nicht verschwiegen bleiben, daß Herr Peregrinus, trotz seiner Seligkeit, zweimal so übermäßig und so laut gähnte, daß ein etwas angetrunkener Markthel¬ fer, der gerade über die Straße taumelte, ihm laut zurief: "Na! er da oben mit der weißen Nachtmütze, "freß' er mich nur nicht auf!" Dieß war nun die genügende Ursache, warum Herr Peregrinus Tyß ganz unwillig das Fenster zuwarf, so daß die Scheiben klirrten. Man will sogar behaupten, daß er wäh¬ rend dieses Acts laut genug gerufen: Grober Schlin¬ gel!! Doch kann dieß durchaus nicht verbürgt wer¬ den; da solches mit seiner sanften Gemüthsart und Seelenstimmung ganz unverträglich scheint. Genug! Herr Peregrinus Tyß warf das Fenster zu und be¬ gab sich zur Ruhe. Das Bedürfniß des Schlafes schien indessen durch jenes unmäßige Gähnen beseitigt zu seyn. Gedanken und Gedanken durchkreuzten sein Gehirn und vorzüglich lebhaft trat ihm die überstan¬ dene Gefahr vor Augen, da eine finstere Macht ihn zu einem verruchten Gebrauch des mikroskopischen Gla¬ ses verlocken wollen, doch nun erst ging es ihm auch deutlich auf, daß Meister Floh's verhängnißvolles Geschenk, habe er es selbst auch gut damit gemeint, doch in jedem Betracht ein Geschenk sey, das der Hölle angehöre.
nicht verſchwiegen bleiben, daß Herr Peregrinus, trotz ſeiner Seligkeit, zweimal ſo übermäßig und ſo laut gähnte, daß ein etwas angetrunkener Markthel¬ fer, der gerade über die Straße taumelte, ihm laut zurief: »Na! er da oben mit der weißen Nachtmütze, »freß' er mich nur nicht auf!» Dieß war nun die genügende Urſache, warum Herr Peregrinus Tyß ganz unwillig das Fenſter zuwarf, ſo daß die Scheiben klirrten. Man will ſogar behaupten, daß er wäh¬ rend dieſes Acts laut genug gerufen: Grober Schlin¬ gel!! Doch kann dieß durchaus nicht verbürgt wer¬ den; da ſolches mit ſeiner ſanften Gemüthsart und Seelenſtimmung ganz unverträglich ſcheint. Genug! Herr Peregrinus Tyß warf das Fenſter zu und be¬ gab ſich zur Ruhe. Das Bedürfniß des Schlafes ſchien indeſſen durch jenes unmäßige Gähnen beſeitigt zu ſeyn. Gedanken und Gedanken durchkreuzten ſein Gehirn und vorzüglich lebhaft trat ihm die überſtan¬ dene Gefahr vor Augen, da eine finſtere Macht ihn zu einem verruchten Gebrauch des mikroskopiſchen Gla¬ ſes verlocken wollen, doch nun erſt ging es ihm auch deutlich auf, daß Meiſter Floh's verhängnißvolles Geſchenk, habe er es ſelbſt auch gut damit gemeint, doch in jedem Betracht ein Geſchenk ſey, das der Hölle angehöre.
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nicht verſchwiegen bleiben, daß Herr Peregrinus,
trotz ſeiner Seligkeit, zweimal ſo übermäßig und ſo
laut gähnte, daß ein etwas angetrunkener Markthel¬
fer, der gerade über die Straße taumelte, ihm laut
zurief: »Na! er da oben mit der weißen Nachtmütze,
»freß' er mich nur nicht auf!» Dieß war nun die
genügende Urſache, warum Herr Peregrinus Tyß ganz
unwillig das Fenſter zuwarf, ſo daß die Scheiben
klirrten. Man will ſogar behaupten, daß er wäh¬
rend dieſes Acts laut genug gerufen: Grober Schlin¬
gel!! Doch kann dieß durchaus nicht verbürgt wer¬
den; da ſolches mit ſeiner ſanften Gemüthsart und
Seelenſtimmung ganz unverträglich ſcheint. Genug!
Herr Peregrinus Tyß warf das Fenſter zu und be¬
gab ſich zur Ruhe. Das Bedürfniß des Schlafes
ſchien indeſſen durch jenes unmäßige Gähnen beſeitigt
zu ſeyn. Gedanken und Gedanken durchkreuzten ſein
Gehirn und vorzüglich lebhaft trat ihm die überſtan¬
dene Gefahr vor Augen, da eine finſtere Macht ihn
zu einem verruchten Gebrauch des mikroskopiſchen Gla¬
ſes verlocken wollen, doch nun erſt ging es ihm auch
deutlich auf, daß Meiſter Floh's verhängnißvolles
Geſchenk, habe er es ſelbſt auch gut damit gemeint,
doch in jedem Betracht ein Geſchenk ſey, das der Hölle
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Hoffmann, E. T. A.: Meister Floh. Frankfurt (Main), 1822, S. 248. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmann_floh_1822/253>, abgerufen am 28.11.2024.
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