Kirche o. s., und will sonst nie Erfahrnes ahnen. Setze ich nun noch hinzu, daß ich zwanzig Jahr alt war und mehrere Gläser starken Punsch getrun¬ ken hatte so wird man es glauben, daß mir in meinem Rittersaal seltsamer zu Muthe wurde als jemals. Man denke sich die Stille der Nacht, in der das dumpfe Brausen des Meers, das seltsame Pfeifen des Nachtwindes wie die Töne eines mächtigen, von Geistern gerührten Orgelwerks er¬ klangen -- die vorüberfliegenden Wolken, die oft, hell und glänzend, wie vorbeistreifende Riesen durch die klirrenden Bogenfenster zu gucken schienen -- in der That, ich mußt' es in dem leisen Schauer fühlen, der mich durchbebte, daß ein fremdes Reich nun sichtbarlich und vernehmbar aufgehen könne. Doch dies Gefühl glich dem Frösteln, das man bei einer lebhaft dargestellten Gespenstergeschichte em¬ pfindet und das man so gern hat. Dabei fiel mir ein, daß in keiner günstigeren Stimmung das Buch zu lesen sey, das ich, so wie damals jeder, der nur irgend dem Romantischen ergeben, in der Tasche
Kirche o. ſ., und will ſonſt nie Erfahrnes ahnen. Setze ich nun noch hinzu, daß ich zwanzig Jahr alt war und mehrere Glaͤſer ſtarken Punſch getrun¬ ken hatte ſo wird man es glauben, daß mir in meinem Ritterſaal ſeltſamer zu Muthe wurde als jemals. Man denke ſich die Stille der Nacht, in der das dumpfe Brauſen des Meers, das ſeltſame Pfeifen des Nachtwindes wie die Toͤne eines maͤchtigen, von Geiſtern geruͤhrten Orgelwerks er¬ klangen — die voruͤberfliegenden Wolken, die oft, hell und glaͤnzend, wie vorbeiſtreifende Rieſen durch die klirrenden Bogenfenſter zu gucken ſchienen — in der That, ich mußt' es in dem leiſen Schauer fuͤhlen, der mich durchbebte, daß ein fremdes Reich nun ſichtbarlich und vernehmbar aufgehen koͤnne. Doch dies Gefuͤhl glich dem Froͤſteln, das man bei einer lebhaft dargeſtellten Geſpenſtergeſchichte em¬ pfindet und das man ſo gern hat. Dabei fiel mir ein, daß in keiner guͤnſtigeren Stimmung das Buch zu leſen ſey, das ich, ſo wie damals jeder, der nur irgend dem Romantiſchen ergeben, in der Taſche
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0100"n="92"/>
Kirche o. ſ., und will ſonſt nie Erfahrnes ahnen.<lb/>
Setze ich nun noch hinzu, daß ich zwanzig Jahr<lb/>
alt war und mehrere Glaͤſer ſtarken Punſch getrun¬<lb/>
ken hatte ſo wird man es glauben, daß mir in<lb/>
meinem Ritterſaal ſeltſamer zu Muthe wurde als<lb/>
jemals. Man denke ſich die Stille der Nacht, in<lb/>
der das dumpfe Brauſen des Meers, das ſeltſame<lb/>
Pfeifen des Nachtwindes wie die Toͤne eines<lb/>
maͤchtigen, von Geiſtern geruͤhrten Orgelwerks er¬<lb/>
klangen — die voruͤberfliegenden Wolken, die oft,<lb/>
hell und glaͤnzend, wie vorbeiſtreifende Rieſen durch<lb/>
die klirrenden Bogenfenſter zu gucken ſchienen —<lb/>
in der That, ich mußt' es in dem leiſen Schauer<lb/>
fuͤhlen, der mich durchbebte, daß ein fremdes Reich<lb/>
nun ſichtbarlich und vernehmbar aufgehen koͤnne.<lb/>
Doch dies Gefuͤhl glich dem Froͤſteln, das man bei<lb/>
einer lebhaft dargeſtellten Geſpenſtergeſchichte em¬<lb/>
pfindet und das man ſo gern hat. Dabei fiel mir ein,<lb/>
daß in keiner guͤnſtigeren Stimmung das Buch zu<lb/>
leſen ſey, das ich, ſo wie damals jeder, der nur<lb/>
irgend dem Romantiſchen ergeben, in der Taſche<lb/></p></div></body></text></TEI>
[92/0100]
Kirche o. ſ., und will ſonſt nie Erfahrnes ahnen.
Setze ich nun noch hinzu, daß ich zwanzig Jahr
alt war und mehrere Glaͤſer ſtarken Punſch getrun¬
ken hatte ſo wird man es glauben, daß mir in
meinem Ritterſaal ſeltſamer zu Muthe wurde als
jemals. Man denke ſich die Stille der Nacht, in
der das dumpfe Brauſen des Meers, das ſeltſame
Pfeifen des Nachtwindes wie die Toͤne eines
maͤchtigen, von Geiſtern geruͤhrten Orgelwerks er¬
klangen — die voruͤberfliegenden Wolken, die oft,
hell und glaͤnzend, wie vorbeiſtreifende Rieſen durch
die klirrenden Bogenfenſter zu gucken ſchienen —
in der That, ich mußt' es in dem leiſen Schauer
fuͤhlen, der mich durchbebte, daß ein fremdes Reich
nun ſichtbarlich und vernehmbar aufgehen koͤnne.
Doch dies Gefuͤhl glich dem Froͤſteln, das man bei
einer lebhaft dargeſtellten Geſpenſtergeſchichte em¬
pfindet und das man ſo gern hat. Dabei fiel mir ein,
daß in keiner guͤnſtigeren Stimmung das Buch zu
leſen ſey, das ich, ſo wie damals jeder, der nur
irgend dem Romantiſchen ergeben, in der Taſche
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
[Hoffmann, E. T. A.]: Nachtstücke. Bd. 2. Berlin, 1817, S. 92. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmann_nachtstuecke02_1817/100>, abgerufen am 21.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.