mit Polstern und Decken belegte Bahre her¬ beigebracht. Als man Aurelien hinaufhob, seufzte sie tief und schlug die Augen auf. Der Maler stand hinter ihrem Haupte, auf das er seine Hand gelegt. Er war anzuse¬ hen wie ein mächtiger Heiliger, und Alle, selbst die Aebtissin, schienen von wunderba¬ rer scheuer Ehrfurcht durchdrungen. -- Ich kniete beinahe dicht an der Seite der Bahre. Aureliens Blick fiel auf mich, da erfaßte mich tiefer Jammer über der Heiligen schmerz¬ liches Märtirerthum. Keines Wortes mäch¬ tig, war es nur ein dumpfer Schrei, den ich ausstieß. Da sprach Aurelie sanft und leise: "Was klagest Du über die, welche von der ewigen Macht des Himmels gewürdigt wur¬ de von der Erde zu scheiden, in dem Augenblick als sie die Nichtigkeit alles irdischen erkannt, als die unendliche Sehnsucht nach dem Reich der ewigen Freude und Seligkeit ihre Brust erfüllte?" -- Ich war aufgestanden, ich war dicht an die Bahre getreten. "Aurelie,
mit Polſtern und Decken belegte Bahre her¬ beigebracht. Als man Aurelien hinaufhob, ſeufzte ſie tief und ſchlug die Augen auf. Der Maler ſtand hinter ihrem Haupte, auf das er ſeine Hand gelegt. Er war anzuſe¬ hen wie ein maͤchtiger Heiliger, und Alle, ſelbſt die Aebtiſſin, ſchienen von wunderba¬ rer ſcheuer Ehrfurcht durchdrungen. — Ich kniete beinahe dicht an der Seite der Bahre. Aureliens Blick fiel auf mich, da erfaßte mich tiefer Jammer uͤber der Heiligen ſchmerz¬ liches Maͤrtirerthum. Keines Wortes maͤch¬ tig, war es nur ein dumpfer Schrei, den ich ausſtieß. Da ſprach Aurelie ſanft und leiſe: „Was klageſt Du uͤber die, welche von der ewigen Macht des Himmels gewuͤrdigt wur¬ de von der Erde zu ſcheiden, in dem Augenblick als ſie die Nichtigkeit alles irdiſchen erkannt, als die unendliche Sehnſucht nach dem Reich der ewigen Freude und Seligkeit ihre Bruſt erfuͤllte?“ — Ich war aufgeſtanden, ich war dicht an die Bahre getreten. „Aurelie,
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mit Polſtern und Decken belegte Bahre her¬
beigebracht. Als man Aurelien hinaufhob,
ſeufzte ſie tief und ſchlug die Augen auf.
Der Maler ſtand hinter ihrem Haupte, auf
das er ſeine Hand gelegt. Er war anzuſe¬
hen wie ein maͤchtiger Heiliger, und Alle,
ſelbſt die Aebtiſſin, ſchienen von wunderba¬
rer ſcheuer Ehrfurcht durchdrungen. — Ich
kniete beinahe dicht an der Seite der Bahre.
Aureliens Blick fiel auf mich, da erfaßte
mich tiefer Jammer uͤber der Heiligen ſchmerz¬
liches Maͤrtirerthum. Keines Wortes maͤch¬
tig, war es nur ein dumpfer Schrei, den ich
ausſtieß. Da ſprach Aurelie ſanft und leiſe:
„Was klageſt Du uͤber die, welche von der
ewigen Macht des Himmels gewuͤrdigt wur¬
de von der Erde zu ſcheiden, in dem Augenblick
als ſie die Nichtigkeit alles irdiſchen erkannt,
als die unendliche Sehnſucht nach dem Reich
der ewigen Freude und Seligkeit ihre Bruſt
erfuͤllte?“ — Ich war aufgeſtanden, ich
war dicht an die Bahre getreten. „Aurelie,
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[Hoffmann, E. T. A.]: Die Elixiere des Teufels. Bd. 2. Berlin, 1816, S. 354. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmann_elixiere02_1816/362>, abgerufen am 27.11.2024.
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