Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Hölderlin, Friedrich: Hyperion. Erster Band. Tübingen, 1797.

Bild:
<< vorherige Seite

O ich wär' ein glüklicher, ein treflicher Mensch geworden mit ihr!

Mit ihr! aber das ist mislungen, und nun irr' ich herum in dem, das vor und in mir ist, und drüber hinaus, und weiss nicht, was ich machen soll aus mir und andern Dingen.

Meine Seele ist, wie ein Fisch aus ihrem Elemente auf den Ufersand geworfen, und windet sich und wirft sich umher, bis sie vertroknet in der Hizze des Tags.

Ach! gäb' es nur noch etwas in der Welt für mich zu thun! gäb' es eine Arbeit, einen Krieg für mich, das sollte mich erquiken!

Knäblein, die man von der Mutterbrust gerissen und in die Wüste geworfen, hat einst, so sagt man, eine Wölfin gesäugt.

Mein Herz ist nicht so glüklich.

Hyperion an Bellarmin.

Ich kann nur hie und da ein Wörtchen von ihr sprechen. Ich muss vergessen, was sie ganz ist, wenn ich von ihr sprechen soll. Ich muss mich täuschen, als hätte sie vor alten Zeiten gelebt, als wüsst' ich durch Erzählung einiges von ihr, wenn ihr lebendig Bild mich

O ich wär’ ein glüklicher, ein treflicher Mensch geworden mit ihr!

Mit ihr! aber das ist mislungen, und nun irr’ ich herum in dem, das vor und in mir ist, und drüber hinaus, und weiss nicht, was ich machen soll aus mir und andern Dingen.

Meine Seele ist, wie ein Fisch aus ihrem Elemente auf den Ufersand geworfen, und windet sich und wirft sich umher, bis sie vertroknet in der Hizze des Tags.

Ach! gäb’ es nur noch etwas in der Welt für mich zu thun! gäb’ es eine Arbeit, einen Krieg für mich, das sollte mich erquiken!

Knäblein, die man von der Mutterbrust gerissen und in die Wüste geworfen, hat einst, so sagt man, eine Wölfin gesäugt.

Mein Herz ist nicht so glüklich.

Hyperion an Bellarmin.

Ich kann nur hie und da ein Wörtchen von ihr sprechen. Ich muss vergessen, was sie ganz ist, wenn ich von ihr sprechen soll. Ich muss mich täuschen, als hätte sie vor alten Zeiten gelebt, als wüsst’ ich durch Erzählung einiges von ihr, wenn ihr lebendig Bild mich

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div type="chapter" n="2">
          <pb facs="#f0111"/>
          <p>O ich wär&#x2019; ein glüklicher, ein treflicher Mensch geworden mit ihr!</p><lb/>
          <p>Mit ihr! aber das ist mislungen, und nun irr&#x2019; ich herum in dem, das vor und in mir ist, und drüber hinaus, und weiss nicht, was ich machen soll aus mir und andern Dingen.</p><lb/>
          <p>Meine Seele ist, wie ein Fisch aus ihrem Elemente auf den Ufersand geworfen, und windet sich und wirft sich umher, bis sie vertroknet in der Hizze des Tags.</p><lb/>
          <p>Ach! gäb&#x2019; es nur noch etwas in der Welt für mich zu thun! gäb&#x2019; es eine Arbeit, einen Krieg für mich, das sollte mich erquiken!</p><lb/>
          <p>Knäblein, die man von der Mutterbrust gerissen und in die Wüste geworfen, hat einst, so sagt man, eine Wölfin gesäugt.</p><lb/>
          <p>Mein Herz ist nicht so glüklich.</p><lb/>
        </div><lb/>
        <div type="chapter" n="2">
          <head><hi rendition="#g #k">Hyperion</hi> an <hi rendition="#g #k">Bellarmin</hi>.</head><lb/>
          <p>Ich kann nur hie und da ein Wörtchen von ihr sprechen. Ich muss vergessen, was sie ganz ist, wenn ich von ihr sprechen soll. Ich muss mich täuschen, als hätte sie vor alten Zeiten gelebt, als wüsst&#x2019; ich durch Erzählung einiges von ihr, wenn ihr lebendig Bild mich
</p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0111] O ich wär’ ein glüklicher, ein treflicher Mensch geworden mit ihr! Mit ihr! aber das ist mislungen, und nun irr’ ich herum in dem, das vor und in mir ist, und drüber hinaus, und weiss nicht, was ich machen soll aus mir und andern Dingen. Meine Seele ist, wie ein Fisch aus ihrem Elemente auf den Ufersand geworfen, und windet sich und wirft sich umher, bis sie vertroknet in der Hizze des Tags. Ach! gäb’ es nur noch etwas in der Welt für mich zu thun! gäb’ es eine Arbeit, einen Krieg für mich, das sollte mich erquiken! Knäblein, die man von der Mutterbrust gerissen und in die Wüste geworfen, hat einst, so sagt man, eine Wölfin gesäugt. Mein Herz ist nicht so glüklich. Hyperion an Bellarmin. Ich kann nur hie und da ein Wörtchen von ihr sprechen. Ich muss vergessen, was sie ganz ist, wenn ich von ihr sprechen soll. Ich muss mich täuschen, als hätte sie vor alten Zeiten gelebt, als wüsst’ ich durch Erzählung einiges von ihr, wenn ihr lebendig Bild mich

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Arbeitsstelle Zentralbegriffe der »Kunstperiode«, Prof. Dr. Jochen A. Bär, Universität Vechta, Institut für Geistes- und Kulturwissenschaften: Bereitstellung der Texttranskription. (2019-12-12T13:56:08Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Andre Pietsch, Christian Thomas: Bearbeitung der digitalen Edition. (2019-11-13T13:56:08Z)

Weitere Informationen:

Die Transkription erfolgte nach den unter http://www.deutschestextarchiv.de/doku/basisformat/ formulierten Richtlinien.

Verfahren der Texterfassung: manuell (einfach erfasst).

Bogensignaturen: gekennzeichnet; Druckfehler: stillschweigend korrigiert; fremdsprachliches Material: keine Angabe; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): wie Vorlage; I/J in Fraktur: keine Angabe; i/j in Fraktur: keine Angabe; Kolumnentitel: keine Angabe; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: stillschweigend; rundes r (ꝛ): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: keine Angabe; Vokale mit übergest. e: keine Angabe; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: nein;




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/hoelderlin_hyperion01_1797
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/hoelderlin_hyperion01_1797/111
Zitationshilfe: Hölderlin, Friedrich: Hyperion. Erster Band. Tübingen, 1797, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hoelderlin_hyperion01_1797/111>, abgerufen am 04.12.2024.