holte ein kleines Schnupftuch hervor, that als wische er sich die Thränen aus den Au¬ gen, bückte sich einmal über das andere ganz ehrerbietig, küßte mir die Hand und den Rock und flehte: "zwei Messen für meine Großmutter, die an einer Indigestion, vier Messen für meinen Vater, der an unwillkühr¬ lichem Fasten starb, ehrwürdger Herr! Aber für mich jede Woche eine, wenn ich gestor¬ ben. -- Vor der Hand Ablaß für meine vielen Sünden. -- Ach, ehrwürdger Herr, es steckt ein infamer sündlicher Kerl in meinem Innern, und spricht: Peter Schönfeld, sei kein Affe, und glaube, daß du bist, sondern ich bin eigentlich du, heiße Belcampo und bin eine geniale Idee, und wenn du das nicht glaubst, so stoße ich dich nieder mit ei¬ nem spitzigen haarscharfen Gedanken. Dieser feindliche Mensch, Belcampo genannt, Ehr¬ würdiger! begeht alle mögliche Laster; unter andern zweifelt er oft an der Gegenwart, be¬ trinkt sich sehr, schlägt um sich, und treibt
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holte ein kleines Schnupftuch hervor, that als wiſche er ſich die Thraͤnen aus den Au¬ gen, buͤckte ſich einmal uͤber das andere ganz ehrerbietig, kuͤßte mir die Hand und den Rock und flehte: „zwei Meſſen fuͤr meine Großmutter, die an einer Indigeſtion, vier Meſſen fuͤr meinen Vater, der an unwillkuͤhr¬ lichem Faſten ſtarb, ehrwuͤrdger Herr! Aber fuͤr mich jede Woche eine, wenn ich geſtor¬ ben. — Vor der Hand Ablaß fuͤr meine vielen Suͤnden. — Ach, ehrwuͤrdger Herr, es ſteckt ein infamer ſuͤndlicher Kerl in meinem Innern, und ſpricht: Peter Schoͤnfeld, ſei kein Affe, und glaube, daß du biſt, ſondern ich bin eigentlich du, heiße Belcampo und bin eine geniale Idee, und wenn du das nicht glaubſt, ſo ſtoße ich dich nieder mit ei¬ nem ſpitzigen haarſcharfen Gedanken. Dieſer feindliche Menſch, Belcampo genannt, Ehr¬ wuͤrdiger! begeht alle moͤgliche Laſter; unter andern zweifelt er oft an der Gegenwart, be¬ trinkt ſich ſehr, ſchlaͤgt um ſich, und treibt
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holte ein kleines Schnupftuch hervor, that
als wiſche er ſich die Thraͤnen aus den Au¬
gen, buͤckte ſich einmal uͤber das andere ganz
ehrerbietig, kuͤßte mir die Hand und den
Rock und flehte: „zwei Meſſen fuͤr meine
Großmutter, die an einer Indigeſtion, vier
Meſſen fuͤr meinen Vater, der an unwillkuͤhr¬
lichem Faſten ſtarb, ehrwuͤrdger Herr! Aber
fuͤr mich jede Woche eine, wenn ich geſtor¬
ben. — Vor der Hand Ablaß fuͤr meine
vielen Suͤnden. — Ach, ehrwuͤrdger Herr, es
ſteckt ein infamer ſuͤndlicher Kerl in meinem
Innern, und ſpricht: Peter Schoͤnfeld, ſei
kein Affe, und glaube, daß du biſt, ſondern
ich bin eigentlich du, heiße Belcampo und
bin eine geniale Idee, und wenn du das
nicht glaubſt, ſo ſtoße ich dich nieder mit ei¬
nem ſpitzigen haarſcharfen Gedanken. Dieſer
feindliche Menſch, Belcampo genannt, Ehr¬
wuͤrdiger! begeht alle moͤgliche Laſter; unter
andern zweifelt er oft an der Gegenwart, be¬
trinkt ſich ſehr, ſchlaͤgt um ſich, und treibt
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[Hoffmann, E. T. A.]: Die Elixiere des Teufels. Bd. 1. Berlin, 1815, S. 241. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmann_elixiere01_1815/257>, abgerufen am 24.11.2024.
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