Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Hoffmann, E. T. A.]: Die Elixiere des Teufels. Bd. 2. Berlin, 1816.

Bild:
<< vorherige Seite

ich wollte vorschreiten, aber keines Schrit¬
tes mächtig sank ich zu Boden. Die Non¬
nen, mit ihnen die Novize, verschwanden
im Gebüsch. Welch ein Tag! -- welch eine
Nacht! Immer nur Aurelie und Aurelie --
Kein anderes Bild -- Kein anderer Gedanke
fand Raum in meinem Innern. --

So wie die ersten Stralen des Mor¬
gens aufgingen, verkündigten die Glocken
des Klosters das Fest der Einkleidung Au¬
reliens, und bald darauf versammelten sich
die Brüder in einem großen Saal; die Aeb¬
tissin trat, von zwei Schwestern begleitet,
herein. -- Unbeschreiblich ist das Gefühl,
das mich durchdrang als ich die widersah,
die meinen Vater so innig liebte, und un¬
erachtet er durch Frevelthaten ein Bündniß,
das ihm das höchste Erdenglück erwerben
mußte, gewaltsam zerriß, doch die Neigung,
die ihr Glück zerstört hatte, auf den Sohn
übertrug. Zur Tugend, zur Frömmigkeit
wollte sie diesen Sohn aufziehen, aber dem

ich wollte vorſchreiten, aber keines Schrit¬
tes maͤchtig ſank ich zu Boden. Die Non¬
nen, mit ihnen die Novize, verſchwanden
im Gebuͤſch. Welch ein Tag! — welch eine
Nacht! Immer nur Aurelie und Aurelie —
Kein anderes Bild — Kein anderer Gedanke
fand Raum in meinem Innern. —

So wie die erſten Stralen des Mor¬
gens aufgingen, verkuͤndigten die Glocken
des Kloſters das Feſt der Einkleidung Au¬
reliens, und bald darauf verſammelten ſich
die Bruͤder in einem großen Saal; die Aeb¬
tiſſin trat, von zwei Schweſtern begleitet,
herein. — Unbeſchreiblich iſt das Gefuͤhl,
das mich durchdrang als ich die widerſah,
die meinen Vater ſo innig liebte, und un¬
erachtet er durch Frevelthaten ein Buͤndniß,
das ihm das hoͤchſte Erdengluͤck erwerben
mußte, gewaltſam zerriß, doch die Neigung,
die ihr Gluͤck zerſtoͤrt hatte, auf den Sohn
uͤbertrug. Zur Tugend, zur Froͤmmigkeit
wollte ſie dieſen Sohn aufziehen, aber dem

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0347" n="339"/>
ich wollte vor&#x017F;chreiten, aber keines Schrit¬<lb/>
tes ma&#x0364;chtig &#x017F;ank ich zu Boden. Die Non¬<lb/>
nen, mit ihnen die Novize, ver&#x017F;chwanden<lb/>
im Gebu&#x0364;&#x017F;ch. Welch ein Tag! &#x2014; welch eine<lb/>
Nacht! Immer nur Aurelie und Aurelie &#x2014;<lb/>
Kein anderes Bild &#x2014; Kein anderer Gedanke<lb/>
fand Raum in meinem Innern. &#x2014;</p><lb/>
            <p>So wie die er&#x017F;ten Stralen des Mor¬<lb/>
gens aufgingen, verku&#x0364;ndigten die Glocken<lb/>
des Klo&#x017F;ters das Fe&#x017F;t der Einkleidung Au¬<lb/>
reliens, und bald darauf ver&#x017F;ammelten &#x017F;ich<lb/>
die Bru&#x0364;der in einem großen Saal; die Aeb¬<lb/>
ti&#x017F;&#x017F;in trat, von zwei Schwe&#x017F;tern begleitet,<lb/>
herein. &#x2014; Unbe&#x017F;chreiblich i&#x017F;t das Gefu&#x0364;hl,<lb/>
das mich durchdrang als ich <hi rendition="#g">die</hi> wider&#x017F;ah,<lb/>
die meinen Vater &#x017F;o innig liebte, und un¬<lb/>
erachtet er durch Frevelthaten ein Bu&#x0364;ndniß,<lb/>
das ihm das ho&#x0364;ch&#x017F;te Erdenglu&#x0364;ck erwerben<lb/>
mußte, gewalt&#x017F;am zerriß, doch die Neigung,<lb/>
die ihr Glu&#x0364;ck zer&#x017F;to&#x0364;rt hatte, auf den Sohn<lb/>
u&#x0364;bertrug. Zur Tugend, zur Fro&#x0364;mmigkeit<lb/>
wollte &#x017F;ie die&#x017F;en Sohn aufziehen, aber dem<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[339/0347] ich wollte vorſchreiten, aber keines Schrit¬ tes maͤchtig ſank ich zu Boden. Die Non¬ nen, mit ihnen die Novize, verſchwanden im Gebuͤſch. Welch ein Tag! — welch eine Nacht! Immer nur Aurelie und Aurelie — Kein anderes Bild — Kein anderer Gedanke fand Raum in meinem Innern. — So wie die erſten Stralen des Mor¬ gens aufgingen, verkuͤndigten die Glocken des Kloſters das Feſt der Einkleidung Au¬ reliens, und bald darauf verſammelten ſich die Bruͤder in einem großen Saal; die Aeb¬ tiſſin trat, von zwei Schweſtern begleitet, herein. — Unbeſchreiblich iſt das Gefuͤhl, das mich durchdrang als ich die widerſah, die meinen Vater ſo innig liebte, und un¬ erachtet er durch Frevelthaten ein Buͤndniß, das ihm das hoͤchſte Erdengluͤck erwerben mußte, gewaltſam zerriß, doch die Neigung, die ihr Gluͤck zerſtoͤrt hatte, auf den Sohn uͤbertrug. Zur Tugend, zur Froͤmmigkeit wollte ſie dieſen Sohn aufziehen, aber dem

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmann_elixiere02_1816
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmann_elixiere02_1816/347
Zitationshilfe: [Hoffmann, E. T. A.]: Die Elixiere des Teufels. Bd. 2. Berlin, 1816, S. 339. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmann_elixiere02_1816/347>, abgerufen am 23.11.2024.