schem Wasser zu reiben, der türkische Gesandte stieß aber alle zurück, indem er unaufhörlich rief: "Zu¬ rück, zurück, ihr unwissenden ungeschickten Leute! -- ihr macht mir den kerngesunden, muntern Hofrath nur matt und elend! -- Damit schleuderte er seinen Turban über alle Köpfe weg in den Garten hinein, den Pelz hinterher. Nun beschrieb er mit der fla¬ chen Hand seltsame Kreise um den Hofrath, die enger und enger werdend, zuletzt beinahe Schläfe und Herzgrube berührten. Dann hauchte er den Hofrath an, der sogleich die Augen aufschlug und mit matter Stimme sprach: "Exter! Du hast nicht gut gethan mich zu wecken! -- Die dunkle Macht hat mir den nahen Tod verkündet, und vielleicht war es mir vergönnt in dieser tiefen Ohnmacht hin¬ ein zu schlummern in den Tod" -- "Possen, Träumer," rief Exter, deine Zeit ist noch nicht ge¬ kommen. Schau dich nur um, Herr Bruder, wo du bist, und sey fein munter wie es sich schickt." -- Der Hofrath wurde nun gewahr, daß er sich im Saal in voller Gesellschaft befand. Er erhob sich rüstig vom Kanape, trat in die Mitte des Saals, und sprach mit anmuthigem Lächeln: "Ich gab Ih¬ nen ein böses Schauspiel, Verehrte! aber an mir lag es nicht, daß das ungeschickte Volk mich gerade
ſchem Waſſer zu reiben, der tuͤrkiſche Geſandte ſtieß aber alle zuruͤck, indem er unaufhoͤrlich rief: „Zu¬ ruͤck, zuruͤck, ihr unwiſſenden ungeſchickten Leute! — ihr macht mir den kerngeſunden, muntern Hofrath nur matt und elend! — Damit ſchleuderte er ſeinen Turban uͤber alle Koͤpfe weg in den Garten hinein, den Pelz hinterher. Nun beſchrieb er mit der fla¬ chen Hand ſeltſame Kreiſe um den Hofrath, die enger und enger werdend, zuletzt beinahe Schlaͤfe und Herzgrube beruͤhrten. Dann hauchte er den Hofrath an, der ſogleich die Augen aufſchlug und mit matter Stimme ſprach: „Exter! Du haſt nicht gut gethan mich zu wecken! — Die dunkle Macht hat mir den nahen Tod verkuͤndet, und vielleicht war es mir vergoͤnnt in dieſer tiefen Ohnmacht hin¬ ein zu ſchlummern in den Tod“ — „Poſſen, Traͤumer,“ rief Exter, deine Zeit iſt noch nicht ge¬ kommen. Schau dich nur um, Herr Bruder, wo du biſt, und ſey fein munter wie es ſich ſchickt.“ — Der Hofrath wurde nun gewahr, daß er ſich im Saal in voller Geſellſchaft befand. Er erhob ſich ruͤſtig vom Kanape, trat in die Mitte des Saals, und ſprach mit anmuthigem Laͤcheln: „Ich gab Ih¬ nen ein boͤſes Schauſpiel, Verehrte! aber an mir lag es nicht, daß das ungeſchickte Volk mich gerade
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0369"n="361"/>ſchem Waſſer zu reiben, der tuͤrkiſche Geſandte ſtieß<lb/>
aber alle zuruͤck, indem er unaufhoͤrlich rief: „Zu¬<lb/>
ruͤck, zuruͤck, ihr unwiſſenden ungeſchickten Leute! —<lb/>
ihr macht mir den kerngeſunden, muntern Hofrath<lb/>
nur matt und elend! — Damit ſchleuderte er ſeinen<lb/>
Turban uͤber alle Koͤpfe weg in den Garten hinein,<lb/>
den Pelz hinterher. Nun beſchrieb er mit der fla¬<lb/>
chen Hand ſeltſame Kreiſe um den Hofrath, die<lb/>
enger und enger werdend, zuletzt beinahe Schlaͤfe<lb/>
und Herzgrube beruͤhrten. Dann hauchte er den<lb/>
Hofrath an, der ſogleich die Augen aufſchlug und<lb/>
mit matter Stimme ſprach: „Exter! Du haſt nicht<lb/>
gut gethan mich zu wecken! — Die dunkle Macht<lb/>
hat mir den nahen Tod verkuͤndet, und vielleicht<lb/>
war es mir vergoͤnnt in dieſer tiefen Ohnmacht hin¬<lb/>
ein zu ſchlummern in den Tod“—„Poſſen,<lb/>
Traͤumer,“ rief Exter, deine Zeit iſt noch nicht ge¬<lb/>
kommen. Schau dich nur um, Herr Bruder, wo<lb/>
du biſt, und ſey fein munter wie es ſich ſchickt.“—<lb/>
Der Hofrath wurde nun gewahr, daß er ſich im<lb/>
Saal in voller Geſellſchaft befand. Er erhob ſich<lb/>
ruͤſtig vom Kanape, trat in die Mitte des Saals,<lb/>
und ſprach mit anmuthigem Laͤcheln: „Ich gab Ih¬<lb/>
nen ein boͤſes Schauſpiel, Verehrte! aber an mir<lb/>
lag es nicht, daß das ungeſchickte Volk mich gerade<lb/></p></div></body></text></TEI>
[361/0369]
ſchem Waſſer zu reiben, der tuͤrkiſche Geſandte ſtieß
aber alle zuruͤck, indem er unaufhoͤrlich rief: „Zu¬
ruͤck, zuruͤck, ihr unwiſſenden ungeſchickten Leute! —
ihr macht mir den kerngeſunden, muntern Hofrath
nur matt und elend! — Damit ſchleuderte er ſeinen
Turban uͤber alle Koͤpfe weg in den Garten hinein,
den Pelz hinterher. Nun beſchrieb er mit der fla¬
chen Hand ſeltſame Kreiſe um den Hofrath, die
enger und enger werdend, zuletzt beinahe Schlaͤfe
und Herzgrube beruͤhrten. Dann hauchte er den
Hofrath an, der ſogleich die Augen aufſchlug und
mit matter Stimme ſprach: „Exter! Du haſt nicht
gut gethan mich zu wecken! — Die dunkle Macht
hat mir den nahen Tod verkuͤndet, und vielleicht
war es mir vergoͤnnt in dieſer tiefen Ohnmacht hin¬
ein zu ſchlummern in den Tod“ — „Poſſen,
Traͤumer,“ rief Exter, deine Zeit iſt noch nicht ge¬
kommen. Schau dich nur um, Herr Bruder, wo
du biſt, und ſey fein munter wie es ſich ſchickt.“ —
Der Hofrath wurde nun gewahr, daß er ſich im
Saal in voller Geſellſchaft befand. Er erhob ſich
ruͤſtig vom Kanape, trat in die Mitte des Saals,
und ſprach mit anmuthigem Laͤcheln: „Ich gab Ih¬
nen ein boͤſes Schauſpiel, Verehrte! aber an mir
lag es nicht, daß das ungeſchickte Volk mich gerade
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
[Hoffmann, E. T. A.]: Nachtstücke. Bd. 2. Berlin, 1817, S. 361. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmann_nachtstuecke02_1817/369>, abgerufen am 24.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.