der geben sollen. Aber, hast Du mir auch sonst manchmahl in kindischer Neckerei vorgeworfen, ich hätte solch' ruhiges, weiblich besonnenes Ge¬ müth, daß ich wie jene Frau, drohe das Haus den Einsturz, noch vor schneller Flucht ganz ge¬ schwinde einen falschen Kniff in der Fenster¬ gardine glattstreichen würde, so darf ich doch wohl kaum versichern, daß Deines Briefes Anfang mich tief erschütterte. Ich konnte kaum athmen, es flimmerte mir vor den Augen. -- Ach, mein herzgeliebter Nathanael! was konnte so ent¬ setzliches in Dein Leben getreten seyn! Trennung von Dir, Dich niemahls wieder sehen, der Gedanke durchfuhr meine Brust wie ein glühender Dolchstich. -- Ich las und las! -- Deine Schil¬ derung des widerwärtigen Coppelius ist grä߬ lich. Erst jetzt vernahm ich, wie Dein guter alter Vater solch' entsetzlichen, gewaltsamen Todes starb. Bruder Lothar, dem ich sein Eigenthum zu¬ stellte, suchte mich zu beruhigen, aber es gelang ihm schlecht. Der fatale Wetterglashändler Giu¬ seppe Coppola verfolgte mich auf Schritt und
der geben ſollen. Aber, haſt Du mir auch ſonſt manchmahl in kindiſcher Neckerei vorgeworfen, ich haͤtte ſolch' ruhiges, weiblich beſonnenes Ge¬ muͤth, daß ich wie jene Frau, drohe das Haus den Einſturz, noch vor ſchneller Flucht ganz ge¬ ſchwinde einen falſchen Kniff in der Fenſter¬ gardine glattſtreichen wuͤrde, ſo darf ich doch wohl kaum verſichern, daß Deines Briefes Anfang mich tief erſchuͤtterte. Ich konnte kaum athmen, es flimmerte mir vor den Augen. — Ach, mein herzgeliebter Nathanael! was konnte ſo ent¬ ſetzliches in Dein Leben getreten ſeyn! Trennung von Dir, Dich niemahls wieder ſehen, der Gedanke durchfuhr meine Bruſt wie ein gluͤhender Dolchſtich. — Ich las und las! — Deine Schil¬ derung des widerwaͤrtigen Coppelius iſt graͤ߬ lich. Erſt jetzt vernahm ich, wie Dein guter alter Vater ſolch' entſetzlichen, gewaltſamen Todes ſtarb. Bruder Lothar, dem ich ſein Eigenthum zu¬ ſtellte, ſuchte mich zu beruhigen, aber es gelang ihm ſchlecht. Der fatale Wetterglashaͤndler Giu¬ ſeppe Coppola verfolgte mich auf Schritt und
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der geben ſollen. Aber, haſt Du mir auch ſonſt
manchmahl in kindiſcher Neckerei vorgeworfen,
ich haͤtte ſolch' ruhiges, weiblich beſonnenes Ge¬
muͤth, daß ich wie jene Frau, drohe das Haus
den Einſturz, noch vor ſchneller Flucht ganz ge¬
ſchwinde einen falſchen Kniff in der Fenſter¬
gardine glattſtreichen wuͤrde, ſo darf ich doch wohl
kaum verſichern, daß Deines Briefes Anfang mich
tief erſchuͤtterte. Ich konnte kaum athmen, es
flimmerte mir vor den Augen. — Ach, mein
herzgeliebter Nathanael! was konnte ſo ent¬
ſetzliches in Dein Leben getreten ſeyn! Trennung
von Dir, Dich niemahls wieder ſehen, der
Gedanke durchfuhr meine Bruſt wie ein gluͤhender
Dolchſtich. — Ich las und las! — Deine Schil¬
derung des widerwaͤrtigen Coppelius iſt graͤ߬
lich. Erſt jetzt vernahm ich, wie Dein guter alter
Vater ſolch' entſetzlichen, gewaltſamen Todes ſtarb.
Bruder Lothar, dem ich ſein Eigenthum zu¬
ſtellte, ſuchte mich zu beruhigen, aber es gelang
ihm ſchlecht. Der fatale Wetterglashaͤndler Giu¬
ſeppe Coppola verfolgte mich auf Schritt und
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[Hoffmann, E. T. A.]: Nachtstücke. Bd. 1. Berlin, 1817, S. 21. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmann_nachtstuecke01_1817/29>, abgerufen am 21.11.2024.
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