Hölderlin, Friedrich: Gedichte. Stuttgart u. a., 1826.Und über langsamen Stegen, Es reiche aber, Des dunkeln Lichtes voll, Mir Einer den duftenden Becher, Damit ich ruhen möge; denn süß Wär' unter Schatten der Schlummer. Nicht ist es gut, Seellos vor sterblichen Gedanken zu seyn, doch gut Ist ein Gespräch und zu sagen Des Herzens Meinung, zu hören viel Von Tagen der Lieb', Und Thaten, welche geschahen. Wo aber sind die Freunde? Bellarmin Mit dem Gefährten? Mancher Trägt Scheue, an die Quelle zu gehn; Es beginnt nehmlich der Reichthum Im Meere. Sie, Wie Mahler, bringen zusammen Das Schöne der Erd' und verschmähn Den geflügelten Krieg nicht, und Zu wohnen einsam, jahrlang, unter Dem entlaubten Mast, wo nicht die Nacht durch- glänzen Und uͤber langſamen Stegen, Es reiche aber, Des dunkeln Lichtes voll, Mir Einer den duftenden Becher, Damit ich ruhen moͤge; denn ſuͤß Waͤr' unter Schatten der Schlummer. Nicht iſt es gut, Seellos vor ſterblichen Gedanken zu ſeyn, doch gut Iſt ein Geſpraͤch und zu ſagen Des Herzens Meinung, zu hoͤren viel Von Tagen der Lieb', Und Thaten, welche geſchahen. Wo aber ſind die Freunde? Bellarmin Mit dem Gefaͤhrten? Mancher Traͤgt Scheue, an die Quelle zu gehn; Es beginnt nehmlich der Reichthum Im Meere. Sie, Wie Mahler, bringen zuſammen Das Schoͤne der Erd' und verſchmaͤhn Den gefluͤgelten Krieg nicht, und Zu wohnen einſam, jahrlang, unter Dem entlaubten Maſt, wo nicht die Nacht durch- glaͤnzen <TEI> <text> <body> <div n="1"> <lg type="poem"> <lg n="2"> <pb facs="#f0189" n="181"/> <l>Und uͤber langſamen Stegen,</l><lb/> <l>Von goldenen Traͤumen ſchwer,</l><lb/> <l>Einwiegende Luͤfte ziehen.</l> </lg><lb/> <lg n="3"> <l>Es reiche aber,</l><lb/> <l>Des dunkeln Lichtes voll,</l><lb/> <l>Mir Einer den duftenden Becher,</l><lb/> <l>Damit ich ruhen moͤge; denn ſuͤß</l><lb/> <l>Waͤr' unter Schatten der Schlummer.</l><lb/> <l>Nicht iſt es gut,</l><lb/> <l>Seellos vor ſterblichen</l><lb/> <l>Gedanken zu ſeyn, doch gut</l><lb/> <l>Iſt ein Geſpraͤch und zu ſagen</l><lb/> <l>Des Herzens Meinung, zu hoͤren viel</l><lb/> <l>Von Tagen der Lieb',</l><lb/> <l>Und Thaten, welche geſchahen.</l> </lg><lb/> <lg n="4"> <l>Wo aber ſind die Freunde? Bellarmin</l><lb/> <l>Mit dem Gefaͤhrten? Mancher</l><lb/> <l>Traͤgt Scheue, an die Quelle zu gehn;</l><lb/> <l>Es beginnt nehmlich der Reichthum</l><lb/> <l>Im Meere. Sie,</l><lb/> <l>Wie Mahler, bringen zuſammen</l><lb/> <l>Das Schoͤne der Erd' und verſchmaͤhn</l><lb/> <l>Den gefluͤgelten Krieg nicht, und</l><lb/> <l>Zu wohnen einſam, jahrlang, unter</l><lb/> <l>Dem entlaubten Maſt, wo nicht die Nacht durch-</l><lb/> <l>glaͤnzen</l><lb/> </lg> </lg> </div> </body> </text> </TEI> [181/0189]
Und uͤber langſamen Stegen,
Von goldenen Traͤumen ſchwer,
Einwiegende Luͤfte ziehen.
Es reiche aber,
Des dunkeln Lichtes voll,
Mir Einer den duftenden Becher,
Damit ich ruhen moͤge; denn ſuͤß
Waͤr' unter Schatten der Schlummer.
Nicht iſt es gut,
Seellos vor ſterblichen
Gedanken zu ſeyn, doch gut
Iſt ein Geſpraͤch und zu ſagen
Des Herzens Meinung, zu hoͤren viel
Von Tagen der Lieb',
Und Thaten, welche geſchahen.
Wo aber ſind die Freunde? Bellarmin
Mit dem Gefaͤhrten? Mancher
Traͤgt Scheue, an die Quelle zu gehn;
Es beginnt nehmlich der Reichthum
Im Meere. Sie,
Wie Mahler, bringen zuſammen
Das Schoͤne der Erd' und verſchmaͤhn
Den gefluͤgelten Krieg nicht, und
Zu wohnen einſam, jahrlang, unter
Dem entlaubten Maſt, wo nicht die Nacht durch-
glaͤnzen
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