Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Hölty, Ludwig Christoph Heinrich: Gedichte. Hamburg, 1783.

Bild:
<< vorherige Seite
Wandelt' über den Gottesacker, und ging in die
Kirche,
Nahm den Kranz der geliebten Braut von der Wand,
und kniete
An dem Altar, und barg das Gesicht in die Blumen
des Kranzes,
Flehte weinend zu Gott: O entnim mich der Erde,
mein Vater!
Ruf mich zu meiner Entschlummerten! Doch dein
Wille geschehe!
Lispelnd bebte das Gold und die Flitterblumen des
Kranzes,
Lieblich rauschten die flatternden Bänder, wie Blät¬
ter im Winde,
Und ein fliegender Lichtglanz flog durch die Fenster
der Kirche.
Ruhiger wandelte Wilhelm nach Haus. Bald hörten
die Schwestern
Drauf die Todtenuhr in der Kammer pickern, und
sahen
Auf der Diele den Sarg, und den Pfarrer im Mantel
daneben;
Und
Wandelt' über den Gottesacker, und ging in die
Kirche,
Nahm den Kranz der geliebten Braut von der Wand,
und kniete
An dem Altar, und barg das Geſicht in die Blumen
des Kranzes,
Flehte weinend zu Gott: O entnim mich der Erde,
mein Vater!
Ruf mich zu meiner Entſchlummerten! Doch dein
Wille geſchehe!
Liſpelnd bebte das Gold und die Flitterblumen des
Kranzes,
Lieblich rauſchten die flatternden Bänder, wie Blät¬
ter im Winde,
Und ein fliegender Lichtglanz flog durch die Fenſter
der Kirche.
Ruhiger wandelte Wilhelm nach Haus. Bald hörten
die Schweſtern
Drauf die Todtenuhr in der Kammer pickern, und
ſahen
Auf der Diele den Sarg, und den Pfarrer im Mantel
daneben;
Und
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <lg type="poem">
            <pb facs="#f0060" n="20"/>
            <l>Wandelt' über den Gottesacker, und ging in die</l><lb/>
            <l>Kirche,</l><lb/>
            <l>Nahm den Kranz der geliebten Braut von der Wand,</l><lb/>
            <l>und kniete</l><lb/>
            <l>An dem Altar, und barg das Ge&#x017F;icht in die Blumen</l><lb/>
            <l>des Kranzes,</l><lb/>
            <l>Flehte weinend zu Gott: O entnim mich der Erde,</l><lb/>
            <l>mein Vater!</l><lb/>
            <l>Ruf mich zu meiner Ent&#x017F;chlummerten! Doch dein</l><lb/>
            <l>Wille ge&#x017F;chehe!</l><lb/>
            <l>Li&#x017F;pelnd bebte das Gold und die Flitterblumen des</l><lb/>
            <l>Kranzes,</l><lb/>
            <l>Lieblich rau&#x017F;chten die flatternden Bänder, wie Blät¬</l><lb/>
            <l>ter im Winde,</l><lb/>
            <l>Und ein fliegender Lichtglanz flog durch die Fen&#x017F;ter</l><lb/>
            <l>der Kirche.</l><lb/>
            <l>Ruhiger wandelte Wilhelm nach Haus. Bald hörten</l><lb/>
            <l>die Schwe&#x017F;tern</l><lb/>
            <l>Drauf die Todtenuhr in der Kammer pickern, und</l><lb/>
            <l>&#x017F;ahen</l><lb/>
            <l>Auf der Diele den Sarg, und den Pfarrer im Mantel</l><lb/>
            <l>daneben;</l><lb/>
            <fw place="bottom" type="catch">Und<lb/></fw>
          </lg>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[20/0060] Wandelt' über den Gottesacker, und ging in die Kirche, Nahm den Kranz der geliebten Braut von der Wand, und kniete An dem Altar, und barg das Geſicht in die Blumen des Kranzes, Flehte weinend zu Gott: O entnim mich der Erde, mein Vater! Ruf mich zu meiner Entſchlummerten! Doch dein Wille geſchehe! Liſpelnd bebte das Gold und die Flitterblumen des Kranzes, Lieblich rauſchten die flatternden Bänder, wie Blät¬ ter im Winde, Und ein fliegender Lichtglanz flog durch die Fenſter der Kirche. Ruhiger wandelte Wilhelm nach Haus. Bald hörten die Schweſtern Drauf die Todtenuhr in der Kammer pickern, und ſahen Auf der Diele den Sarg, und den Pfarrer im Mantel daneben; Und

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/hoelty_gedichte_1783
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/hoelty_gedichte_1783/60
Zitationshilfe: Hölty, Ludwig Christoph Heinrich: Gedichte. Hamburg, 1783, S. 20. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hoelty_gedichte_1783/60>, abgerufen am 24.11.2024.