Hölderlin, Friedrich: Hyperion. Erster Band. Tübingen, 1797.alle Tugenden der Rohheit und der Bildung stehen, ohne gedungen zu seyn, in unsrem Dienst, und helfen blindlings mit zu unsrem Ziel - nur wünschten wir, es hätte jemand den Genuss davon, drum suchen wir unter den tausend blinden Gehülfen die besten uns aus, um sie zu sehenden Gehülfen zu machen - will aber niemand wohnen, wo wir bauten, unsre Schuld und unser Schaden ist es nicht. Wir thaten, was das unsre war. Will niemand sammeln, wo wir pflügten, wer verargt es uns? Wer flucht dem Baume, wenn sein Apfel in den Sumpf fällt? Ich hab's mir oft gesagt, du opferst der Verwesung, und ich endete mein Tagwerk doch. Das sind Betrüger! riefen alle Wände meinem empfindlichen Sinne zu. Mir war, wie einem, der im Rauch erstiken will, und Thüren und Fenster einstösst, um sich hinauszuhelfen, so dürstet' ich nach Luft und Freiheit. Sie sahn auch bald, wie unheimlich mir zu Muthe war, und brachen ab. Der Tag graute schon, da ich aus dem Khan trat, wo wir waren beisammen gewesen. Ich fühlte das Wehen der Morgenluft, wie Balsam an einer brennenden Wunde. alle Tugenden der Rohheit und der Bildung stehen, ohne gedungen zu seyn, in unsrem Dienst, und helfen blindlings mit zu unsrem Ziel – nur wünschten wir, es hätte jemand den Genuss davon, drum suchen wir unter den tausend blinden Gehülfen die besten uns aus, um sie zu sehenden Gehülfen zu machen – will aber niemand wohnen, wo wir bauten, unsre Schuld und unser Schaden ist es nicht. Wir thaten, was das unsre war. Will niemand sammeln, wo wir pflügten, wer verargt es uns? Wer flucht dem Baume, wenn sein Apfel in den Sumpf fällt? Ich hab’s mir oft gesagt, du opferst der Verwesung, und ich endete mein Tagwerk doch. Das sind Betrüger! riefen alle Wände meinem empfindlichen Sinne zu. Mir war, wie einem, der im Rauch erstiken will, und Thüren und Fenster einstösst, um sich hinauszuhelfen, so dürstet’ ich nach Luft und Freiheit. Sie sahn auch bald, wie unheimlich mir zu Muthe war, und brachen ab. Der Tag graute schon, da ich aus dem Khan trat, wo wir waren beisammen gewesen. Ich fühlte das Wehen der Morgenluft, wie Balsam an einer brennenden Wunde. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div type="chapter" n="2"> <p><pb facs="#f0065"/> alle Tugenden der Rohheit und der Bildung stehen, ohne gedungen zu seyn, in unsrem Dienst, und helfen blindlings mit zu unsrem Ziel – nur wünschten wir, es hätte jemand den Genuss davon, drum suchen wir unter den tausend blinden Gehülfen die besten uns aus, um sie zu sehenden Gehülfen zu machen – will aber niemand wohnen, wo wir bauten, unsre Schuld und unser Schaden ist es nicht. Wir thaten, was das unsre war. Will niemand sammeln, wo wir pflügten, wer verargt es uns? Wer flucht dem Baume, wenn sein Apfel in den Sumpf fällt? Ich hab’s mir oft gesagt, du opferst der Verwesung, und ich endete mein Tagwerk doch.</p><lb/> <p>Das sind Betrüger! riefen alle Wände meinem empfindlichen Sinne zu. Mir war, wie einem, der im Rauch erstiken will, und Thüren und Fenster einstösst, um sich hinauszuhelfen, so dürstet’ ich nach Luft und Freiheit.</p><lb/> <p>Sie sahn auch bald, wie unheimlich mir zu Muthe war, und brachen ab. Der Tag graute schon, da ich aus dem Khan trat, wo wir waren beisammen gewesen. Ich fühlte das Wehen der Morgenluft, wie Balsam an einer brennenden Wunde.</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0065]
alle Tugenden der Rohheit und der Bildung stehen, ohne gedungen zu seyn, in unsrem Dienst, und helfen blindlings mit zu unsrem Ziel – nur wünschten wir, es hätte jemand den Genuss davon, drum suchen wir unter den tausend blinden Gehülfen die besten uns aus, um sie zu sehenden Gehülfen zu machen – will aber niemand wohnen, wo wir bauten, unsre Schuld und unser Schaden ist es nicht. Wir thaten, was das unsre war. Will niemand sammeln, wo wir pflügten, wer verargt es uns? Wer flucht dem Baume, wenn sein Apfel in den Sumpf fällt? Ich hab’s mir oft gesagt, du opferst der Verwesung, und ich endete mein Tagwerk doch.
Das sind Betrüger! riefen alle Wände meinem empfindlichen Sinne zu. Mir war, wie einem, der im Rauch erstiken will, und Thüren und Fenster einstösst, um sich hinauszuhelfen, so dürstet’ ich nach Luft und Freiheit.
Sie sahn auch bald, wie unheimlich mir zu Muthe war, und brachen ab. Der Tag graute schon, da ich aus dem Khan trat, wo wir waren beisammen gewesen. Ich fühlte das Wehen der Morgenluft, wie Balsam an einer brennenden Wunde.
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Zitationshilfe: | Hölderlin, Friedrich: Hyperion. Erster Band. Tübingen, 1797, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hoelderlin_hyperion01_1797/65>, abgerufen am 16.07.2024. |