Buße, die unerhörte Weise, wie ich sie voll¬ zog, erregte die Aufmerksamkeit der Mön¬ che. Sie betrachteten mich mit ehrfurchtsvoller Scheu, und ich hörte es sogar unter ihnen flüstern: Das ist ein Heiliger! Dies Wort war mir entsetzlich, denn nur zu lebhaft er¬ innerte es mich an jenen gräßlichen Augen¬ blick in der Capuzinerkirche zu B., als ich dem mich anstarrenden Maler in vermesse¬ nem Wahnsinn entgegen rief: ich bin der hei¬ lige Antonius! -- Die letzte, von dem Prior bestimmte Zeit der Buße war endlich auch verflossen, ohne daß ich davon abließ, mich zu martern, unerachtet meine Natur der Qual zu erliegen schien. Meine Augen waren erloschen, mein wunder Körper ein blutendes Gerippe, und es kam dahin, daß wenn ich Stundenlang am Boden gele¬ gen, ich ohne Hülfe Anderer nicht aufzuste¬ hen vermochte. Der Prior ließ mich in sein Sprachzimmer bringen. "Fühlst Du, mein Bruder! fing er an, durch die strenge Bu¬
Buße, die unerhoͤrte Weiſe, wie ich ſie voll¬ zog, erregte die Aufmerkſamkeit der Moͤn¬ che. Sie betrachteten mich mit ehrfurchtsvoller Scheu, und ich hoͤrte es ſogar unter ihnen fluͤſtern: Das iſt ein Heiliger! Dies Wort war mir entſetzlich, denn nur zu lebhaft er¬ innerte es mich an jenen graͤßlichen Augen¬ blick in der Capuzinerkirche zu B., als ich dem mich anſtarrenden Maler in vermeſſe¬ nem Wahnſinn entgegen rief: ich bin der hei¬ lige Antonius! — Die letzte, von dem Prior beſtimmte Zeit der Buße war endlich auch verfloſſen, ohne daß ich davon abließ, mich zu martern, unerachtet meine Natur der Qual zu erliegen ſchien. Meine Augen waren erloſchen, mein wunder Koͤrper ein blutendes Gerippe, und es kam dahin, daß wenn ich Stundenlang am Boden gele¬ gen, ich ohne Huͤlfe Anderer nicht aufzuſte¬ hen vermochte. Der Prior ließ mich in ſein Sprachzimmer bringen. „Fuͤhlſt Du, mein Bruder! fing er an, durch die ſtrenge Bu¬
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Buße, die unerhoͤrte Weiſe, wie ich ſie voll¬
zog, erregte die Aufmerkſamkeit der Moͤn¬
che. Sie betrachteten mich mit ehrfurchtsvoller
Scheu, und ich hoͤrte es ſogar unter ihnen
fluͤſtern: Das iſt ein Heiliger! Dies Wort
war mir entſetzlich, denn nur zu lebhaft er¬
innerte es mich an jenen graͤßlichen Augen¬
blick in der Capuzinerkirche zu B., als ich
dem mich anſtarrenden Maler in vermeſſe¬
nem Wahnſinn entgegen rief: ich bin der hei¬
lige Antonius! — Die letzte, von dem Prior
beſtimmte Zeit der Buße war endlich auch
verfloſſen, ohne daß ich davon abließ, mich
zu martern, unerachtet meine Natur der
Qual zu erliegen ſchien. Meine Augen
waren erloſchen, mein wunder Koͤrper ein
blutendes Gerippe, und es kam dahin,
daß wenn ich Stundenlang am Boden gele¬
gen, ich ohne Huͤlfe Anderer nicht aufzuſte¬
hen vermochte. Der Prior ließ mich in ſein
Sprachzimmer bringen. „Fuͤhlſt Du, mein
Bruder! fing er an, durch die ſtrenge Bu¬
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[Hoffmann, E. T. A.]: Die Elixiere des Teufels. Bd. 2. Berlin, 1816, S. 194. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmann_elixiere02_1816/202>, abgerufen am 28.11.2024.
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