ger Stätte erschienen, nur in frechem Hohn die Gestalt borgend von dem frommen Ma¬ ler in der heiligen Linde. Niemand wollte übrigens den Mann im violetten Mantel er¬ blickt haben, und der Prior Leonardus ver¬ breitete nach seiner anerkannten Gutmüthig¬ keit auf das eifrigste überall, wie es nur der Anfall einer hitzigen Krankheit gewesen, wel¬ cher mich in der Predigt auf solche entsetzli¬ che Weise mitgenommen, und meine verwirr¬ ten Reden veranlaßt habe: wirklich war ich auch noch siech und krank, als ich nach meh¬ reren Wochen wieder in das gewöhnliche Klö¬ sterliche Leben eintrat. Dennoch unternahm ich es wieder die Kanzel zu besteigen, aber, von innerer Angst gefoltert, verfolgt von der entsetzlichen bleichen Gestalt, vermochte ich kaum zusammenhängend zu sprechen, viel we¬ niger mich wie sonst, dem Feuer der Bered¬ samkeit zu überlassen. Meine Predigten wa¬ ren gewöhnlich -- steif -- zerstückelt. -- Die Zuhörer bedauerten den Verlust meiner Red¬
ger Staͤtte erſchienen, nur in frechem Hohn die Geſtalt borgend von dem frommen Ma¬ ler in der heiligen Linde. Niemand wollte uͤbrigens den Mann im violetten Mantel er¬ blickt haben, und der Prior Leonardus ver¬ breitete nach ſeiner anerkannten Gutmuͤthig¬ keit auf das eifrigſte uͤberall, wie es nur der Anfall einer hitzigen Krankheit geweſen, wel¬ cher mich in der Predigt auf ſolche entſetzli¬ che Weiſe mitgenommen, und meine verwirr¬ ten Reden veranlaßt habe: wirklich war ich auch noch ſiech und krank, als ich nach meh¬ reren Wochen wieder in das gewoͤhnliche Kloͤ¬ ſterliche Leben eintrat. Dennoch unternahm ich es wieder die Kanzel zu beſteigen, aber, von innerer Angſt gefoltert, verfolgt von der entſetzlichen bleichen Geſtalt, vermochte ich kaum zuſammenhaͤngend zu ſprechen, viel we¬ niger mich wie ſonſt, dem Feuer der Bered¬ ſamkeit zu uͤberlaſſen. Meine Predigten wa¬ ren gewoͤhnlich — ſteif — zerſtuͤckelt. — Die Zuhoͤrer bedauerten den Verluſt meiner Red¬
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ger Staͤtte erſchienen, nur in frechem Hohn
die Geſtalt borgend von dem frommen Ma¬
ler in der heiligen Linde. Niemand wollte
uͤbrigens den Mann im violetten Mantel er¬
blickt haben, und der Prior Leonardus ver¬
breitete nach ſeiner anerkannten Gutmuͤthig¬
keit auf das eifrigſte uͤberall, wie es nur der
Anfall einer hitzigen Krankheit geweſen, wel¬
cher mich in der Predigt auf ſolche entſetzli¬
che Weiſe mitgenommen, und meine verwirr¬
ten Reden veranlaßt habe: wirklich war ich
auch noch ſiech und krank, als ich nach meh¬
reren Wochen wieder in das gewoͤhnliche Kloͤ¬
ſterliche Leben eintrat. Dennoch unternahm
ich es wieder die Kanzel zu beſteigen, aber,
von innerer Angſt gefoltert, verfolgt von der
entſetzlichen bleichen Geſtalt, vermochte ich
kaum zuſammenhaͤngend zu ſprechen, viel we¬
niger mich wie ſonſt, dem Feuer der Bered¬
ſamkeit zu uͤberlaſſen. Meine Predigten wa¬
ren gewoͤhnlich — ſteif — zerſtuͤckelt. — Die
Zuhoͤrer bedauerten den Verluſt meiner Red¬
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[Hoffmann, E. T. A.]: Die Elixiere des Teufels. Bd. 1. Berlin, 1815, S. 66. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmann_elixiere01_1815/82>, abgerufen am 21.11.2024.
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