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Hölderlin, Friedrich: Hyperion. Zweiter Band. Tübingen, 1799.

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wandelnder Triumphzug, wo die Natur den ewigen Sieg über alle Verderbniß feiert? und führt nicht zur Verherrlichung das Leben den Tod mit sich, in goldenen Ketten, wie der Feldherr einst die gefangenen Könige mit sich geführt? und wir, wir sind wie die Jungfrauen und die Jünglinge, die mit Tanz und Gesang, in wechselnden Gestalten und Tönen den majestätischen Zug geleiten.

Nun laß mich schweigen. Mehr zu sagen, wäre zu viel. Wir werden wohl uns wieder begegnen. -

Trauernder Jüngling! bald, bald wirst du glüklicher seyn. Dir ist dein Lorbeer nicht gereift und deine Myrthen verblühten, denn Priester sollst du seyn der göttlichen Natur, und die dichterischen Tage keimen dir schon.

O könnt' ich dich sehn in deiner künftigen Schöne! Lebe wohl.

Zugleich erhielt ich einen Brief von Notara, worinn er mir schrieb:

Den Tag, nachdem sie dir zum leztenmal geschrieben, wurde sie ganz ruhig, sprach noch wenig Worte, sagte dann auch, daß sie lieber möcht' im Feuer von der Erde scheiden, als begraben seyn, und ihre Asche sollten wir

wandelnder Triumphzug, wo die Natur den ewigen Sieg über alle Verderbniß feiert? und führt nicht zur Verherrlichung das Leben den Tod mit sich, in goldenen Ketten, wie der Feldherr einst die gefangenen Könige mit sich geführt? und wir, wir sind wie die Jungfrauen und die Jünglinge, die mit Tanz und Gesang, in wechselnden Gestalten und Tönen den majestätischen Zug geleiten.

Nun laß mich schweigen. Mehr zu sagen, wäre zu viel. Wir werden wohl uns wieder begegnen. –

Trauernder Jüngling! bald, bald wirst du glüklicher seyn. Dir ist dein Lorbeer nicht gereift und deine Myrthen verblühten, denn Priester sollst du seyn der göttlichen Natur, und die dichterischen Tage keimen dir schon.

O könnt’ ich dich sehn in deiner künftigen Schöne! Lebe wohl.

Zugleich erhielt ich einen Brief von Notara, worinn er mir schrieb:

Den Tag, nachdem sie dir zum leztenmal geschrieben, wurde sie ganz ruhig, sprach noch wenig Worte, sagte dann auch, daß sie lieber möcht’ im Feuer von der Erde scheiden, als begraben seyn, und ihre Asche sollten wir

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[0104] wandelnder Triumphzug, wo die Natur den ewigen Sieg über alle Verderbniß feiert? und führt nicht zur Verherrlichung das Leben den Tod mit sich, in goldenen Ketten, wie der Feldherr einst die gefangenen Könige mit sich geführt? und wir, wir sind wie die Jungfrauen und die Jünglinge, die mit Tanz und Gesang, in wechselnden Gestalten und Tönen den majestätischen Zug geleiten. Nun laß mich schweigen. Mehr zu sagen, wäre zu viel. Wir werden wohl uns wieder begegnen. – Trauernder Jüngling! bald, bald wirst du glüklicher seyn. Dir ist dein Lorbeer nicht gereift und deine Myrthen verblühten, denn Priester sollst du seyn der göttlichen Natur, und die dichterischen Tage keimen dir schon. O könnt’ ich dich sehn in deiner künftigen Schöne! Lebe wohl. Zugleich erhielt ich einen Brief von Notara, worinn er mir schrieb: Den Tag, nachdem sie dir zum leztenmal geschrieben, wurde sie ganz ruhig, sprach noch wenig Worte, sagte dann auch, daß sie lieber möcht’ im Feuer von der Erde scheiden, als begraben seyn, und ihre Asche sollten wir

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Zitationshilfe: Hölderlin, Friedrich: Hyperion. Zweiter Band. Tübingen, 1799, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hoelderlin_hyperion02_1799/104>, abgerufen am 21.11.2024.