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Hölty, Ludwig Christoph Heinrich: Gedichte. Hamburg, 1783.

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Stadt, bald auf dem Lande leben. In der Stadt wollte
ich Menschenkenntniss sammeln, auf dem Lande Ge¬
dichte machen. Mein Hang zum Landleben ist so gross,
dass ich es schwerlich übers Herz bringen würde, alle
meine Tage in der Stadt zu verleben. Wenn ich an
das Land denke, so klopft mir das Herz. Eine Hütte,
ein Wald daran, eine Wiese mit einer Silberquelle, und
ein Weib in meine Hütte, ist alles, was ich auf diesem
Erdboden wünsche. Freunde brauche ich nicht mehr
zu wünschen, diese habe ich schon. Ihre Freundschaft
wird meine trüben Stunden aufheitern, meine frohen
noch froher machen. Ich werde ihre Briefe und Werke
an meiner Quelle, in meinem Walde lesen, und mich
der seligen Tage erinnern, da ich ihres Umgangs ge¬
noss ... Ich soll mehr Balladen machen? Vielleicht
mache ich einige, es werden aber sehr wenige sein.
Mir kommt ein Balladensänger wie ein Harlekin, oder
ein Mensch mit einem Raritätenkasten vor. Den gröss¬
ten Hang habe ich zur ländlichen Poesie, und zur süssen
melancholischen Schmärmerei in Gedichten. An diesen
nimt mein Herz den meisten Antheil. Ich will alle
meine Kräfte aufbieten. Ich will kein Dichter sein,
wenn ich kein grosser Dichter werden kann. Wenn
ich nichts hervorbringen kann, was die Unsterblichkeit
an der Stirne trägt, was mit den Werken meiner Freun¬
de in gleichem Paare geht, so soll keine Silbe von mir
gedruckt werden. Ein mittelmässiger Dichter ist ein
Unding!"

Aus

Stadt, bald auf dem Lande leben. In der Stadt wollte
ich Menſchenkenntniſs ſammeln, auf dem Lande Ge¬
dichte machen. Mein Hang zum Landleben iſt ſo groſs,
daſs ich es ſchwerlich übers Herz bringen würde, alle
meine Tage in der Stadt zu verleben. Wenn ich an
das Land denke, ſo klopft mir das Herz. Eine Hütte,
ein Wald daran, eine Wieſe mit einer Silberquelle, und
ein Weib in meine Hütte, iſt alles, was ich auf dieſem
Erdboden wünſche. Freunde brauche ich nicht mehr
zu wünſchen, dieſe habe ich ſchon. Ihre Freundſchaft
wird meine trüben Stunden aufheitern, meine frohen
noch froher machen. Ich werde ihre Briefe und Werke
an meiner Quelle, in meinem Walde leſen, und mich
der ſeligen Tage erinnern, da ich ihres Umgangs ge¬
noſs ... Ich ſoll mehr Balladen machen? Vielleicht
mache ich einige, es werden aber ſehr wenige ſein.
Mir kommt ein Balladenſänger wie ein Harlekin, oder
ein Menſch mit einem Raritätenkaſten vor. Den gröſs¬
ten Hang habe ich zur ländlichen Poeſie, und zur ſüſſen
melancholiſchen Schmärmerei in Gedichten. An dieſen
nimt mein Herz den meiſten Antheil. Ich will alle
meine Kräfte aufbieten. Ich will kein Dichter ſein,
wenn ich kein groſſer Dichter werden kann. Wenn
ich nichts hervorbringen kann, was die Unſterblichkeit
an der Stirne trägt, was mit den Werken meiner Freun¬
de in gleichem Paare geht, ſo ſoll keine Silbe von mir
gedruckt werden. Ein mittelmäſſiger Dichter iſt ein
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[XVI/0024] Stadt, bald auf dem Lande leben. In der Stadt wollte ich Menſchenkenntniſs ſammeln, auf dem Lande Ge¬ dichte machen. Mein Hang zum Landleben iſt ſo groſs, daſs ich es ſchwerlich übers Herz bringen würde, alle meine Tage in der Stadt zu verleben. Wenn ich an das Land denke, ſo klopft mir das Herz. Eine Hütte, ein Wald daran, eine Wieſe mit einer Silberquelle, und ein Weib in meine Hütte, iſt alles, was ich auf dieſem Erdboden wünſche. Freunde brauche ich nicht mehr zu wünſchen, dieſe habe ich ſchon. Ihre Freundſchaft wird meine trüben Stunden aufheitern, meine frohen noch froher machen. Ich werde ihre Briefe und Werke an meiner Quelle, in meinem Walde leſen, und mich der ſeligen Tage erinnern, da ich ihres Umgangs ge¬ noſs ... Ich ſoll mehr Balladen machen? Vielleicht mache ich einige, es werden aber ſehr wenige ſein. Mir kommt ein Balladenſänger wie ein Harlekin, oder ein Menſch mit einem Raritätenkaſten vor. Den gröſs¬ ten Hang habe ich zur ländlichen Poeſie, und zur ſüſſen melancholiſchen Schmärmerei in Gedichten. An dieſen nimt mein Herz den meiſten Antheil. Ich will alle meine Kräfte aufbieten. Ich will kein Dichter ſein, wenn ich kein groſſer Dichter werden kann. Wenn ich nichts hervorbringen kann, was die Unſterblichkeit an der Stirne trägt, was mit den Werken meiner Freun¬ de in gleichem Paare geht, ſo ſoll keine Silbe von mir gedruckt werden. Ein mittelmäſſiger Dichter iſt ein Unding!„ Aus

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Zitationshilfe: Hölty, Ludwig Christoph Heinrich: Gedichte. Hamburg, 1783, S. XVI. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hoelty_gedichte_1783/24>, abgerufen am 23.11.2024.