daß das Fenster gegen über aufsprang. Strömte als¬ bald ein starker Luftzug durch die Apotheke, erfaßte das Schneiderlein und schnell wie der Wind war es fort durch das offne Fenster in alle Lüfte; niemand hat es wieder gesehen. Begab sich nach mehrerer Zeit, daß die Sachsenhäuser zur Abendzeit hoch in den Lüf¬ ten eine Feuerkugel erblickten, die mit blendendem Glanz die ganze Gegend erleuchtete und dann verlö¬ schend zur Erde hinabfiel. Wollten alle wissen, was zur Erde gefallen, liefen hin an den Ort, fanden aber nichts als ein kleines Klümpchen Asche; dabei aber den Dorn einer Schuhschnalle, ein Stückchen eiergelben Atlas mit bunten Blumen und ein schwar¬ zes Ding, das beinahe anzusehen war, wie ein Stock¬ knopf von schwarzem Horn. Haben alle darüber nach¬ gedacht, wie solche Sachen in einer Feuerkugel aus dem Himmel fallen mögen. Da ist aber die Frau Liebste des entfahrnen Schneiderleins dazu gekommen und als diese die gefundenen Sachen erblickt, hat sie die Hände gerungen, gar erbärmlich gethan und ge¬ schrien: Ach Jammer, das ist meines Liebsten Schnal¬ lendorn, ach Jammer, das ist meines Liebsten Sonn¬ tagsweste, ach Jammer, das ist meines Liebsten Stock¬ knopf! Hat aber ein großer Gelehrter erklärt, der Stockknopf sey kein Stockknopf, sondern ein Meteor¬
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daß das Fenſter gegen über aufſprang. Strömte als¬ bald ein ſtarker Luftzug durch die Apotheke, erfaßte das Schneiderlein und ſchnell wie der Wind war es fort durch das offne Fenſter in alle Lüfte; niemand hat es wieder geſehen. Begab ſich nach mehrerer Zeit, daß die Sachſenhäuſer zur Abendzeit hoch in den Lüf¬ ten eine Feuerkugel erblickten, die mit blendendem Glanz die ganze Gegend erleuchtete und dann verlö¬ ſchend zur Erde hinabfiel. Wollten alle wiſſen, was zur Erde gefallen, liefen hin an den Ort, fanden aber nichts als ein kleines Klümpchen Aſche; dabei aber den Dorn einer Schuhſchnalle, ein Stückchen eiergelben Atlas mit bunten Blumen und ein ſchwar¬ zes Ding, das beinahe anzuſehen war, wie ein Stock¬ knopf von ſchwarzem Horn. Haben alle darüber nach¬ gedacht, wie ſolche Sachen in einer Feuerkugel aus dem Himmel fallen mögen. Da iſt aber die Frau Liebſte des entfahrnen Schneiderleins dazu gekommen und als dieſe die gefundenen Sachen erblickt, hat ſie die Hände gerungen, gar erbärmlich gethan und ge¬ ſchrien: Ach Jammer, das iſt meines Liebſten Schnal¬ lendorn, ach Jammer, das iſt meines Liebſten Sonn¬ tagsweſte, ach Jammer, das iſt meines Liebſten Stock¬ knopf! Hat aber ein großer Gelehrter erklärt, der Stockknopf ſey kein Stockknopf, ſondern ein Meteor¬
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daß das Fenſter gegen über aufſprang. Strömte als¬
bald ein ſtarker Luftzug durch die Apotheke, erfaßte
das Schneiderlein und ſchnell wie der Wind war es
fort durch das offne Fenſter in alle Lüfte; niemand
hat es wieder geſehen. Begab ſich nach mehrerer Zeit,
daß die Sachſenhäuſer zur Abendzeit hoch in den Lüf¬
ten eine Feuerkugel erblickten, die mit blendendem
Glanz die ganze Gegend erleuchtete und dann verlö¬
ſchend zur Erde hinabfiel. Wollten alle wiſſen, was
zur Erde gefallen, liefen hin an den Ort, fanden
aber nichts als ein kleines Klümpchen Aſche; dabei
aber den Dorn einer Schuhſchnalle, ein Stückchen
eiergelben Atlas mit bunten Blumen und ein ſchwar¬
zes Ding, das beinahe anzuſehen war, wie ein Stock¬
knopf von ſchwarzem Horn. Haben alle darüber nach¬
gedacht, wie ſolche Sachen in einer Feuerkugel aus
dem Himmel fallen mögen. Da iſt aber die Frau
Liebſte des entfahrnen Schneiderleins dazu gekommen
und als dieſe die gefundenen Sachen erblickt, hat ſie
die Hände gerungen, gar erbärmlich gethan und ge¬
ſchrien: Ach Jammer, das iſt meines Liebſten Schnal¬
lendorn, ach Jammer, das iſt meines Liebſten Sonn¬
tagsweſte, ach Jammer, das iſt meines Liebſten Stock¬
knopf! Hat aber ein großer Gelehrter erklärt, der
Stockknopf ſey kein Stockknopf, ſondern ein Meteor¬
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Hoffmann, E. T. A.: Meister Floh. Frankfurt (Main), 1822, S. 177. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmann_floh_1822/182>, abgerufen am 27.11.2024.
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