Hölderlin, Friedrich: Gedichte. Stuttgart u. a., 1826.Mein Eduard! mein Bruder! denkst du sein Und denkst du noch der frommen Abende, Wenn wir im Garten oft zusammensaßen Nach schönem Sommertage, wenn die Luft Um unsre Stille freundlich athmete, Und über uns des Aethers Blumen glänzten? Wenn von den Alten er, den Hohen! uns Erzählte, wie in Freude sie und Freiheit Aufstrebten, seine Meister? Tönender Hub dann aus seiner Brust die Stimme sich, Und zürnend war und liebend oft voll Thränen Das Auge meinem Stolzen; ach! den letzten Der Abende, wie nun, da Großes ihm Bevorstand, ruhiger der Jüngling war, Noch mit Gesängen, die wir gerne hörten, Und mit der Zither uns die Trauernden Vergnügt'! Ich seh' ihn immer, wie er gieng. Nie war er schöner kühn, die Seele glänzt' Ihm auf der Stirne, dann voll Andacht trat Er vor den alten Vater. Kann ich Glück Von dir empfangen! sprach er, heil'ger Mann! So wünsche lieber mir das größte, denn Ein anderes! und betroffen schien der Vater. Wenn's seyn soll, wünsch' ich dir's, antwortet' er. Ich stand beiseit, und wehemüthig sah Mein Eduard! mein Bruder! denkſt du ſein Und denkſt du noch der frommen Abende, Wenn wir im Garten oft zuſammenſaßen Nach ſchoͤnem Sommertage, wenn die Luft Um unſre Stille freundlich athmete, Und uͤber uns des Aethers Blumen glaͤnzten? Wenn von den Alten er, den Hohen! uns Erzaͤhlte, wie in Freude ſie und Freiheit Aufſtrebten, ſeine Meiſter? Toͤnender Hub dann aus ſeiner Bruſt die Stimme ſich, Und zuͤrnend war und liebend oft voll Thraͤnen Das Auge meinem Stolzen; ach! den letzten Der Abende, wie nun, da Großes ihm Bevorſtand, ruhiger der Juͤngling war, Noch mit Geſaͤngen, die wir gerne hoͤrten, Und mit der Zither uns die Trauernden Vergnuͤgt'! Ich ſeh' ihn immer, wie er gieng. Nie war er ſchoͤner kuͤhn, die Seele glaͤnzt' Ihm auf der Stirne, dann voll Andacht trat Er vor den alten Vater. Kann ich Gluͤck Von dir empfangen! ſprach er, heil'ger Mann! So wuͤnſche lieber mir das groͤßte, denn Ein anderes! und betroffen ſchien der Vater. Wenn's ſeyn ſoll, wuͤnſch' ich dir's, antwortet' er. Ich ſtand beiſeit, und wehemuͤthig ſah <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <lg type="poem"> <pb facs="#f0097" n="89"/> <lg n="6"> <l>Mein Eduard! mein Bruder! denkſt du ſein</l><lb/> <l>Und denkſt du noch der frommen Abende,</l><lb/> <l>Wenn wir im Garten oft zuſammenſaßen</l><lb/> <l>Nach ſchoͤnem Sommertage, wenn die Luft</l><lb/> <l>Um unſre Stille freundlich athmete,</l><lb/> <l>Und uͤber uns des Aethers Blumen glaͤnzten?</l><lb/> <l>Wenn von den Alten er, den Hohen! uns</l><lb/> <l>Erzaͤhlte, wie in Freude ſie und Freiheit</l><lb/> <l>Aufſtrebten, ſeine Meiſter? Toͤnender</l><lb/> <l>Hub dann aus ſeiner Bruſt die Stimme ſich,</l><lb/> <l>Und zuͤrnend war und liebend oft voll Thraͤnen</l><lb/> <l>Das Auge meinem Stolzen; ach! den letzten</l><lb/> <l>Der Abende, wie nun, da Großes ihm</l><lb/> <l>Bevorſtand, ruhiger der Juͤngling war,</l><lb/> <l>Noch mit Geſaͤngen, die wir gerne hoͤrten,</l><lb/> <l>Und mit der Zither uns die Trauernden</l><lb/> <l>Vergnuͤgt'!</l> </lg><lb/> <lg n="7"> <l>Ich ſeh' ihn immer, wie er gieng.</l><lb/> <l>Nie war er ſchoͤner kuͤhn, die Seele glaͤnzt'</l><lb/> <l>Ihm auf der Stirne, dann voll Andacht trat</l><lb/> <l>Er vor den alten Vater. Kann ich Gluͤck</l><lb/> <l>Von dir empfangen! ſprach er, heil'ger Mann!</l><lb/> <l>So wuͤnſche lieber mir das groͤßte, denn</l><lb/> <l>Ein anderes! und betroffen ſchien der Vater.</l><lb/> <l>Wenn's ſeyn ſoll, wuͤnſch' ich dir's, antwortet' er.</l><lb/> <l>Ich ſtand beiſeit, und wehemuͤthig ſah</l><lb/> </lg> </lg> </div> </div> </body> </text> </TEI> [89/0097]
Mein Eduard! mein Bruder! denkſt du ſein
Und denkſt du noch der frommen Abende,
Wenn wir im Garten oft zuſammenſaßen
Nach ſchoͤnem Sommertage, wenn die Luft
Um unſre Stille freundlich athmete,
Und uͤber uns des Aethers Blumen glaͤnzten?
Wenn von den Alten er, den Hohen! uns
Erzaͤhlte, wie in Freude ſie und Freiheit
Aufſtrebten, ſeine Meiſter? Toͤnender
Hub dann aus ſeiner Bruſt die Stimme ſich,
Und zuͤrnend war und liebend oft voll Thraͤnen
Das Auge meinem Stolzen; ach! den letzten
Der Abende, wie nun, da Großes ihm
Bevorſtand, ruhiger der Juͤngling war,
Noch mit Geſaͤngen, die wir gerne hoͤrten,
Und mit der Zither uns die Trauernden
Vergnuͤgt'!
Ich ſeh' ihn immer, wie er gieng.
Nie war er ſchoͤner kuͤhn, die Seele glaͤnzt'
Ihm auf der Stirne, dann voll Andacht trat
Er vor den alten Vater. Kann ich Gluͤck
Von dir empfangen! ſprach er, heil'ger Mann!
So wuͤnſche lieber mir das groͤßte, denn
Ein anderes! und betroffen ſchien der Vater.
Wenn's ſeyn ſoll, wuͤnſch' ich dir's, antwortet' er.
Ich ſtand beiſeit, und wehemuͤthig ſah
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Zitationshilfe: | Hölderlin, Friedrich: Gedichte. Stuttgart u. a., 1826, S. 89. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hoelderlin_gedichte_1826/97>, abgerufen am 16.02.2025. |