untergeordnet sey. Man rieth ihm, wolle er ein bedeutender Künstler werden, doch nur gleich von seinem Fach abzugehen und sich dem Höheren zu¬ zuwenden, und, dies, verbunden mit dem nie sonst gefühlten Eindruck, den Raphaels mächtige Fresko- Gemählde im Vatikan auf ihn machten, bestimm¬ te ihn wirklich, die Landschaft zu verlassen. Er zeichnete nach jenen Raphaels, er kopirte kleine Oelgemälde anderer berühmter Meister; alles fiel bei seiner tüchtigen Praktik recht wohl und schicklich aus, aber nur zu sehr fühlte er, daß das Lob der Künstler und Kenner ihn nur trö¬ sten, aufmuntern sollte. Er sah es ja selbst, daß seinen Zeichnungen, seinen Copien alles Leben des Originals fehle. Raphael's, Correggio's himmlische Gedanken begeisterten (so glaubte er) zum eignen Schaffen, aber so wie er sie in der Fantasie fest halten wollte, verschwammen sie wie im Nebel, und alles, was er auswendig zeichnete, hatte, wie jedes nur undeutlich, verworren Ge¬ dachte, kein Regen, keine Bedeutung. Ueber
untergeordnet ſey. Man rieth ihm, wolle er ein bedeutender Kuͤnſtler werden, doch nur gleich von ſeinem Fach abzugehen und ſich dem Hoͤheren zu¬ zuwenden, und, dies, verbunden mit dem nie ſonſt gefuͤhlten Eindruck, den Raphaels maͤchtige Fresko- Gemaͤhlde im Vatikan auf ihn machten, beſtimm¬ te ihn wirklich, die Landſchaft zu verlaſſen. Er zeichnete nach jenen Raphaels, er kopirte kleine Oelgemaͤlde anderer beruͤhmter Meiſter; alles fiel bei ſeiner tuͤchtigen Praktik recht wohl und ſchicklich aus, aber nur zu ſehr fuͤhlte er, daß das Lob der Kuͤnſtler und Kenner ihn nur troͤ¬ ſten, aufmuntern ſollte. Er ſah es ja ſelbſt, daß ſeinen Zeichnungen, ſeinen Copien alles Leben des Originals fehle. Raphael's, Correggio's himmliſche Gedanken begeiſterten (ſo glaubte er) zum eignen Schaffen, aber ſo wie er ſie in der Fantaſie feſt halten wollte, verſchwammen ſie wie im Nebel, und alles, was er auswendig zeichnete, hatte, wie jedes nur undeutlich, verworren Ge¬ dachte, kein Regen, keine Bedeutung. Ueber
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untergeordnet ſey. Man rieth ihm, wolle er ein
bedeutender Kuͤnſtler werden, doch nur gleich von
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zuwenden, und, dies, verbunden mit dem nie ſonſt
gefuͤhlten Eindruck, den Raphaels maͤchtige Fresko-
Gemaͤhlde im Vatikan auf ihn machten, beſtimm¬
te ihn wirklich, die Landſchaft zu verlaſſen. Er
zeichnete nach jenen Raphaels, er kopirte kleine
Oelgemaͤlde anderer beruͤhmter Meiſter; alles
fiel bei ſeiner tuͤchtigen Praktik recht wohl und
ſchicklich aus, aber nur zu ſehr fuͤhlte er, daß
das Lob der Kuͤnſtler und Kenner ihn nur troͤ¬
ſten, aufmuntern ſollte. Er ſah es ja ſelbſt, daß
ſeinen Zeichnungen, ſeinen Copien alles Leben des
Originals fehle. Raphael's, Correggio's
himmliſche Gedanken begeiſterten (ſo glaubte er)
zum eignen Schaffen, aber ſo wie er ſie in der
Fantaſie feſt halten wollte, verſchwammen ſie wie
im Nebel, und alles, was er auswendig zeichnete,
hatte, wie jedes nur undeutlich, verworren Ge¬
dachte, kein Regen, keine Bedeutung. Ueber
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[Hoffmann, E. T. A.]: Nachtstücke. Bd. 1. Berlin, 1817, S. 245. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmann_nachtstuecke01_1817/253>, abgerufen am 22.11.2024.
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