Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Hoffmann, E. T. A.]: Nachtstücke. Bd. 2. Berlin, 1817.

Bild:
<< vorherige Seite

zusammen. "Wiegen Sie, wiegen Sie, verehr¬
ter Herr Nachbar," jammerte der seltsame Mann,
holte ächzend und keuchend einen kleinen ledernen
Beutel aus der Tasche, und suchte mühsam Geld
hervor. Ich bemerkte, daß das Geld, als er es
auf den Ladentisch aufzählte, aus verschiedenen alten
zum Theil schon ganz aus dem gewöhnlichen Cours
gekommenen Münzsorten bestand. Er that dabey
sehr kläglich und murmelte: "Süß -- süß -- süß
soll nun alles seyn -- süß meinethalben; der Satan
schmiert seiner Braut Honig ums Maul -- puren
Honig." Der Conditor schaute mich lachend an,
und sprach dann zu dem Alten: "Sie scheinen nicht
recht wohl zu seyn, ja, ja das Alter, das Alter, die
Kräfte nehmen ab immer mehr und mehr." Ohne
die Miene zu ändern rief der Alte mit erhöhter
Stimme: "Alter? -- Alter? -- Kräfte abneh¬
men? -- Schwach -- matt werden! Ho ho --
ho ho -- ho ho!" Und damit schlug er die Fäuste
zusammen, daß die Gelenke knackten und sprang,
in der Luft eben so gewaltig die Füße zusammen,

zuſammen. „Wiegen Sie, wiegen Sie, verehr¬
ter Herr Nachbar,“ jammerte der ſeltſame Mann,
holte aͤchzend und keuchend einen kleinen ledernen
Beutel aus der Taſche, und ſuchte muͤhſam Geld
hervor. Ich bemerkte, daß das Geld, als er es
auf den Ladentiſch aufzaͤhlte, aus verſchiedenen alten
zum Theil ſchon ganz aus dem gewoͤhnlichen Cours
gekommenen Muͤnzſorten beſtand. Er that dabey
ſehr klaͤglich und murmelte: „Suͤß — ſuͤß — ſuͤß
ſoll nun alles ſeyn — ſuͤß meinethalben; der Satan
ſchmiert ſeiner Braut Honig ums Maul — puren
Honig.“ Der Conditor ſchaute mich lachend an,
und ſprach dann zu dem Alten: „Sie ſcheinen nicht
recht wohl zu ſeyn, ja, ja das Alter, das Alter, die
Kraͤfte nehmen ab immer mehr und mehr.“ Ohne
die Miene zu aͤndern rief der Alte mit erhoͤhter
Stimme: „Alter? — Alter? — Kraͤfte abneh¬
men? — Schwach — matt werden! Ho ho —
ho ho — ho ho!“ Und damit ſchlug er die Faͤuſte
zuſammen, daß die Gelenke knackten und ſprang,
in der Luft eben ſo gewaltig die Fuͤße zuſammen,

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0028" n="20"/>
zu&#x017F;ammen. &#x201E;Wiegen Sie, wiegen Sie, verehr¬<lb/>
ter Herr Nachbar,&#x201C; jammerte der &#x017F;elt&#x017F;ame Mann,<lb/>
holte a&#x0364;chzend und keuchend einen kleinen ledernen<lb/>
Beutel aus der Ta&#x017F;che, und &#x017F;uchte mu&#x0364;h&#x017F;am Geld<lb/>
hervor. Ich bemerkte, daß das Geld, als er es<lb/>
auf den Ladenti&#x017F;ch aufza&#x0364;hlte, aus ver&#x017F;chiedenen alten<lb/>
zum Theil &#x017F;chon ganz aus dem gewo&#x0364;hnlichen Cours<lb/>
gekommenen Mu&#x0364;nz&#x017F;orten be&#x017F;tand. Er that dabey<lb/>
&#x017F;ehr kla&#x0364;glich und murmelte: &#x201E;Su&#x0364;ß &#x2014; &#x017F;u&#x0364;ß &#x2014; &#x017F;u&#x0364;ß<lb/>
&#x017F;oll nun alles &#x017F;eyn &#x2014; &#x017F;u&#x0364;ß meinethalben; der Satan<lb/>
&#x017F;chmiert &#x017F;einer Braut Honig ums Maul &#x2014; puren<lb/>
Honig.&#x201C; Der Conditor &#x017F;chaute mich lachend an,<lb/>
und &#x017F;prach dann zu dem Alten: &#x201E;Sie &#x017F;cheinen nicht<lb/>
recht wohl zu &#x017F;eyn, ja, ja das Alter, das Alter, die<lb/>
Kra&#x0364;fte nehmen ab immer mehr und mehr.&#x201C; Ohne<lb/>
die Miene zu a&#x0364;ndern rief der Alte mit erho&#x0364;hter<lb/>
Stimme: &#x201E;Alter? &#x2014; Alter? &#x2014; Kra&#x0364;fte abneh¬<lb/>
men? &#x2014; Schwach &#x2014; matt werden! Ho ho &#x2014;<lb/>
ho ho &#x2014; ho ho!&#x201C; Und damit &#x017F;chlug er die Fa&#x0364;u&#x017F;te<lb/>
zu&#x017F;ammen, daß die Gelenke knackten und &#x017F;prang,<lb/>
in der Luft eben &#x017F;o gewaltig die Fu&#x0364;ße zu&#x017F;ammen,<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[20/0028] zuſammen. „Wiegen Sie, wiegen Sie, verehr¬ ter Herr Nachbar,“ jammerte der ſeltſame Mann, holte aͤchzend und keuchend einen kleinen ledernen Beutel aus der Taſche, und ſuchte muͤhſam Geld hervor. Ich bemerkte, daß das Geld, als er es auf den Ladentiſch aufzaͤhlte, aus verſchiedenen alten zum Theil ſchon ganz aus dem gewoͤhnlichen Cours gekommenen Muͤnzſorten beſtand. Er that dabey ſehr klaͤglich und murmelte: „Suͤß — ſuͤß — ſuͤß ſoll nun alles ſeyn — ſuͤß meinethalben; der Satan ſchmiert ſeiner Braut Honig ums Maul — puren Honig.“ Der Conditor ſchaute mich lachend an, und ſprach dann zu dem Alten: „Sie ſcheinen nicht recht wohl zu ſeyn, ja, ja das Alter, das Alter, die Kraͤfte nehmen ab immer mehr und mehr.“ Ohne die Miene zu aͤndern rief der Alte mit erhoͤhter Stimme: „Alter? — Alter? — Kraͤfte abneh¬ men? — Schwach — matt werden! Ho ho — ho ho — ho ho!“ Und damit ſchlug er die Faͤuſte zuſammen, daß die Gelenke knackten und ſprang, in der Luft eben ſo gewaltig die Fuͤße zuſammen,

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmann_nachtstuecke02_1817
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmann_nachtstuecke02_1817/28
Zitationshilfe: [Hoffmann, E. T. A.]: Nachtstücke. Bd. 2. Berlin, 1817, S. 20. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmann_nachtstuecke02_1817/28>, abgerufen am 03.12.2024.