Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Hoffmann, E. T. A.: Das Fräulein von Scuderi. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 1. München, [1871], S. [203]–312. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

Bild:
<< vorherige Seite

ung dieser heimlichen Verbrechen übertrug. Das war die sogenannte Chambre ardente, die ihre Sitzungen unfern der Bastille hielt und welcher la Regnie als Präsident vorstand. Mehrere Zeit hindurch blieben Regnie's Bemühungen, so eifrig sie auch sein mochten, fruchtlos, dem verschlagenen Desgrais war es vorbehalten, den geheimsten Schlupfwinkel des Verbrechens zu entdecken. -- In der Vorstadt St. Germain wohnte ein altes Weib, la Voisin geheißen, die sich mit Wahrsagen und Geisterbeschwören abgab und mit Hülfe ihrer Spießgesellen le Sage und le Vigoureux auch selbst Personen, die eben nicht schwach und leichtgläubig zu nennen, in Furcht und Erstaunen zu setzen wußte. Aber sie that mehr als dieses. Exili's Schülerin, wie la Croix, bereitete sie wie dieser das feine, spurlose Gift und half auf diese Weise ruchlosen Söhnen zur frühen Erbschaft, entarteten Weibern zum andern, jüngern Gemahl. Desgrais drang in ihr Geheimniß ein, sie gestand Alles, die Chambre ardente verurtheilte sie zum Feuertode, den sie auf dem Greveplatze erlitt. Man fand bei ihr eine Liste aller Personen, die sich ihrer Hülfe bedient hatten; und so kam es, daß nicht allein Hinrichtung auf Hinrichtung folgte, sondern auch schwerer Verdacht selbst auf Personen von hohem Ansehen lastete. So glaubte man, daß der Cardinal Bonzy bei der la Voisin das Mittel gefunden, alle Personen, denen er als Erzbischof von Narbonne Pensionen bezahlen mußte, in kurzer Zeit hinsterben zu lassen. So wurden die Herzogin

ung dieser heimlichen Verbrechen übertrug. Das war die sogenannte Chambre ardente, die ihre Sitzungen unfern der Bastille hielt und welcher la Regnie als Präsident vorstand. Mehrere Zeit hindurch blieben Regnie's Bemühungen, so eifrig sie auch sein mochten, fruchtlos, dem verschlagenen Desgrais war es vorbehalten, den geheimsten Schlupfwinkel des Verbrechens zu entdecken. — In der Vorstadt St. Germain wohnte ein altes Weib, la Voisin geheißen, die sich mit Wahrsagen und Geisterbeschwören abgab und mit Hülfe ihrer Spießgesellen le Sage und le Vigoureux auch selbst Personen, die eben nicht schwach und leichtgläubig zu nennen, in Furcht und Erstaunen zu setzen wußte. Aber sie that mehr als dieses. Exili's Schülerin, wie la Croix, bereitete sie wie dieser das feine, spurlose Gift und half auf diese Weise ruchlosen Söhnen zur frühen Erbschaft, entarteten Weibern zum andern, jüngern Gemahl. Desgrais drang in ihr Geheimniß ein, sie gestand Alles, die Chambre ardente verurtheilte sie zum Feuertode, den sie auf dem Greveplatze erlitt. Man fand bei ihr eine Liste aller Personen, die sich ihrer Hülfe bedient hatten; und so kam es, daß nicht allein Hinrichtung auf Hinrichtung folgte, sondern auch schwerer Verdacht selbst auf Personen von hohem Ansehen lastete. So glaubte man, daß der Cardinal Bonzy bei der la Voisin das Mittel gefunden, alle Personen, denen er als Erzbischof von Narbonne Pensionen bezahlen mußte, in kurzer Zeit hinsterben zu lassen. So wurden die Herzogin

