denn selbst ein rothes Kreuzzeichen trage ich an der linken Seite des Halses. -- Es war dem wirklich so, jene Verwundung am Halse, die mir das diamantne Kreuz der Aebtissin zufügte, hatte eine rothe kreuzförmige Narbe hinterlassen, die die Zeit nicht vertilgen konn¬ te. "Entblößen Sie Ihren Hals, wiederholte der Richter." -- Ich that es, da schrie Cyrillus laut: "Heilige Mutter Gottes, es ist es, es ist das rothe Kreuzzeichen! ... Medardus ... Ach, Bruder Medardus, hast Du denn ganz entsagt dem ewigen Heil?" -- Weinend und halb ohnmächtig sank er in einen Stuhl. "Was erwiedern Sie auf die Behauptung die¬ ses ehrwürdigen Geistlichen," frug der Rich¬ ter. In dem Augenblick durchfuhr es mich wie eine Blitzesflamme; alle Verzagtheit, die mich zu übermannen drohte, war von mir ge¬ wichen, ach, es war der Widersacher selbst, der mir zuflüsterte: Was vermögen diese Schwächlinge gegen Dich Starken in Sinn und Geist? ... Soll Aurelie denn nicht Dein
denn ſelbſt ein rothes Kreuzzeichen trage ich an der linken Seite des Halſes. — Es war dem wirklich ſo, jene Verwundung am Halſe, die mir das diamantne Kreuz der Aebtiſſin zufuͤgte, hatte eine rothe kreuzfoͤrmige Narbe hinterlaſſen, die die Zeit nicht vertilgen konn¬ te. „Entbloͤßen Sie Ihren Hals, wiederholte der Richter.“ — Ich that es, da ſchrie Cyrillus laut: „Heilige Mutter Gottes, es iſt es, es iſt das rothe Kreuzzeichen! ... Medardus ... Ach, Bruder Medardus, haſt Du denn ganz entſagt dem ewigen Heil?“ — Weinend und halb ohnmaͤchtig ſank er in einen Stuhl. „Was erwiedern Sie auf die Behauptung die¬ ſes ehrwuͤrdigen Geiſtlichen,“ frug der Rich¬ ter. In dem Augenblick durchfuhr es mich wie eine Blitzesflamme; alle Verzagtheit, die mich zu uͤbermannen drohte, war von mir ge¬ wichen, ach, es war der Widerſacher ſelbſt, der mir zufluͤſterte: Was vermoͤgen dieſe Schwaͤchlinge gegen Dich Starken in Sinn und Geiſt? ... Soll Aurelie denn nicht Dein
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denn ſelbſt ein rothes Kreuzzeichen trage ich
an der linken Seite des Halſes. — Es war
dem wirklich ſo, jene Verwundung am Halſe,
die mir das diamantne Kreuz der Aebtiſſin
zufuͤgte, hatte eine rothe kreuzfoͤrmige Narbe
hinterlaſſen, die die Zeit nicht vertilgen konn¬
te. „Entbloͤßen Sie Ihren Hals, wiederholte
der Richter.“ — Ich that es, da ſchrie Cyrillus
laut: „Heilige Mutter Gottes, es iſt es, es
iſt das rothe Kreuzzeichen! ... Medardus ...
Ach, Bruder Medardus, haſt Du denn ganz
entſagt dem ewigen Heil?“ — Weinend und
halb ohnmaͤchtig ſank er in einen Stuhl.
„Was erwiedern Sie auf die Behauptung die¬
ſes ehrwuͤrdigen Geiſtlichen,“ frug der Rich¬
ter. In dem Augenblick durchfuhr es mich
wie eine Blitzesflamme; alle Verzagtheit, die
mich zu uͤbermannen drohte, war von mir ge¬
wichen, ach, es war der Widerſacher ſelbſt,
der mir zufluͤſterte: Was vermoͤgen dieſe
Schwaͤchlinge gegen Dich Starken in Sinn
und Geiſt? ... Soll Aurelie denn nicht Dein
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[Hoffmann, E. T. A.]: Die Elixiere des Teufels. Bd. 2. Berlin, 1816, S. 44. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmann_elixiere02_1816/52>, abgerufen am 04.12.2024.
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