Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Hoffmann, E. T. A.]: Nachtstücke. Bd. 1. Berlin, 1817.

Bild:
<< vorherige Seite

Aguillar das Nest der Sünde zerstören.
Schon war das Werk genommen, schon wurden
die gefangenen Weiber während des Gefechts ab¬
geführt, als eine unvermuthete Verstärkung ihn
tapferer Wehr unerachtet nöthigte, abzulassen und
sich zurückzuziehen in das Lager. Der Feind
wagte nicht ihn zu verfolgen und so kam es, daß
die Gefangenen und reiche Beute sein blieben.
Unter den gefangenen Weibern befand sich eine,
deren trostloses Jammern, deren Verzweiflung
Don Aguillar's Aufmerksamkeit erregte. Er
nahte sich der Verschleierten mit freundlichen
Worten, aber als hätte ihr Schmerz keine andere
Sprache als Gesang, fing sie, nachdem sie auf der
Zither, die ihr an einem goldnen Bande um den
Hals hing, einige seltsame Akkorde gegriffen hatte,
eine Romanze an, die in tiefaufseufzenden herzzer¬
schneidenden Lauten die Trennung von dem Ge¬
liebten, von aller Lebensfreude klagte. Aguil¬
lar
tief ergriffen von den wunderbaren Tönen,
beschloß das Weib zurückbringen zu lassen nach

Aguillar das Neſt der Suͤnde zerſtoͤren.
Schon war das Werk genommen, ſchon wurden
die gefangenen Weiber waͤhrend des Gefechts ab¬
gefuͤhrt, als eine unvermuthete Verſtaͤrkung ihn
tapferer Wehr unerachtet noͤthigte, abzulaſſen und
ſich zuruͤckzuziehen in das Lager. Der Feind
wagte nicht ihn zu verfolgen und ſo kam es, daß
die Gefangenen und reiche Beute ſein blieben.
Unter den gefangenen Weibern befand ſich eine,
deren troſtloſes Jammern, deren Verzweiflung
Don Aguillar's Aufmerkſamkeit erregte. Er
nahte ſich der Verſchleierten mit freundlichen
Worten, aber als haͤtte ihr Schmerz keine andere
Sprache als Geſang, fing ſie, nachdem ſie auf der
Zither, die ihr an einem goldnen Bande um den
Hals hing, einige ſeltſame Akkorde gegriffen hatte,
eine Romanze an, die in tiefaufſeufzenden herzzer¬
ſchneidenden Lauten die Trennung von dem Ge¬
liebten, von aller Lebensfreude klagte. Aguil¬
lar
tief ergriffen von den wunderbaren Toͤnen,
beſchloß das Weib zuruͤckbringen zu laſſen nach

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0308" n="300"/><hi rendition="#g">Aguillar</hi> das Ne&#x017F;t der Su&#x0364;nde zer&#x017F;to&#x0364;ren.<lb/>
Schon war das Werk genommen, &#x017F;chon wurden<lb/>
die gefangenen Weiber wa&#x0364;hrend des Gefechts ab¬<lb/>
gefu&#x0364;hrt, als eine unvermuthete Ver&#x017F;ta&#x0364;rkung ihn<lb/>
tapferer Wehr unerachtet no&#x0364;thigte, abzula&#x017F;&#x017F;en und<lb/>
&#x017F;ich zuru&#x0364;ckzuziehen in das Lager. Der Feind<lb/>
wagte nicht ihn zu verfolgen und &#x017F;o kam es, daß<lb/>
die Gefangenen und reiche Beute &#x017F;ein blieben.<lb/>
Unter den gefangenen Weibern befand &#x017F;ich eine,<lb/>
deren tro&#x017F;tlo&#x017F;es Jammern, deren Verzweiflung<lb/><hi rendition="#g">Don Aguillar's</hi> Aufmerk&#x017F;amkeit erregte. Er<lb/>
nahte &#x017F;ich der Ver&#x017F;chleierten mit freundlichen<lb/>
Worten, aber als ha&#x0364;tte ihr Schmerz keine andere<lb/>
Sprache als Ge&#x017F;ang, fing &#x017F;ie, nachdem &#x017F;ie auf der<lb/>
Zither, die ihr an einem goldnen Bande um den<lb/>
Hals hing, einige &#x017F;elt&#x017F;ame Akkorde gegriffen hatte,<lb/>
eine Romanze an, die in tiefauf&#x017F;eufzenden herzzer¬<lb/>
&#x017F;chneidenden Lauten die Trennung von dem Ge¬<lb/>
liebten, von aller Lebensfreude klagte. <hi rendition="#g">Aguil¬<lb/>
lar</hi> tief ergriffen von den wunderbaren To&#x0364;nen,<lb/>
be&#x017F;chloß das Weib zuru&#x0364;ckbringen zu la&#x017F;&#x017F;en nach<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[300/0308] Aguillar das Neſt der Suͤnde zerſtoͤren. Schon war das Werk genommen, ſchon wurden die gefangenen Weiber waͤhrend des Gefechts ab¬ gefuͤhrt, als eine unvermuthete Verſtaͤrkung ihn tapferer Wehr unerachtet noͤthigte, abzulaſſen und ſich zuruͤckzuziehen in das Lager. Der Feind wagte nicht ihn zu verfolgen und ſo kam es, daß die Gefangenen und reiche Beute ſein blieben. Unter den gefangenen Weibern befand ſich eine, deren troſtloſes Jammern, deren Verzweiflung Don Aguillar's Aufmerkſamkeit erregte. Er nahte ſich der Verſchleierten mit freundlichen Worten, aber als haͤtte ihr Schmerz keine andere Sprache als Geſang, fing ſie, nachdem ſie auf der Zither, die ihr an einem goldnen Bande um den Hals hing, einige ſeltſame Akkorde gegriffen hatte, eine Romanze an, die in tiefaufſeufzenden herzzer¬ ſchneidenden Lauten die Trennung von dem Ge¬ liebten, von aller Lebensfreude klagte. Aguil¬ lar tief ergriffen von den wunderbaren Toͤnen, beſchloß das Weib zuruͤckbringen zu laſſen nach

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmann_nachtstuecke01_1817
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmann_nachtstuecke01_1817/308
Zitationshilfe: [Hoffmann, E. T. A.]: Nachtstücke. Bd. 1. Berlin, 1817, S. 300. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmann_nachtstuecke01_1817/308>, abgerufen am 23.11.2024.