Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Hölderlin, Friedrich: Hyperion. Erster Band. Tübingen, 1797.

Bild:
<< vorherige Seite

an, wurde von allem ergriffen, aber auch nur für den Moment, und die unbehülflichen Kräfte matteten vergebens sich ab. Ich fühlte, dass mir's überall fehlte, und konnte doch mein Ziel nicht finden. So fand er mich.

Er hatt' an seinem Stoffe, der sogenannten kultivirten Welt, lange genug Geduld und Kunst geübt, aber sein Stoff war Stein und Holz gewesen und geblieben, nahm wohl zur Noth die edle Menschenform von aussen an, aber um diess war's meinem Adamas nicht zu thun; er wollte Menschen, und, um diese zu schaffen, hatt' er seine Kunst zu arm gefunden. Sie waren einmal da gewesen, die er suchte, die zu schaffen, seine Kunst zu arm war, das erkannt' er deutlich. Wo sie da gewesen, wusst' er auch. Da wollt' er hin und unter dem Schutt nach ihrem Genius fragen, mit diesem sich die einsamen Tage zu verkürzen. Er kam nach Griechenland. So fand ich ihn.

Noch seh' ich ihn vor mich treten in lächelnder Betrachtung, noch hör' ich seinen Gruss und seine Fragen.

Wie vor einer Pflanze, wenn ihr Friede den strebenden Geist besänftigt, und die einfäl-

an, wurde von allem ergriffen, aber auch nur für den Moment, und die unbehülflichen Kräfte matteten vergebens sich ab. Ich fühlte, dass mir’s überall fehlte, und konnte doch mein Ziel nicht finden. So fand er mich.

Er hatt’ an seinem Stoffe, der sogenannten kultivirten Welt, lange genug Geduld und Kunst geübt, aber sein Stoff war Stein und Holz gewesen und geblieben, nahm wohl zur Noth die edle Menschenform von aussen an, aber um diess war’s meinem Adamas nicht zu thun; er wollte Menschen, und, um diese zu schaffen, hatt’ er seine Kunst zu arm gefunden. Sie waren einmal da gewesen, die er suchte, die zu schaffen, seine Kunst zu arm war, das erkannt’ er deutlich. Wo sie da gewesen, wusst’ er auch. Da wollt’ er hin und unter dem Schutt nach ihrem Genius fragen, mit diesem sich die einsamen Tage zu verkürzen. Er kam nach Griechenland. So fand ich ihn.

Noch seh’ ich ihn vor mich treten in lächelnder Betrachtung, noch hör’ ich seinen Gruss und seine Fragen.

Wie vor einer Pflanze, wenn ihr Friede den strebenden Geist besänftigt, und die einfäl-

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div type="chapter" n="2">
          <p><pb facs="#f0025"/>
an, wurde von allem ergriffen, aber auch nur für den Moment, und die unbehülflichen Kräfte matteten vergebens sich ab. Ich fühlte, dass mir&#x2019;s überall fehlte, und konnte doch mein Ziel nicht finden. So fand er mich.</p><lb/>
          <p>Er hatt&#x2019; an seinem Stoffe, der sogenannten kultivirten Welt, lange genug Geduld und Kunst geübt, aber sein Stoff war Stein und Holz gewesen und geblieben, nahm wohl zur Noth die edle Menschenform von aussen an, aber um diess war&#x2019;s meinem Adamas nicht zu thun; er wollte Menschen, und, um diese zu schaffen, hatt&#x2019; er seine Kunst zu arm gefunden. Sie waren einmal da gewesen, die er suchte, die zu schaffen, seine Kunst zu arm war, das erkannt&#x2019; er deutlich. Wo sie da gewesen, wusst&#x2019; er auch. Da wollt&#x2019; er hin und unter dem Schutt nach ihrem Genius fragen, mit diesem sich die einsamen Tage zu verkürzen. Er kam nach Griechenland. So fand ich ihn.</p><lb/>
          <p>Noch seh&#x2019; ich ihn vor mich treten in lächelnder Betrachtung, noch hör&#x2019; ich seinen Gruss und seine Fragen.</p><lb/>
          <p>Wie vor einer Pflanze, wenn ihr Friede den strebenden Geist besänftigt, und die einfäl-
</p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0025] an, wurde von allem ergriffen, aber auch nur für den Moment, und die unbehülflichen Kräfte matteten vergebens sich ab. Ich fühlte, dass mir’s überall fehlte, und konnte doch mein Ziel nicht finden. So fand er mich. Er hatt’ an seinem Stoffe, der sogenannten kultivirten Welt, lange genug Geduld und Kunst geübt, aber sein Stoff war Stein und Holz gewesen und geblieben, nahm wohl zur Noth die edle Menschenform von aussen an, aber um diess war’s meinem Adamas nicht zu thun; er wollte Menschen, und, um diese zu schaffen, hatt’ er seine Kunst zu arm gefunden. Sie waren einmal da gewesen, die er suchte, die zu schaffen, seine Kunst zu arm war, das erkannt’ er deutlich. Wo sie da gewesen, wusst’ er auch. Da wollt’ er hin und unter dem Schutt nach ihrem Genius fragen, mit diesem sich die einsamen Tage zu verkürzen. Er kam nach Griechenland. So fand ich ihn. Noch seh’ ich ihn vor mich treten in lächelnder Betrachtung, noch hör’ ich seinen Gruss und seine Fragen. Wie vor einer Pflanze, wenn ihr Friede den strebenden Geist besänftigt, und die einfäl-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Arbeitsstelle Zentralbegriffe der »Kunstperiode«, Prof. Dr. Jochen A. Bär, Universität Vechta, Institut für Geistes- und Kulturwissenschaften: Bereitstellung der Texttranskription. (2019-12-12T13:56:08Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Andre Pietsch, Christian Thomas: Bearbeitung der digitalen Edition. (2019-11-13T13:56:08Z)

Weitere Informationen:

Die Transkription erfolgte nach den unter http://www.deutschestextarchiv.de/doku/basisformat/ formulierten Richtlinien.

Verfahren der Texterfassung: manuell (einfach erfasst).

Bogensignaturen: gekennzeichnet; Druckfehler: stillschweigend korrigiert; fremdsprachliches Material: keine Angabe; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): wie Vorlage; I/J in Fraktur: keine Angabe; i/j in Fraktur: keine Angabe; Kolumnentitel: keine Angabe; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: stillschweigend; rundes r (ꝛ): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: keine Angabe; Vokale mit übergest. e: keine Angabe; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: nein;




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/hoelderlin_hyperion01_1797
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/hoelderlin_hyperion01_1797/25
Zitationshilfe: Hölderlin, Friedrich: Hyperion. Erster Band. Tübingen, 1797, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hoelderlin_hyperion01_1797/25>, abgerufen am 21.11.2024.