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[Hoffmann, E. T. A.]: Nachtstücke. Bd. 2. Berlin, 1817.

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unverschleiert gesehen, sie sagte aber darüber nichts,
als: Die arme junge Dame muß sich ja wohl so
verhüllen! -- Nach einigen Tagen erschien der
Carmelitermönch, der den Knaben getauft hatte.
Seine Unterredung mit Cölestinen, niemand durfte
zugegen seyn, dauerte länger als zwei Stunden.
Man hörte ihn eifrig sprechen und beten. Als
er fortgegangen, fand man Cölestinen im Lehn¬
stuhl sitzend, auf dem Schooße den Knaben, um
dessen kleine Schultern ein Skapulier gelegt war,
und der ein Agnusdei auf der Brust trug. Wo¬
chen und Monate vergingen, ohne daß, wie der
Bürgermeister geglaubt hatte, und wie es ihm
auch vom Fürsten Z. gesagt worden, Cölestine
mit dem Kinde abgeholt wurde. Sie hätte ganz
eintreten können in den friedlichen Kreis der Fa¬
milie, wären die fatalen Schleier nicht gewesen,
die immer den letzten Schritt zur freundlichen
Annäherung hemmten. Der Alte nahm es sich
heraus, dies der Fremden selbst freimüthig zu
äußern, doch als sie mit dumpfem feierlichen Ton

unverſchleiert geſehen, ſie ſagte aber daruͤber nichts,
als: Die arme junge Dame muß ſich ja wohl ſo
verhuͤllen! — Nach einigen Tagen erſchien der
Carmelitermoͤnch, der den Knaben getauft hatte.
Seine Unterredung mit Coͤleſtinen, niemand durfte
zugegen ſeyn, dauerte laͤnger als zwei Stunden.
Man hoͤrte ihn eifrig ſprechen und beten. Als
er fortgegangen, fand man Coͤleſtinen im Lehn¬
ſtuhl ſitzend, auf dem Schooße den Knaben, um
deſſen kleine Schultern ein Skapulier gelegt war,
und der ein Agnusdei auf der Bruſt trug. Wo¬
chen und Monate vergingen, ohne daß, wie der
Buͤrgermeiſter geglaubt hatte, und wie es ihm
auch vom Fuͤrſten Z. geſagt worden, Coͤleſtine
mit dem Kinde abgeholt wurde. Sie haͤtte ganz
eintreten koͤnnen in den friedlichen Kreis der Fa¬
milie, waͤren die fatalen Schleier nicht geweſen,
die immer den letzten Schritt zur freundlichen
Annaͤherung hemmten. Der Alte nahm es ſich
heraus, dies der Fremden ſelbſt freimuͤthig zu
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[268/0276] unverſchleiert geſehen, ſie ſagte aber daruͤber nichts, als: Die arme junge Dame muß ſich ja wohl ſo verhuͤllen! — Nach einigen Tagen erſchien der Carmelitermoͤnch, der den Knaben getauft hatte. Seine Unterredung mit Coͤleſtinen, niemand durfte zugegen ſeyn, dauerte laͤnger als zwei Stunden. Man hoͤrte ihn eifrig ſprechen und beten. Als er fortgegangen, fand man Coͤleſtinen im Lehn¬ ſtuhl ſitzend, auf dem Schooße den Knaben, um deſſen kleine Schultern ein Skapulier gelegt war, und der ein Agnusdei auf der Bruſt trug. Wo¬ chen und Monate vergingen, ohne daß, wie der Buͤrgermeiſter geglaubt hatte, und wie es ihm auch vom Fuͤrſten Z. geſagt worden, Coͤleſtine mit dem Kinde abgeholt wurde. Sie haͤtte ganz eintreten koͤnnen in den friedlichen Kreis der Fa¬ milie, waͤren die fatalen Schleier nicht geweſen, die immer den letzten Schritt zur freundlichen Annaͤherung hemmten. Der Alte nahm es ſich heraus, dies der Fremden ſelbſt freimuͤthig zu aͤußern, doch als ſie mit dumpfem feierlichen Ton

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Zitationshilfe: [Hoffmann, E. T. A.]: Nachtstücke. Bd. 2. Berlin, 1817, S. 268. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmann_nachtstuecke02_1817/276>, abgerufen am 24.11.2024.