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[Hoffmann, E. T. A.]: Nachtstücke. Bd. 1. Berlin, 1817.

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Du ahnest, daß nur ganz eigne, tief in mein
Leben eingreifende Beziehungen diesem Vorfall
Bedeutung geben können, ja, daß wohl die Per¬
son jenes unglückseligen Krämers gar feindlich auf
mich wirken muß. So ist es in der That. Mit
aller Kraft fasse ich mich zusammen, um ruhig
und geduldig Dir aus meiner frühern Jugendzeit
so viel zu erzählen, daß deinem regen Sinn alles
klar und deutlich in leuchtenden Bildern aufgehen
wird. Indem ich anfangen will, höre ich Dich
lachen und Clara sagen: das sind ja rechte Kin¬
dereien! -- Lacht, ich bitte Euch, lacht mich
recht herzlich aus! -- ich bitt' Euch sehr! --
Aber Gott im Himmel! die Haare sträuben sich
mir und es ist, als flehe ich Euch an, mich aus¬
zulachen, in wahnsinniger Verzweiflung, wie
Franz Moor den Daniel. -- Nun fort zur
Sache! --

Außer dem Mittagsessen sahen wir, ich und
mein Geschwister, Tag über den Vater wenig.
Er mochte mit seinem Dienst viel beschäftigt seyn.
Nach dem Abendessen, das alter Sitte gemäß

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Du ahneſt, daß nur ganz eigne, tief in mein
Leben eingreifende Beziehungen dieſem Vorfall
Bedeutung geben koͤnnen, ja, daß wohl die Per¬
ſon jenes ungluͤckſeligen Kraͤmers gar feindlich auf
mich wirken muß. So iſt es in der That. Mit
aller Kraft faſſe ich mich zuſammen, um ruhig
und geduldig Dir aus meiner fruͤhern Jugendzeit
ſo viel zu erzaͤhlen, daß deinem regen Sinn alles
klar und deutlich in leuchtenden Bildern aufgehen
wird. Indem ich anfangen will, hoͤre ich Dich
lachen und Clara ſagen: das ſind ja rechte Kin¬
dereien! — Lacht, ich bitte Euch, lacht mich
recht herzlich aus! — ich bitt' Euch ſehr! —
Aber Gott im Himmel! die Haare ſtraͤuben ſich
mir und es iſt, als flehe ich Euch an, mich aus¬
zulachen, in wahnſinniger Verzweiflung, wie
Franz Moor den Daniel. — Nun fort zur
Sache! —

Außer dem Mittagseſſen ſahen wir, ich und
mein Geſchwiſter, Tag uͤber den Vater wenig.
Er mochte mit ſeinem Dienſt viel beſchaͤftigt ſeyn.
Nach dem Abendeſſen, das alter Sitte gemaͤß

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[3/0011] Du ahneſt, daß nur ganz eigne, tief in mein Leben eingreifende Beziehungen dieſem Vorfall Bedeutung geben koͤnnen, ja, daß wohl die Per¬ ſon jenes ungluͤckſeligen Kraͤmers gar feindlich auf mich wirken muß. So iſt es in der That. Mit aller Kraft faſſe ich mich zuſammen, um ruhig und geduldig Dir aus meiner fruͤhern Jugendzeit ſo viel zu erzaͤhlen, daß deinem regen Sinn alles klar und deutlich in leuchtenden Bildern aufgehen wird. Indem ich anfangen will, hoͤre ich Dich lachen und Clara ſagen: das ſind ja rechte Kin¬ dereien! — Lacht, ich bitte Euch, lacht mich recht herzlich aus! — ich bitt' Euch ſehr! — Aber Gott im Himmel! die Haare ſtraͤuben ſich mir und es iſt, als flehe ich Euch an, mich aus¬ zulachen, in wahnſinniger Verzweiflung, wie Franz Moor den Daniel. — Nun fort zur Sache! — Außer dem Mittagseſſen ſahen wir, ich und mein Geſchwiſter, Tag uͤber den Vater wenig. Er mochte mit ſeinem Dienſt viel beſchaͤftigt ſeyn. Nach dem Abendeſſen, das alter Sitte gemaͤß A 2

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Zitationshilfe: [Hoffmann, E. T. A.]: Nachtstücke. Bd. 1. Berlin, 1817, S. 3. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmann_nachtstuecke01_1817/11>, abgerufen am 21.11.2024.