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div type="chapter" n="2">
        <p><pb facs="#f0023"/>
ung dieser                heimlichen Verbrechen übertrug. Das war die sogenannte Chambre ardente, die ihre                Sitzungen unfern der Bastille hielt und welcher la Regnie als Präsident vorstand.                Mehrere Zeit hindurch blieben Regnie's Bemühungen, so eifrig sie auch sein mochten,                fruchtlos, dem verschlagenen Desgrais war es vorbehalten, den geheimsten                Schlupfwinkel des Verbrechens zu entdecken. &#x2014; In der Vorstadt St. Germain wohnte ein                altes Weib, la Voisin geheißen, die sich mit Wahrsagen und Geisterbeschwören abgab                und mit Hülfe ihrer Spießgesellen le Sage und le Vigoureux auch selbst Personen, die                eben nicht schwach und leichtgläubig zu nennen, in Furcht und Erstaunen zu setzen                wußte. Aber sie that mehr als dieses. Exili's Schülerin, wie la Croix, bereitete sie                wie dieser das feine, spurlose Gift und half auf diese Weise ruchlosen Söhnen zur                frühen Erbschaft, entarteten Weibern zum andern, jüngern Gemahl. Desgrais drang in                ihr Geheimniß ein, sie gestand Alles, die Chambre ardente verurtheilte sie zum                Feuertode, den sie auf dem Greveplatze erlitt. Man fand bei ihr eine Liste aller                Personen, die sich ihrer Hülfe bedient hatten; und so kam es, daß nicht allein                Hinrichtung auf Hinrichtung folgte, sondern auch schwerer Verdacht selbst auf                Personen von hohem Ansehen lastete. So glaubte man, daß der Cardinal Bonzy bei der la                Voisin das Mittel gefunden, alle Personen, denen er als Erzbischof von Narbonne                Pensionen bezahlen mußte, in kurzer Zeit hinsterben zu lassen. So wurden die Herzogin<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0023] ung dieser heimlichen Verbrechen übertrug. Das war die sogenannte Chambre ardente, die ihre Sitzungen unfern der Bastille hielt und welcher la Regnie als Präsident vorstand. Mehrere Zeit hindurch blieben Regnie's Bemühungen, so eifrig sie auch sein mochten, fruchtlos, dem verschlagenen Desgrais war es vorbehalten, den geheimsten Schlupfwinkel des Verbrechens zu entdecken. — In der Vorstadt St. Germain wohnte ein altes Weib, la Voisin geheißen, die sich mit Wahrsagen und Geisterbeschwören abgab und mit Hülfe ihrer Spießgesellen le Sage und le Vigoureux auch selbst Personen, die eben nicht schwach und leichtgläubig zu nennen, in Furcht und Erstaunen zu setzen wußte. Aber sie that mehr als dieses. Exili's Schülerin, wie la Croix, bereitete sie wie dieser das feine, spurlose Gift und half auf diese Weise ruchlosen Söhnen zur frühen Erbschaft, entarteten Weibern zum andern, jüngern Gemahl. Desgrais drang in ihr Geheimniß ein, sie gestand Alles, die Chambre ardente verurtheilte sie zum Feuertode, den sie auf dem Greveplatze erlitt. Man fand bei ihr eine Liste aller Personen, die sich ihrer Hülfe bedient hatten; und so kam es, daß nicht allein Hinrichtung auf Hinrichtung folgte, sondern auch schwerer Verdacht selbst auf Personen von hohem Ansehen lastete. So glaubte man, daß der Cardinal Bonzy bei der la Voisin das Mittel gefunden, alle Personen, denen er als Erzbischof von Narbonne Pensionen bezahlen mußte, in kurzer Zeit hinsterben zu lassen. So wurden die Herzogin

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-15T11:42:57Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-15T11:42:57Z)

Weitere Informationen:

Bogensignaturen: nicht gekennzeichnet; Druckfehler: dokumentiert; fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet; i/j in Fraktur: keine Angabe; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: nicht gekennzeichnet; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine; rundes r (ꝛ): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: nein; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: keine Angabe; Vokale mit übergest. e: keine Angabe; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: nein;




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmann_scuderi_1910
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmann_scuderi_1910/23
Zitationshilfe: Hoffmann, E. T. A.: Das Fräulein von Scuderi. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 1. München, [1871], S. [203]–312. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmann_scuderi_1910/23>, abgerufen am 03.12.2024.