Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Hoffmann, E. T. A.]: Die Elixiere des Teufels. Bd. 2. Berlin, 1816.

Bild:
<< vorherige Seite

befangenheit ganz hin, ihre Liebe war ihr
keine Schuld, die sie der Welt verbergen
mußte, und eben so wenig vermochte ich,
auch nur im mindesten das Gefühl zu ver¬
hehlen, in dem allein ich nur lebte. Jeder
bemerkte mein Verhältniß mit Aurelien, Nie¬
mand sprach darüber, weil man in des Für¬
sten Blicken las, daß er unsre Liebe, wo
nicht begünstigen, doch stillschweigend dulden
wolle. So kam es, daß ich zwanglos Au¬
relien öfter, manchmal auch wohl ohne Zeu¬
gen sah. -- Ich schloß sie in meine Arme,
sie erwiederte meine Küsse, aber es fühlend,
wie sie erbebte in jungfräulicher Scheu, konn¬
te ich nicht Raum geben der sündlichen Be¬
gierde; jeder freveliche Gedanke erstarb in
dem Schauer, der durch mein Innres glitt.
Sie schien keine Gefahr zu ahnen, wirklich
gab es für sie keine, denn oft, wenn sie im
einsamen Zimmer neben mir saß, wenn
mächtiger als je ihr Himmelsreiz stralte,
wenn wilder die Liebesglut in mir auf¬

befangenheit ganz hin, ihre Liebe war ihr
keine Schuld, die ſie der Welt verbergen
mußte, und eben ſo wenig vermochte ich,
auch nur im mindeſten das Gefuͤhl zu ver¬
hehlen, in dem allein ich nur lebte. Jeder
bemerkte mein Verhaͤltniß mit Aurelien, Nie¬
mand ſprach daruͤber, weil man in des Fuͤr¬
ſten Blicken las, daß er unſre Liebe, wo
nicht beguͤnſtigen, doch ſtillſchweigend dulden
wolle. So kam es, daß ich zwanglos Au¬
relien oͤfter, manchmal auch wohl ohne Zeu¬
gen ſah. — Ich ſchloß ſie in meine Arme,
ſie erwiederte meine Kuͤſſe, aber es fuͤhlend,
wie ſie erbebte in jungfraͤulicher Scheu, konn¬
te ich nicht Raum geben der ſuͤndlichen Be¬
gierde; jeder freveliche Gedanke erſtarb in
dem Schauer, der durch mein Innres glitt.
Sie ſchien keine Gefahr zu ahnen, wirklich
gab es fuͤr ſie keine, denn oft, wenn ſie im
einſamen Zimmer neben mir ſaß, wenn
maͤchtiger als je ihr Himmelsreiz ſtralte,
wenn wilder die Liebesglut in mir auf¬

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0098" n="90"/>
befangenheit ganz hin, ihre Liebe war ihr<lb/>
keine Schuld, die &#x017F;ie der Welt verbergen<lb/>
mußte, und eben &#x017F;o wenig vermochte ich,<lb/>
auch nur im minde&#x017F;ten das Gefu&#x0364;hl zu ver¬<lb/>
hehlen, in dem allein ich nur lebte. Jeder<lb/>
bemerkte mein Verha&#x0364;ltniß mit Aurelien, Nie¬<lb/>
mand &#x017F;prach daru&#x0364;ber, weil man in des Fu&#x0364;<lb/>
&#x017F;ten Blicken las, daß er un&#x017F;re Liebe, wo<lb/>
nicht begu&#x0364;n&#x017F;tigen, doch &#x017F;till&#x017F;chweigend dulden<lb/>
wolle. So kam es, daß ich zwanglos Au¬<lb/>
relien o&#x0364;fter, manchmal auch wohl ohne Zeu¬<lb/>
gen &#x017F;ah. &#x2014; Ich &#x017F;chloß &#x017F;ie in meine Arme,<lb/>
&#x017F;ie erwiederte meine Ku&#x0364;&#x017F;&#x017F;e, aber es fu&#x0364;hlend,<lb/>
wie &#x017F;ie erbebte in jungfra&#x0364;ulicher Scheu, konn¬<lb/>
te ich nicht Raum geben der &#x017F;u&#x0364;ndlichen Be¬<lb/>
gierde; jeder freveliche Gedanke er&#x017F;tarb in<lb/>
dem Schauer, der durch mein Innres glitt.<lb/>
Sie &#x017F;chien keine Gefahr zu ahnen, wirklich<lb/>
gab es fu&#x0364;r &#x017F;ie keine, denn oft, wenn &#x017F;ie im<lb/>
ein&#x017F;amen Zimmer neben mir &#x017F;aß, wenn<lb/>
ma&#x0364;chtiger als je ihr Himmelsreiz &#x017F;tralte,<lb/>
wenn wilder die Liebesglut in mir auf¬<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[90/0098] befangenheit ganz hin, ihre Liebe war ihr keine Schuld, die ſie der Welt verbergen mußte, und eben ſo wenig vermochte ich, auch nur im mindeſten das Gefuͤhl zu ver¬ hehlen, in dem allein ich nur lebte. Jeder bemerkte mein Verhaͤltniß mit Aurelien, Nie¬ mand ſprach daruͤber, weil man in des Fuͤr¬ ſten Blicken las, daß er unſre Liebe, wo nicht beguͤnſtigen, doch ſtillſchweigend dulden wolle. So kam es, daß ich zwanglos Au¬ relien oͤfter, manchmal auch wohl ohne Zeu¬ gen ſah. — Ich ſchloß ſie in meine Arme, ſie erwiederte meine Kuͤſſe, aber es fuͤhlend, wie ſie erbebte in jungfraͤulicher Scheu, konn¬ te ich nicht Raum geben der ſuͤndlichen Be¬ gierde; jeder freveliche Gedanke erſtarb in dem Schauer, der durch mein Innres glitt. Sie ſchien keine Gefahr zu ahnen, wirklich gab es fuͤr ſie keine, denn oft, wenn ſie im einſamen Zimmer neben mir ſaß, wenn maͤchtiger als je ihr Himmelsreiz ſtralte, wenn wilder die Liebesglut in mir auf¬

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmann_elixiere02_1816
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmann_elixiere02_1816/98
Zitationshilfe: [Hoffmann, E. T. A.]: Die Elixiere des Teufels. Bd. 2. Berlin, 1816, S. 90. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmann_elixiere02_1816/98>, abgerufen am 04.12.2024.