Nacht öffnete ich das Portefeuille, und über¬ zeugte mich ganz davon, daß es eben Graf Viktorin war, der zerschmettert im Abgrunde lag, doch waren übrigens die an ihn gerich¬ teten Briefe gleichgültigen Inhalts, und kein einziger führte mich nur auch mit einer Syl¬ be ein in seine nähere Lebensverhältnisse. Ohne mich darum weiter zu kümmern, be¬ schloß ich dem mich ganz zu fügen, was der Zufall über mich verhängt haben wür¬ de, wenn die Baronesse angekommen und mich gesehen. -- Schon den andern Morgen traf die Baronesse mit Aurelien ganz uner¬ wartet ein. Ich sah beide aus dem Wagen steigen und, von dem Baron und Reinhold empfangen, in das Portal des Schlosses ge¬ hen. Unruhig schritt ich im Zimmer auf und ab von seltsamen Ahnungen bestürmt, nicht lange dauerte es, so wurde ich herabgeru¬ fen. -- Die Baronesse trat mir entgegen -- ein schönes, herrliches Weib, noch in voller Blüthe. -- Als sie mich erblickte, schien sie
Nacht oͤffnete ich das Portefeuille, und uͤber¬ zeugte mich ganz davon, daß es eben Graf Viktorin war, der zerſchmettert im Abgrunde lag, doch waren uͤbrigens die an ihn gerich¬ teten Briefe gleichguͤltigen Inhalts, und kein einziger fuͤhrte mich nur auch mit einer Syl¬ be ein in ſeine naͤhere Lebensverhaͤltniſſe. Ohne mich darum weiter zu kuͤmmern, be¬ ſchloß ich dem mich ganz zu fuͤgen, was der Zufall uͤber mich verhaͤngt haben wuͤr¬ de, wenn die Baroneſſe angekommen und mich geſehen. — Schon den andern Morgen traf die Baroneſſe mit Aurelien ganz uner¬ wartet ein. Ich ſah beide aus dem Wagen ſteigen und, von dem Baron und Reinhold empfangen, in das Portal des Schloſſes ge¬ hen. Unruhig ſchritt ich im Zimmer auf und ab von ſeltſamen Ahnungen beſtuͤrmt, nicht lange dauerte es, ſo wurde ich herabgeru¬ fen. — Die Baroneſſe trat mir entgegen — ein ſchoͤnes, herrliches Weib, noch in voller Bluͤthe. — Als ſie mich erblickte, ſchien ſie
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Nacht oͤffnete ich das Portefeuille, und uͤber¬
zeugte mich ganz davon, daß es eben Graf
Viktorin war, der zerſchmettert im Abgrunde
lag, doch waren uͤbrigens die an ihn gerich¬
teten Briefe gleichguͤltigen Inhalts, und kein
einziger fuͤhrte mich nur auch mit einer Syl¬
be ein in ſeine naͤhere Lebensverhaͤltniſſe.
Ohne mich darum weiter zu kuͤmmern, be¬
ſchloß ich dem mich ganz zu fuͤgen, was
der Zufall uͤber mich verhaͤngt haben wuͤr¬
de, wenn die Baroneſſe angekommen und
mich geſehen. — Schon den andern Morgen
traf die Baroneſſe mit Aurelien ganz uner¬
wartet ein. Ich ſah beide aus dem Wagen
ſteigen und, von dem Baron und Reinhold
empfangen, in das Portal des Schloſſes ge¬
hen. Unruhig ſchritt ich im Zimmer auf und
ab von ſeltſamen Ahnungen beſtuͤrmt, nicht
lange dauerte es, ſo wurde ich herabgeru¬
fen. — Die Baroneſſe trat mir entgegen —
ein ſchoͤnes, herrliches Weib, noch in voller
Bluͤthe. — Als ſie mich erblickte, ſchien ſie
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[Hoffmann, E. T. A.]: Die Elixiere des Teufels. Bd. 1. Berlin, 1815, S. 137. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmann_elixiere01_1815/153>, abgerufen am 17.02.2025.
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