Dich selbst so stark, daß Du den verachtest, der dem mächtigsten Feinde erlag und sich dennoch erhob in tiefer Reue und Buße? -- Die plötzliche Aenderung meiner Gedanken, die Umwandlung des Büßenden in den, der stolz auf den bestandenen Kampf fest einschreitet in das wiedergewonnene Leben, muß selbst im Aeußern sichtlich gewesen seyn. Denn der neben mir stehende Bruder frug: "Was ist Dir, Medardus, warum wirfst Du solche sonderbare zürnende Blicke auf die hochheilige Frau?" -- "Ja, erwiederte ich halblaut: wohl mag es eine hochheilige Frau seyn, denn sie stand immer so hoch, daß das Profane sie nicht erreichen konnte, doch kommt sie mir jetzt nicht sowohl wie eine christli¬ che, sondern wie eine heidnische Priesterin vor, die sich bereitet, mit gezücktem Messer das Menschenopfer zu vollbringen." Ich weiß selbst nicht, wie ich dazu kam, die letzten Worte, die außer meiner Ideenreihe lagen, zu sprechen, aber mit ihnen drängten sich
Dich ſelbſt ſo ſtark, daß Du den verachteſt, der dem maͤchtigſten Feinde erlag und ſich dennoch erhob in tiefer Reue und Buße? — Die ploͤtzliche Aenderung meiner Gedanken, die Umwandlung des Buͤßenden in den, der ſtolz auf den beſtandenen Kampf feſt einſchreitet in das wiedergewonnene Leben, muß ſelbſt im Aeußern ſichtlich geweſen ſeyn. Denn der neben mir ſtehende Bruder frug: „Was iſt Dir, Medardus, warum wirfſt Du ſolche ſonderbare zuͤrnende Blicke auf die hochheilige Frau?“ — „Ja, erwiederte ich halblaut: wohl mag es eine hochheilige Frau ſeyn, denn ſie ſtand immer ſo hoch, daß das Profane ſie nicht erreichen konnte, doch kommt ſie mir jetzt nicht ſowohl wie eine chriſtli¬ che, ſondern wie eine heidniſche Prieſterin vor, die ſich bereitet, mit gezuͤcktem Meſſer das Menſchenopfer zu vollbringen.“ Ich weiß ſelbſt nicht, wie ich dazu kam, die letzten Worte, die außer meiner Ideenreihe lagen, zu ſprechen, aber mit ihnen draͤngten ſich
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Dich ſelbſt ſo ſtark, daß Du den verachteſt,
der dem maͤchtigſten Feinde erlag und ſich
dennoch erhob in tiefer Reue und Buße? —
Die ploͤtzliche Aenderung meiner Gedanken,
die Umwandlung des Buͤßenden in den,
der ſtolz auf den beſtandenen Kampf feſt
einſchreitet in das wiedergewonnene Leben,
muß ſelbſt im Aeußern ſichtlich geweſen ſeyn.
Denn der neben mir ſtehende Bruder frug:
„Was iſt Dir, Medardus, warum wirfſt Du
ſolche ſonderbare zuͤrnende Blicke auf die
hochheilige Frau?“ — „Ja, erwiederte ich
halblaut: wohl mag es eine hochheilige Frau
ſeyn, denn ſie ſtand immer ſo hoch, daß das
Profane ſie nicht erreichen konnte, doch kommt
ſie mir jetzt nicht ſowohl wie eine chriſtli¬
che, ſondern wie eine heidniſche Prieſterin
vor, die ſich bereitet, mit gezuͤcktem Meſſer
das Menſchenopfer zu vollbringen.“ Ich
weiß ſelbſt nicht, wie ich dazu kam, die letzten
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[Hoffmann, E. T. A.]: Die Elixiere des Teufels. Bd. 2. Berlin, 1816, S. 343. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmann_elixiere02_1816/351>, abgerufen am 23.11.2024.
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