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Hölderlin, Friedrich: Gedichte. Stuttgart u. a., 1826.

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Den Wohnungen der Menschen -- --
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-- -- -- wenn mit den Thränen dir
Vom Angesichte trof des Himmels Regen,
Wenn lächelnd du das rauhe Sklavenkleid
Mittags an heißer Sonne trocknetest
Auf schattenlosem Sand, wenn du die Spuren
Wohl manche Stunde, wie ein wundes Wild,
Mit deinem Blute zeichnetest, das auf
Den Felsenpfad von nackter Sohle rann.
Ach! darum ließ ich nicht mein Haus, und lud
Des Volkes und des Vaters Fluch mir auf:
Daß du mich, wo du wohnen willst und ruhn,
Wie ein verbraucht Gefäß, bei Seite werfest! -- --
Ich wandre mit; zwar steh' ich nicht, wie du
Mit Kräften der Natur im trauten Bunde,
Mir steht, wie dir, Zukünftiges nicht offen.
Doch freudig in der Götter Nacht hinaus
Schwingt seine Fittige mein Geist --
Ja, wär' ich auch ein Schwacher, dennoch wär'
Ich, weil ich so dich liebe, stark, wie du.
Beim göttlichen Herakles! stiegst du auch
Um die Gewaltigen, die drunten sind,
Versöhnend, die Titanen heimzusuchen,
Ins bodenlose Thal, vom Gipfel dort
Und wagtest dich ins Heiligthum des Abgrunds,
Wo duldend vor dem Tage sich das Herz
Den Wohnungen der Menſchen — —
— — — — — — — — — — —
— — — wenn mit den Thraͤnen dir
Vom Angeſichte trof des Himmels Regen,
Wenn laͤchelnd du das rauhe Sklavenkleid
Mittags an heißer Sonne trockneteſt
Auf ſchattenloſem Sand, wenn du die Spuren
Wohl manche Stunde, wie ein wundes Wild,
Mit deinem Blute zeichneteſt, das auf
Den Felſenpfad von nackter Sohle rann.
Ach! darum ließ ich nicht mein Haus, und lud
Des Volkes und des Vaters Fluch mir auf:
Daß du mich, wo du wohnen willſt und ruhn,
Wie ein verbraucht Gefaͤß, bei Seite werfeſt! — —
Ich wandre mit; zwar ſteh' ich nicht, wie du
Mit Kraͤften der Natur im trauten Bunde,
Mir ſteht, wie dir, Zukuͤnftiges nicht offen.
Doch freudig in der Goͤtter Nacht hinaus
Schwingt ſeine Fittige mein Geiſt —
Ja, waͤr' ich auch ein Schwacher, dennoch waͤr'
Ich, weil ich ſo dich liebe, ſtark, wie du.
Beim goͤttlichen Herakles! ſtiegſt du auch
Um die Gewaltigen, die drunten ſind,
Verſoͤhnend, die Titanen heimzuſuchen,
Ins bodenloſe Thal, vom Gipfel dort
Und wagteſt dich ins Heiligthum des Abgrunds,
Wo duldend vor dem Tage ſich das Herz
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[214/0222] Den Wohnungen der Menſchen — — — — — — — — — — — — — — — — wenn mit den Thraͤnen dir Vom Angeſichte trof des Himmels Regen, Wenn laͤchelnd du das rauhe Sklavenkleid Mittags an heißer Sonne trockneteſt Auf ſchattenloſem Sand, wenn du die Spuren Wohl manche Stunde, wie ein wundes Wild, Mit deinem Blute zeichneteſt, das auf Den Felſenpfad von nackter Sohle rann. Ach! darum ließ ich nicht mein Haus, und lud Des Volkes und des Vaters Fluch mir auf: Daß du mich, wo du wohnen willſt und ruhn, Wie ein verbraucht Gefaͤß, bei Seite werfeſt! — — Ich wandre mit; zwar ſteh' ich nicht, wie du Mit Kraͤften der Natur im trauten Bunde, Mir ſteht, wie dir, Zukuͤnftiges nicht offen. Doch freudig in der Goͤtter Nacht hinaus Schwingt ſeine Fittige mein Geiſt — Ja, waͤr' ich auch ein Schwacher, dennoch waͤr' Ich, weil ich ſo dich liebe, ſtark, wie du. Beim goͤttlichen Herakles! ſtiegſt du auch Um die Gewaltigen, die drunten ſind, Verſoͤhnend, die Titanen heimzuſuchen, Ins bodenloſe Thal, vom Gipfel dort Und wagteſt dich ins Heiligthum des Abgrunds, Wo duldend vor dem Tage ſich das Herz

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Zitationshilfe: Hölderlin, Friedrich: Gedichte. Stuttgart u. a., 1826, S. 214. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hoelderlin_gedichte_1826/222>, abgerufen am 21.11.2024.