garten der Pfad, oder hinab an den
Bach,
Und die Pfade roͤtheſt du mir, es waͤrmt mich und
ſpielt mir
Um das Auge, wie ſonſt, Vaterlandsſonne!
dein Licht;
Feuer trink' ich und Geiſt aus deinem freudigen
Kelche,
Schlaͤfrig laͤſſeſt du nicht werden mein alterndes
Haupt.
Die du einſt mir die Bruſt erweckteſt vom Schlafe
der Kindheit,
Und mit ſanfter Gewalt hoͤher und weiter mich
triebſt,
Mildere Sonne! zu dir kehr' ich getreuer und weiſer,
Friedlich zu werden, und froh unter den Blumen
zu ruhn.
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