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[Hoffmann, E. T. A.]: Nachtstücke. Bd. 1. Berlin, 1817.

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die sein Blut tröpfelte. Sie sah nur noch, wie
der Knecht mit der Axt ausholte, um den Den¬
ner zu treffen, wie dieser dem Schlage auswich,
den Knecht unterlief und mit ihm rang. Es
war ihr, als höre sie jetzt mehrere Stimmen
dicht vor den Fenstern, bewußtlos sank sie zu
Boden. Als sie wieder erwachte, war es finstre
Nacht worden, aber ganz betäubt vermochte sie
nicht die erstarrten Glieder zu regen. Endlich
wurde es Tag und nun sah sie mit Entsetzen,
wie das Blut im Zimmer schwamm. Stücke
von Denner's Kleidern lagen überall umher --
ein ausgerissener Schopf von des Knechts Haa¬
ren -- die Axt blutig daneben -- der Knabe
vom Tische herabgeschleudert mit zerschnittener
Brust. Auf's neue wurde Giorgina ohnmächtig,
sie glaubte zu sterben, aber sie erwachte wie aus
dem Todesschlummer, als es schon Mittag gewor¬
den. Sie raffte sich mühsam auf, sie rief laut
den Georg, aber als niemand antwortete, glaubte
sie, auch Georg sei ermordet. Die Verzweif¬

die ſein Blut troͤpfelte. Sie ſah nur noch, wie
der Knecht mit der Axt ausholte, um den Den¬
ner zu treffen, wie dieſer dem Schlage auswich,
den Knecht unterlief und mit ihm rang. Es
war ihr, als hoͤre ſie jetzt mehrere Stimmen
dicht vor den Fenſtern, bewußtlos ſank ſie zu
Boden. Als ſie wieder erwachte, war es finſtre
Nacht worden, aber ganz betaͤubt vermochte ſie
nicht die erſtarrten Glieder zu regen. Endlich
wurde es Tag und nun ſah ſie mit Entſetzen,
wie das Blut im Zimmer ſchwamm. Stuͤcke
von Denner's Kleidern lagen uͤberall umher —
ein ausgeriſſener Schopf von des Knechts Haa¬
ren — die Axt blutig daneben — der Knabe
vom Tiſche herabgeſchleudert mit zerſchnittener
Bruſt. Auf's neue wurde Giorgina ohnmaͤchtig,
ſie glaubte zu ſterben, aber ſie erwachte wie aus
dem Todesſchlummer, als es ſchon Mittag gewor¬
den. Sie raffte ſich muͤhſam auf, ſie rief laut
den Georg, aber als niemand antwortete, glaubte
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[148/0156] die ſein Blut troͤpfelte. Sie ſah nur noch, wie der Knecht mit der Axt ausholte, um den Den¬ ner zu treffen, wie dieſer dem Schlage auswich, den Knecht unterlief und mit ihm rang. Es war ihr, als hoͤre ſie jetzt mehrere Stimmen dicht vor den Fenſtern, bewußtlos ſank ſie zu Boden. Als ſie wieder erwachte, war es finſtre Nacht worden, aber ganz betaͤubt vermochte ſie nicht die erſtarrten Glieder zu regen. Endlich wurde es Tag und nun ſah ſie mit Entſetzen, wie das Blut im Zimmer ſchwamm. Stuͤcke von Denner's Kleidern lagen uͤberall umher — ein ausgeriſſener Schopf von des Knechts Haa¬ ren — die Axt blutig daneben — der Knabe vom Tiſche herabgeſchleudert mit zerſchnittener Bruſt. Auf's neue wurde Giorgina ohnmaͤchtig, ſie glaubte zu ſterben, aber ſie erwachte wie aus dem Todesſchlummer, als es ſchon Mittag gewor¬ den. Sie raffte ſich muͤhſam auf, ſie rief laut den Georg, aber als niemand antwortete, glaubte ſie, auch Georg ſei ermordet. Die Verzweif¬

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Zitationshilfe: [Hoffmann, E. T. A.]: Nachtstücke. Bd. 1. Berlin, 1817, S. 148. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmann_nachtstuecke01_1817/156>, abgerufen am 23.11.2024.