Hoffmann, E. T. A.: Das Fräulein von Scuderi. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 1. München, [1871], S. [203]–312. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.stören mußte. -- Er ist arm, aber geschickt. -- Es gelingt ihm, die Zuneigung des berühmtesten Meisters zu gewinnen, er liebt die Tochter, der Meister begünstigt seine Liebe, Glück, Wohlstand für sein ganzes Leben wird ihm erschlossen! -- Sei es aber nun, daß, Gott weiß auf welche Weise gereizt, Olivier, vom Zorne übermannt, seinen Wohlthäter, seinen Vater mörderisch anfiel, welche teuflische Heuchelei gehört dazu, nach der That sich so zu betragen, als es wirklich geschah! -- Mit der festen Ueberzeugung von Olivier's Unschuld faßte die Scudery den Entschluß, den unschuldigen Jüngling zu retten, koste es, was es wolle. Es schien ihr, ehe sie die Huld des Königs selbst vielleicht anrufe, am gerathensten, sich an den Präsidenten la Regnie zu wenden, ihn auf alle Umstände, die für Olivier's Unschuld sprechen mußten, aufmerksam zu machen und so vielleicht in des Präsidenten Seele eine innere, dem Angeklagten günstige Ueberzeugung zu erwecken, die sich wohlthätig den Richtern mittheilen sollte. La Regnie empfing die Scudery mit der hohen Achtung, auf die die würdige Dame, von dem Könige selbst hoch geehrt, gerechten Anspruch machen konnte. Er hörte ruhig Alles an, was sie über die entsetzliche That, über Olivier's Verhältnisse, über seinen Charakter vorbrachte. Ein feines, beinahe hämisches Lächeln war indessen Alles, womit er bewies, daß die Betheuerungen, die von häufigen Thränen begleiteten Ermahnungen, wie jeder Richter nicht der Feind des Angeklagten sein, son- stören mußte. — Er ist arm, aber geschickt. — Es gelingt ihm, die Zuneigung des berühmtesten Meisters zu gewinnen, er liebt die Tochter, der Meister begünstigt seine Liebe, Glück, Wohlstand für sein ganzes Leben wird ihm erschlossen! — Sei es aber nun, daß, Gott weiß auf welche Weise gereizt, Olivier, vom Zorne übermannt, seinen Wohlthäter, seinen Vater mörderisch anfiel, welche teuflische Heuchelei gehört dazu, nach der That sich so zu betragen, als es wirklich geschah! — Mit der festen Ueberzeugung von Olivier's Unschuld faßte die Scudery den Entschluß, den unschuldigen Jüngling zu retten, koste es, was es wolle. Es schien ihr, ehe sie die Huld des Königs selbst vielleicht anrufe, am gerathensten, sich an den Präsidenten la Regnie zu wenden, ihn auf alle Umstände, die für Olivier's Unschuld sprechen mußten, aufmerksam zu machen und so vielleicht in des Präsidenten Seele eine innere, dem Angeklagten günstige Ueberzeugung zu erwecken, die sich wohlthätig den Richtern mittheilen sollte. La Regnie empfing die Scudery mit der hohen Achtung, auf die die würdige Dame, von dem Könige selbst hoch geehrt, gerechten Anspruch machen konnte. Er hörte ruhig Alles an, was sie über die entsetzliche That, über Olivier's Verhältnisse, über seinen Charakter vorbrachte. Ein feines, beinahe hämisches Lächeln war indessen Alles, womit er bewies, daß die Betheuerungen, die von häufigen Thränen begleiteten Ermahnungen, wie jeder Richter nicht der Feind des Angeklagten sein, son- <TEI> <text> <body> <div type="chapter" n="3"> <p><pb facs="#f0057"/> stören mußte. — Er ist arm, aber geschickt. — Es gelingt ihm, die Zuneigung des berühmtesten Meisters zu gewinnen, er liebt die Tochter, der Meister begünstigt seine Liebe, Glück, Wohlstand für sein ganzes Leben wird ihm erschlossen! — Sei es aber nun, daß, Gott weiß auf welche Weise gereizt, Olivier, vom Zorne übermannt, seinen Wohlthäter, seinen Vater mörderisch anfiel, welche teuflische Heuchelei gehört dazu, nach der That sich so zu betragen, als es wirklich geschah! — Mit der festen Ueberzeugung von Olivier's Unschuld faßte die Scudery den Entschluß, den unschuldigen Jüngling zu retten, koste es, was es wolle.</p><lb/> <p>Es schien ihr, ehe sie die Huld des Königs selbst vielleicht anrufe, am gerathensten, sich an den Präsidenten la Regnie zu wenden, ihn auf alle Umstände, die für Olivier's Unschuld sprechen mußten, aufmerksam zu machen und so vielleicht in des Präsidenten Seele eine innere, dem Angeklagten günstige Ueberzeugung zu erwecken, die sich wohlthätig den Richtern mittheilen sollte.</p><lb/> <p>La Regnie empfing die Scudery mit der hohen Achtung, auf die die würdige Dame, von dem Könige selbst hoch geehrt, gerechten Anspruch machen konnte. Er hörte ruhig Alles an, was sie über die entsetzliche That, über Olivier's Verhältnisse, über seinen Charakter vorbrachte. Ein feines, beinahe hämisches Lächeln war indessen Alles, womit er bewies, daß die Betheuerungen, die von häufigen Thränen begleiteten Ermahnungen, wie jeder Richter nicht der Feind des Angeklagten sein, son-<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [0057]
stören mußte. — Er ist arm, aber geschickt. — Es gelingt ihm, die Zuneigung des berühmtesten Meisters zu gewinnen, er liebt die Tochter, der Meister begünstigt seine Liebe, Glück, Wohlstand für sein ganzes Leben wird ihm erschlossen! — Sei es aber nun, daß, Gott weiß auf welche Weise gereizt, Olivier, vom Zorne übermannt, seinen Wohlthäter, seinen Vater mörderisch anfiel, welche teuflische Heuchelei gehört dazu, nach der That sich so zu betragen, als es wirklich geschah! — Mit der festen Ueberzeugung von Olivier's Unschuld faßte die Scudery den Entschluß, den unschuldigen Jüngling zu retten, koste es, was es wolle.
Es schien ihr, ehe sie die Huld des Königs selbst vielleicht anrufe, am gerathensten, sich an den Präsidenten la Regnie zu wenden, ihn auf alle Umstände, die für Olivier's Unschuld sprechen mußten, aufmerksam zu machen und so vielleicht in des Präsidenten Seele eine innere, dem Angeklagten günstige Ueberzeugung zu erwecken, die sich wohlthätig den Richtern mittheilen sollte.
La Regnie empfing die Scudery mit der hohen Achtung, auf die die würdige Dame, von dem Könige selbst hoch geehrt, gerechten Anspruch machen konnte. Er hörte ruhig Alles an, was sie über die entsetzliche That, über Olivier's Verhältnisse, über seinen Charakter vorbrachte. Ein feines, beinahe hämisches Lächeln war indessen Alles, womit er bewies, daß die Betheuerungen, die von häufigen Thränen begleiteten Ermahnungen, wie jeder Richter nicht der Feind des Angeklagten sein, son-
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Zitationshilfe: | Hoffmann, E. T. A.: Das Fräulein von Scuderi. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 1. München, [1871], S. [203]–312. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmann_scuderi_1910/57>, abgerufen am 16.02.2025. |