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Hoffmann, E. T. A.: Meister Floh. Frankfurt (Main), 1822.

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Plötzlich saß Meister Floh in seiner mikroskopi¬
schen Gestalt, gar hübsch und anmuthig anzuschauen,
mit gleißendem Schuppenpanzer und den schönsten
polirten goldenen Stiefeln, dicht vor dem Herrn Pe¬
regrinus Tyß auf der Bettdecke. Halt! rief er, halt
Verehrtester! beginnt kein unnützes Zeug! Eher
würdet ihr ein Sonnenstäubchen vernichten, als die¬
ses kleine unvertilgbare Glas auch nur einen Fuß
breit fortschaffen, so lange ich in der Nähe bin.
Uebrigens hatte ich mich, ohne daß ihr es merktet,
schon beim ehrlichen Buchbindermeister Lämmerhirt,
wie gewöhnlich, in die Falte eurer Halsbinde ver¬
steckt, und war daher Zeuge alles dessen, was sich
begeben. Eben so habe ich euer jetziges erbauliches
Selbstgespräch mit angehört und manche Lehre daraus
gezogen.

Zuvörderst habt ihr jetzt erst euer, von der
wahrhaften Liebe rein beseeltes Gemüth, in der glän¬
zendsten Glorie, wie einen mächtigen Strahl aus
euerm Innern hervorblitzen lassen, so daß, wie ich
glaube, der höchste entscheidende Moment sich naht.

Dann habe ich auch eingesehen, daß, in Rück¬
sicht des mikroskopischen Glases, ich in großem Irr¬
thum befangen war. Glaubt es mir, Verehrtester,
geprüftester Freund, ohnerachtet ich nicht das Ver¬

Plötzlich ſaß Meiſter Floh in ſeiner mikroskopi¬
ſchen Geſtalt, gar hübſch und anmuthig anzuſchauen,
mit gleißendem Schuppenpanzer und den ſchönſten
polirten goldenen Stiefeln, dicht vor dem Herrn Pe¬
regrinus Tyß auf der Bettdecke. Halt! rief er, halt
Verehrteſter! beginnt kein unnützes Zeug! Eher
würdet ihr ein Sonnenſtäubchen vernichten, als die¬
ſes kleine unvertilgbare Glas auch nur einen Fuß
breit fortſchaffen, ſo lange ich in der Nähe bin.
Uebrigens hatte ich mich, ohne daß ihr es merktet,
ſchon beim ehrlichen Buchbindermeiſter Lämmerhirt,
wie gewöhnlich, in die Falte eurer Halsbinde ver¬
ſteckt, und war daher Zeuge alles deſſen, was ſich
begeben. Eben ſo habe ich euer jetziges erbauliches
Selbſtgeſpräch mit angehört und manche Lehre daraus
gezogen.

Zuvörderſt habt ihr jetzt erſt euer, von der
wahrhaften Liebe rein beſeeltes Gemüth, in der glän¬
zendſten Glorie, wie einen mächtigen Strahl aus
euerm Innern hervorblitzen laſſen, ſo daß, wie ich
glaube, der höchſte entſcheidende Moment ſich naht.

Dann habe ich auch eingeſehen, daß, in Rück¬
ſicht des mikroskopiſchen Glaſes, ich in großem Irr¬
thum befangen war. Glaubt es mir, Verehrteſter,
geprüfteſter Freund, ohnerachtet ich nicht das Ver¬

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[251/0256] Plötzlich ſaß Meiſter Floh in ſeiner mikroskopi¬ ſchen Geſtalt, gar hübſch und anmuthig anzuſchauen, mit gleißendem Schuppenpanzer und den ſchönſten polirten goldenen Stiefeln, dicht vor dem Herrn Pe¬ regrinus Tyß auf der Bettdecke. Halt! rief er, halt Verehrteſter! beginnt kein unnützes Zeug! Eher würdet ihr ein Sonnenſtäubchen vernichten, als die¬ ſes kleine unvertilgbare Glas auch nur einen Fuß breit fortſchaffen, ſo lange ich in der Nähe bin. Uebrigens hatte ich mich, ohne daß ihr es merktet, ſchon beim ehrlichen Buchbindermeiſter Lämmerhirt, wie gewöhnlich, in die Falte eurer Halsbinde ver¬ ſteckt, und war daher Zeuge alles deſſen, was ſich begeben. Eben ſo habe ich euer jetziges erbauliches Selbſtgeſpräch mit angehört und manche Lehre daraus gezogen. Zuvörderſt habt ihr jetzt erſt euer, von der wahrhaften Liebe rein beſeeltes Gemüth, in der glän¬ zendſten Glorie, wie einen mächtigen Strahl aus euerm Innern hervorblitzen laſſen, ſo daß, wie ich glaube, der höchſte entſcheidende Moment ſich naht. Dann habe ich auch eingeſehen, daß, in Rück¬ ſicht des mikroskopiſchen Glaſes, ich in großem Irr¬ thum befangen war. Glaubt es mir, Verehrteſter, geprüfteſter Freund, ohnerachtet ich nicht das Ver¬

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Zitationshilfe: Hoffmann, E. T. A.: Meister Floh. Frankfurt (Main), 1822, S. 251. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmann_floh_1822/256>, abgerufen am 28.11.2024.