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[Hoffmann, E. T. A.]: Nachtstücke. Bd. 1. Berlin, 1817.

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man," fuhr der Enthusiast fort, "wenn man nun
alles haarklein auseinander sieben soll, und jedes
Körnchen beäugeln und bekucken, so wird das eine
Arbeit, die selbst langweilig Langeweile verbreitet! --
Laßt den Schmetterling im Clavichordkasten des
Kapellmeister ruhen! -- Uebrigens, sagt selbst,
Kapellmeister! ist es nicht ein wahres Unglück, daß
die hochheilige Musik ein integrirender Theil un¬
serer Conversation geworden ist? Die herrlichsten
Talente werden herabgezogen in das gemeine dürf¬
tige Leben! Statt daß sonst aus heiliger Ferne
wie aus dem wunderbaren Himmelsreiche selbst,
Ton und Gesang auf uns herniederstrahlte, hat
man jetzt alles hübsch bey der Hand und man
weiß genau, wie viel Tassen Thee die Sängerin
oder wie viel Gläser Wein der Bassist trinken
muß, um in die gehörige Tramontane zu kommen.
Ich weiß wohl, daß es Vereine giebt, die ergrif¬
fen von dem wahren Geist der Musik sie unter¬
einander mit wahrhafter Andacht üben, aber jene
miserablen geschmückten, geschniegelten -- doch ich

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man,“ fuhr der Enthuſiaſt fort, „wenn man nun
alles haarklein auseinander ſieben ſoll, und jedes
Koͤrnchen beaͤugeln und bekucken, ſo wird das eine
Arbeit, die ſelbſt langweilig Langeweile verbreitet! —
Laßt den Schmetterling im Clavichordkaſten des
Kapellmeiſter ruhen! — Uebrigens, ſagt ſelbſt,
Kapellmeiſter! iſt es nicht ein wahres Ungluͤck, daß
die hochheilige Muſik ein integrirender Theil un¬
ſerer Converſation geworden iſt? Die herrlichſten
Talente werden herabgezogen in das gemeine duͤrf¬
tige Leben! Statt daß ſonſt aus heiliger Ferne
wie aus dem wunderbaren Himmelsreiche ſelbſt,
Ton und Geſang auf uns herniederſtrahlte, hat
man jetzt alles huͤbſch bey der Hand und man
weiß genau, wie viel Taſſen Thee die Saͤngerin
oder wie viel Glaͤſer Wein der Baſſiſt trinken
muß, um in die gehoͤrige Tramontane zu kommen.
Ich weiß wohl, daß es Vereine giebt, die ergrif¬
fen von dem wahren Geiſt der Muſik ſie unter¬
einander mit wahrhafter Andacht uͤben, aber jene
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[289/0297] man,“ fuhr der Enthuſiaſt fort, „wenn man nun alles haarklein auseinander ſieben ſoll, und jedes Koͤrnchen beaͤugeln und bekucken, ſo wird das eine Arbeit, die ſelbſt langweilig Langeweile verbreitet! — Laßt den Schmetterling im Clavichordkaſten des Kapellmeiſter ruhen! — Uebrigens, ſagt ſelbſt, Kapellmeiſter! iſt es nicht ein wahres Ungluͤck, daß die hochheilige Muſik ein integrirender Theil un¬ ſerer Converſation geworden iſt? Die herrlichſten Talente werden herabgezogen in das gemeine duͤrf¬ tige Leben! Statt daß ſonſt aus heiliger Ferne wie aus dem wunderbaren Himmelsreiche ſelbſt, Ton und Geſang auf uns herniederſtrahlte, hat man jetzt alles huͤbſch bey der Hand und man weiß genau, wie viel Taſſen Thee die Saͤngerin oder wie viel Glaͤſer Wein der Baſſiſt trinken muß, um in die gehoͤrige Tramontane zu kommen. Ich weiß wohl, daß es Vereine giebt, die ergrif¬ fen von dem wahren Geiſt der Muſik ſie unter¬ einander mit wahrhafter Andacht uͤben, aber jene miſerablen geſchmuͤckten, geſchniegelten — doch ich T

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Zitationshilfe: [Hoffmann, E. T. A.]: Nachtstücke. Bd. 1. Berlin, 1817, S. 289. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmann_nachtstuecke01_1817/297>, abgerufen am 22.11.2024.