Hölderlin, Friedrich: Hyperion. Erster Band. Tübingen, 1797.ihr Liebstes sey, und alle Kinder in den Schoos ihr stürzen, und das Kleinste noch die Arme aus der Wiege strekt, so flog und sprang und strebte jedes Leben in die göttliche Luft hinaus, und Käfer und Schwalben und Tauben und Störche tummelten sich in frohlokkender Verwirrung unter einander in den Tiefen und Höhn, und was die Erde festhielt, dem ward zum Fluge der Schritt, über die Gräben brausste das Ross und über die Zäune das Reh, und aus dem Meergrund kamen die Fische herauf und hüpften über die Fläche. Allen drang die mütterliche Luft an's Herz, und hob sie und zog sie zu sich. Und die Menschen giengen aus ihren Thüren heraus, und fühlten wunderbar das geistige Weben, wie es leise die zarten Haare über der Stirne bewegte, wie es den Lichtstral kühlte, und lösten freundlich ihre Gewänder, um es aufzunehmen an ihre Brust, athmeten süsser, berührten zärtlicher das leichte klare schmeichelnde Meer, in dem sie lebten und webten. O Schwester des Geistes, der feurigmächtig in uns waltet und lebt, heilige Luft! wie schön ist's, dass du, wohin ich wandre, mich geleitest, Allgegenwärtige, Unsterbliche! ihr Liebstes sey, und alle Kinder in den Schoos ihr stürzen, und das Kleinste noch die Arme aus der Wiege strekt, so flog und sprang und strebte jedes Leben in die göttliche Luft hinaus, und Käfer und Schwalben und Tauben und Störche tummelten sich in frohlokkender Verwirrung unter einander in den Tiefen und Höhn, und was die Erde festhielt, dem ward zum Fluge der Schritt, über die Gräben brausste das Ross und über die Zäune das Reh, und aus dem Meergrund kamen die Fische herauf und hüpften über die Fläche. Allen drang die mütterliche Luft an’s Herz, und hob sie und zog sie zu sich. Und die Menschen giengen aus ihren Thüren heraus, und fühlten wunderbar das geistige Weben, wie es leise die zarten Haare über der Stirne bewegte, wie es den Lichtstral kühlte, und lösten freundlich ihre Gewänder, um es aufzunehmen an ihre Brust, athmeten süsser, berührten zärtlicher das leichte klare schmeichelnde Meer, in dem sie lebten und webten. O Schwester des Geistes, der feurigmächtig in uns waltet und lebt, heilige Luft! wie schön ist’s, dass du, wohin ich wandre, mich geleitest, Allgegenwärtige, Unsterbliche! <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div type="chapter" n="2"> <p><pb facs="#f0094"/> ihr Liebstes sey, und alle Kinder in den Schoos ihr stürzen, und das Kleinste noch die Arme aus der Wiege strekt, so flog und sprang und strebte jedes Leben in die göttliche Luft hinaus, und Käfer und Schwalben und Tauben und Störche tummelten sich in frohlokkender Verwirrung unter einander in den Tiefen und Höhn, und was die Erde festhielt, dem ward zum Fluge der Schritt, über die Gräben brausste das Ross und über die Zäune das Reh, und aus dem Meergrund kamen die Fische herauf und hüpften über die Fläche. Allen drang die mütterliche Luft an’s Herz, und hob sie und zog sie zu sich.</p><lb/> <p>Und die Menschen giengen aus ihren Thüren heraus, und fühlten wunderbar das geistige Weben, wie es leise die zarten Haare über der Stirne bewegte, wie es den Lichtstral kühlte, und lösten freundlich ihre Gewänder, um es aufzunehmen an ihre Brust, athmeten süsser, berührten zärtlicher das leichte klare schmeichelnde Meer, in dem sie lebten und webten.</p><lb/> <p>O Schwester des Geistes, der feurigmächtig in uns waltet und lebt, heilige Luft! wie schön ist’s, dass du, wohin ich wandre, mich geleitest, Allgegenwärtige, Unsterbliche!</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0094]
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Und die Menschen giengen aus ihren Thüren heraus, und fühlten wunderbar das geistige Weben, wie es leise die zarten Haare über der Stirne bewegte, wie es den Lichtstral kühlte, und lösten freundlich ihre Gewänder, um es aufzunehmen an ihre Brust, athmeten süsser, berührten zärtlicher das leichte klare schmeichelnde Meer, in dem sie lebten und webten.
O Schwester des Geistes, der feurigmächtig in uns waltet und lebt, heilige Luft! wie schön ist’s, dass du, wohin ich wandre, mich geleitest, Allgegenwärtige, Unsterbliche!
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Zitationshilfe: | Hölderlin, Friedrich: Hyperion. Erster Band. Tübingen, 1797, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hoelderlin_hyperion01_1797/94>, abgerufen am 16.07.2024. |