Schleier schauen ließ -- der nahe, vielleicht grä߬ liche Tod ist mir verkündet." "So erzähle nur was dir geschah," fiel Rixendorf ihm ungeduldig in die Rede, "ich wette, daß alles auf eine wunderliche Einbildung hinausläuft, ihr verderbt Euch beide das Leben mit Euern Fantastereien, Du und Exter."
"So vernehmt es denn," fuhr der Hofrath fort, indem er aufstand von dem Lehnstuhl, und zwischen beide Freunde trat, "so vernehmt es denn, was mich vor Entsetzen und Graus in tiefe Ohn¬ macht warf. Ihr hattet Euch schon alle in dem Saal versammelt, als ich, selbst weiß ich nicht wo¬ durch, angetrieben wurde noch einsam einen Gang durch den Garten zu machen. Unwillkührlich lenkten sich meine Schritte nach dem Wäldchen. Es war mir, als höre ich ein leises, hohles Pochen und eine leise klagende Stimme. -- Die Töne schienen aus dem Pavillon zu kommen -- ich trete näher, die Thür des Pavillons steht offen -- ich erblicke -- mich selbst! -- mich selbst! -- aber so wie ich war vor dreißig Jahren, in demselben Kleide, das ich trug an jenem verhängnißvollen Tage, als ich in trostloser Verzweiflung mein elendes Leben enden wollte, als Julie wie ein Engel des Lichts mir erschien im bräutlichen Schmuck -- es war ihr
Schleier ſchauen ließ — der nahe, vielleicht graͤ߬ liche Tod iſt mir verkuͤndet.“ „So erzaͤhle nur was dir geſchah,“ fiel Rixendorf ihm ungeduldig in die Rede, „ich wette, daß alles auf eine wunderliche Einbildung hinauslaͤuft, ihr verderbt Euch beide das Leben mit Euern Fantaſtereien, Du und Exter.“
„So vernehmt es denn,“ fuhr der Hofrath fort, indem er aufſtand von dem Lehnſtuhl, und zwiſchen beide Freunde trat, „ſo vernehmt es denn, was mich vor Entſetzen und Graus in tiefe Ohn¬ macht warf. Ihr hattet Euch ſchon alle in dem Saal verſammelt, als ich, ſelbſt weiß ich nicht wo¬ durch, angetrieben wurde noch einſam einen Gang durch den Garten zu machen. Unwillkuͤhrlich lenkten ſich meine Schritte nach dem Waͤldchen. Es war mir, als hoͤre ich ein leiſes, hohles Pochen und eine leiſe klagende Stimme. — Die Toͤne ſchienen aus dem Pavillon zu kommen — ich trete naͤher, die Thuͤr des Pavillons ſteht offen — ich erblicke — mich ſelbſt! — mich ſelbſt! — aber ſo wie ich war vor dreißig Jahren, in demſelben Kleide, das ich trug an jenem verhaͤngnißvollen Tage, als ich in troſtloſer Verzweiflung mein elendes Leben enden wollte, als Julie wie ein Engel des Lichts mir erſchien im braͤutlichen Schmuck — es war ihr
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Schleier ſchauen ließ — der nahe, vielleicht graͤ߬
liche Tod iſt mir verkuͤndet.“ „So erzaͤhle nur was
dir geſchah,“ fiel Rixendorf ihm ungeduldig in die
Rede, „ich wette, daß alles auf eine wunderliche
Einbildung hinauslaͤuft, ihr verderbt Euch beide
das Leben mit Euern Fantaſtereien, Du und Exter.“
„So vernehmt es denn,“ fuhr der Hofrath
fort, indem er aufſtand von dem Lehnſtuhl, und
zwiſchen beide Freunde trat, „ſo vernehmt es denn,
was mich vor Entſetzen und Graus in tiefe Ohn¬
macht warf. Ihr hattet Euch ſchon alle in dem
Saal verſammelt, als ich, ſelbſt weiß ich nicht wo¬
durch, angetrieben wurde noch einſam einen
Gang durch den Garten zu machen. Unwillkuͤhrlich
lenkten ſich meine Schritte nach dem Waͤldchen.
Es war mir, als hoͤre ich ein leiſes, hohles Pochen
und eine leiſe klagende Stimme. — Die Toͤne
ſchienen aus dem Pavillon zu kommen — ich trete
naͤher, die Thuͤr des Pavillons ſteht offen — ich
erblicke — mich ſelbſt! — mich ſelbſt! — aber ſo
wie ich war vor dreißig Jahren, in demſelben Kleide,
das ich trug an jenem verhaͤngnißvollen Tage, als
ich in troſtloſer Verzweiflung mein elendes Leben
enden wollte, als Julie wie ein Engel des Lichts mir
erſchien im braͤutlichen Schmuck — es war ihr
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[Hoffmann, E. T. A.]: Nachtstücke. Bd. 2. Berlin, 1817, S. 363. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmann_nachtstuecke02_1817/371>, abgerufen am 24.11.2024.
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