Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Hoffmann, E. T. A.: Meister Floh. Frankfurt (Main), 1822.

Bild:
<< vorherige Seite

Da kam endlich der Nachbar von der Börse, den
Peregrinus augenblicklich fragte, ob Herr Tyß vielleicht
verreiset.

Der Nachbar prallte aber ganz erschrocken zurück
und rief: "Herr Peregrinus Tyß! -- sind Sie es?
kommen Sie endlich? -- wissen Sie denn nicht?" --

Genug, Peregrinus erfuhr, daß während seiner
Abwesenheit beide Eltern hintereinander gestorben, daß
die Gerichte den Nachlaß in Beschlag genommen und
ihn, dessen Aufenthalt gänzlich unbekannt gewesen,
öffentlich aufgefordert nach Frankfurt zurückzukehren
und die Erbschaft des Vaters in Empfang zu nehmen.

Sprachlos blieb Peregrinus vor dem Nachbar
stehen, zum erstenmal durchschnitt der Schmerz des
Lebens seine Brust, zertrümmert sah er die schöne glän¬
zende Welt, in der er sonst lustig gehauset.

Der Nachbar gewahrte wohl wie Peregrinus
gänzlich unfähig, auch nur das Kleinste, was jetzt
nöthig, zu beginnen. Er nahm ihn daher in sein
Haus und besorgte selbst in möglicher Schnelle alles,
so daß noch denselben Abend Peregrinus sich in dem
elterlichen Hause befand.

Ganz erschöpft, ganz vernichtet von einer Trost¬
losigkeit, die er noch nicht gekannt, sank er in den
großen Lehnstuhl des Vaters, der noch an derselben

Da kam endlich der Nachbar von der Börſe, den
Peregrinus augenblicklich fragte, ob Herr Tyß vielleicht
verreiſet.

Der Nachbar prallte aber ganz erſchrocken zurück
und rief: »Herr Peregrinus Tyß! — ſind Sie es?
kommen Sie endlich? — wiſſen Sie denn nicht?» —

Genug, Peregrinus erfuhr, daß während ſeiner
Abweſenheit beide Eltern hintereinander geſtorben, daß
die Gerichte den Nachlaß in Beſchlag genommen und
ihn, deſſen Aufenthalt gänzlich unbekannt geweſen,
öffentlich aufgefordert nach Frankfurt zurückzukehren
und die Erbſchaft des Vaters in Empfang zu nehmen.

Sprachlos blieb Peregrinus vor dem Nachbar
ſtehen, zum erſtenmal durchſchnitt der Schmerz des
Lebens ſeine Bruſt, zertrümmert ſah er die ſchöne glän¬
zende Welt, in der er ſonſt luſtig gehauſet.

Der Nachbar gewahrte wohl wie Peregrinus
gänzlich unfähig, auch nur das Kleinſte, was jetzt
nöthig, zu beginnen. Er nahm ihn daher in ſein
Haus und beſorgte ſelbſt in möglicher Schnelle alles,
ſo daß noch denſelben Abend Peregrinus ſich in dem
elterlichen Hauſe befand.

Ganz erſchöpft, ganz vernichtet von einer Troſt¬
loſigkeit, die er noch nicht gekannt, ſank er in den
großen Lehnſtuhl des Vaters, der noch an derſelben

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <pb facs="#f0027" n="22"/>
            <p>Da kam endlich der Nachbar von der Bör&#x017F;e, den<lb/>
Peregrinus augenblicklich fragte, ob Herr Tyß vielleicht<lb/>
verrei&#x017F;et.</p><lb/>
            <p>Der Nachbar prallte aber ganz er&#x017F;chrocken zurück<lb/>
und rief: »Herr Peregrinus Tyß! &#x2014; &#x017F;ind Sie es?<lb/>
kommen Sie endlich? &#x2014; wi&#x017F;&#x017F;en Sie denn nicht?» &#x2014;</p><lb/>
            <p>Genug, Peregrinus erfuhr, daß während &#x017F;einer<lb/>
Abwe&#x017F;enheit beide Eltern hintereinander ge&#x017F;torben, daß<lb/>
die Gerichte den Nachlaß in Be&#x017F;chlag genommen und<lb/>
ihn, de&#x017F;&#x017F;en Aufenthalt gänzlich unbekannt gewe&#x017F;en,<lb/>
öffentlich aufgefordert nach Frankfurt zurückzukehren<lb/>
und die Erb&#x017F;chaft des Vaters in Empfang zu nehmen.</p><lb/>
            <p>Sprachlos blieb Peregrinus vor dem Nachbar<lb/>
&#x017F;tehen, zum er&#x017F;tenmal durch&#x017F;chnitt der Schmerz des<lb/>
Lebens &#x017F;eine Bru&#x017F;t, zertrümmert &#x017F;ah er die &#x017F;chöne glän¬<lb/>
zende Welt, in der er &#x017F;on&#x017F;t lu&#x017F;tig gehau&#x017F;et.</p><lb/>
            <p>Der Nachbar gewahrte wohl wie Peregrinus<lb/>
gänzlich unfähig, auch nur das Klein&#x017F;te, was jetzt<lb/>
nöthig, zu beginnen. Er nahm ihn daher in &#x017F;ein<lb/>
Haus und be&#x017F;orgte &#x017F;elb&#x017F;t in möglicher Schnelle alles,<lb/>
&#x017F;o daß noch den&#x017F;elben Abend Peregrinus &#x017F;ich in dem<lb/>
elterlichen Hau&#x017F;e befand.</p><lb/>
            <p>Ganz er&#x017F;chöpft, ganz vernichtet von einer Tro&#x017F;<lb/>
lo&#x017F;igkeit, die er noch nicht gekannt, &#x017F;ank er in den<lb/>
großen Lehn&#x017F;tuhl des Vaters, der noch an der&#x017F;elben<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[22/0027] Da kam endlich der Nachbar von der Börſe, den Peregrinus augenblicklich fragte, ob Herr Tyß vielleicht verreiſet. Der Nachbar prallte aber ganz erſchrocken zurück und rief: »Herr Peregrinus Tyß! — ſind Sie es? kommen Sie endlich? — wiſſen Sie denn nicht?» — Genug, Peregrinus erfuhr, daß während ſeiner Abweſenheit beide Eltern hintereinander geſtorben, daß die Gerichte den Nachlaß in Beſchlag genommen und ihn, deſſen Aufenthalt gänzlich unbekannt geweſen, öffentlich aufgefordert nach Frankfurt zurückzukehren und die Erbſchaft des Vaters in Empfang zu nehmen. Sprachlos blieb Peregrinus vor dem Nachbar ſtehen, zum erſtenmal durchſchnitt der Schmerz des Lebens ſeine Bruſt, zertrümmert ſah er die ſchöne glän¬ zende Welt, in der er ſonſt luſtig gehauſet. Der Nachbar gewahrte wohl wie Peregrinus gänzlich unfähig, auch nur das Kleinſte, was jetzt nöthig, zu beginnen. Er nahm ihn daher in ſein Haus und beſorgte ſelbſt in möglicher Schnelle alles, ſo daß noch denſelben Abend Peregrinus ſich in dem elterlichen Hauſe befand. Ganz erſchöpft, ganz vernichtet von einer Troſt¬ loſigkeit, die er noch nicht gekannt, ſank er in den großen Lehnſtuhl des Vaters, der noch an derſelben

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmann_floh_1822
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmann_floh_1822/27
Zitationshilfe: Hoffmann, E. T. A.: Meister Floh. Frankfurt (Main), 1822, S. 22. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmann_floh_1822/27>, abgerufen am 21.11.2024.