Hoffmann, E. T. A.: Das Fräulein von Scuderi. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 1. München, [1871], S. [203]–312. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.erdrückt, starb er in dem Augenblick, als es ihm gelungen war, mich bei einem Goldschmied als Lehrjungen unterzubringen. Meine Mutter sprach viel von Euch, sie wollte Euch Alles klagen, aber dann überfiel sie die Muthlosigkeit, welche vom Elend erzeugt wird. Das und auch wohl falsche Scham, die oft an dem todtwunden Gemüthe nagt, hielt sie von ihrem Entschluß zurück. Wenige Monden nach dem Tode meines Vaters folgte ihm meine Mutter in's Grab. -- Arme Anne! arme Anne! rief die Scudery vom Schmerz überwältigt. -- Dank und Preis der ewigen Macht des Himmels, daß sie hinüber ist und nicht fallen sieht, den geliebten Sohn unter der Hand des Henkers, mit Schande gebrandmarkt! So schrie Olivier laut auf, indem er einen wilden, entsetzlichen Blick in die Höhe warf. Es wurde draußen unruhig, man ging hin und her. Ho, ho, sprach Olivier mit einem bitteren Lächeln, Desgrais weckt seine Spießgesellen, als ob ich hier entfliehen könnte. Doch weiter! Ich wurde von meinem Meister hart gehalten, unerachtet ich bald am Besten arbeitete, ja wohl endlich den Meister weit übertraf. Es begab sich, daß einst ein Fremder in unsere Werkstatt kam, um einiges Geschmeide zu kaufen. Als Der nun einen schönen Halsschmuck sah, den ich gearbeitet, klopfte er mir mit freundlicher Miene auf die Schuldern, indem er, den Schmuck beäugelnd, sprach: Ei, ei, mein junger Freund, das ist ja ganz vortreffliche Arbeit. Ich wüßte in der That nicht, wer Euch noch anders übertreffen sollte, als Rene erdrückt, starb er in dem Augenblick, als es ihm gelungen war, mich bei einem Goldschmied als Lehrjungen unterzubringen. Meine Mutter sprach viel von Euch, sie wollte Euch Alles klagen, aber dann überfiel sie die Muthlosigkeit, welche vom Elend erzeugt wird. Das und auch wohl falsche Scham, die oft an dem todtwunden Gemüthe nagt, hielt sie von ihrem Entschluß zurück. Wenige Monden nach dem Tode meines Vaters folgte ihm meine Mutter in's Grab. — Arme Anne! arme Anne! rief die Scudery vom Schmerz überwältigt. — Dank und Preis der ewigen Macht des Himmels, daß sie hinüber ist und nicht fallen sieht, den geliebten Sohn unter der Hand des Henkers, mit Schande gebrandmarkt! So schrie Olivier laut auf, indem er einen wilden, entsetzlichen Blick in die Höhe warf. Es wurde draußen unruhig, man ging hin und her. Ho, ho, sprach Olivier mit einem bitteren Lächeln, Desgrais weckt seine Spießgesellen, als ob ich hier entfliehen könnte. Doch weiter! Ich wurde von meinem Meister hart gehalten, unerachtet ich bald am Besten arbeitete, ja wohl endlich den Meister weit übertraf. Es begab sich, daß einst ein Fremder in unsere Werkstatt kam, um einiges Geschmeide zu kaufen. Als Der nun einen schönen Halsschmuck sah, den ich gearbeitet, klopfte er mir mit freundlicher Miene auf die Schuldern, indem er, den Schmuck beäugelnd, sprach: Ei, ei, mein junger Freund, das ist ja ganz vortreffliche Arbeit. Ich wüßte in der That nicht, wer Euch noch anders übertreffen sollte, als René <TEI> <text> <body> <div type="chapter" n="3"> <p><pb facs="#f0073"/> erdrückt, starb er in dem Augenblick, als es ihm gelungen war, mich bei einem Goldschmied als Lehrjungen unterzubringen. Meine Mutter sprach viel von Euch, sie wollte Euch Alles klagen, aber dann überfiel sie die Muthlosigkeit, welche vom Elend erzeugt wird. Das und auch wohl falsche Scham, die oft an dem todtwunden Gemüthe nagt, hielt sie von ihrem Entschluß zurück. Wenige Monden nach dem Tode meines Vaters folgte ihm meine Mutter in's Grab. — Arme Anne! arme Anne! rief die Scudery vom Schmerz überwältigt. — Dank und Preis der ewigen Macht des Himmels, daß sie hinüber ist und nicht fallen sieht, den geliebten Sohn unter der Hand des Henkers, mit Schande gebrandmarkt! So schrie Olivier laut auf, indem er einen wilden, entsetzlichen Blick in die Höhe warf. Es wurde draußen unruhig, man ging hin und her. Ho, ho, sprach Olivier mit einem bitteren Lächeln, Desgrais weckt seine Spießgesellen, als ob ich <hi rendition="#g">hier</hi> entfliehen könnte. Doch weiter! Ich wurde von meinem Meister hart gehalten, unerachtet ich bald am Besten arbeitete, ja wohl endlich den Meister weit übertraf. Es begab sich, daß einst ein Fremder in unsere Werkstatt kam, um einiges Geschmeide zu kaufen. Als Der nun einen schönen Halsschmuck sah, den ich gearbeitet, klopfte er mir mit freundlicher Miene auf die Schuldern, indem er, den Schmuck beäugelnd, sprach: Ei, ei, mein junger Freund, das ist ja ganz vortreffliche Arbeit. Ich wüßte in der That nicht, wer Euch noch anders übertreffen sollte, als René<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [0073]
erdrückt, starb er in dem Augenblick, als es ihm gelungen war, mich bei einem Goldschmied als Lehrjungen unterzubringen. Meine Mutter sprach viel von Euch, sie wollte Euch Alles klagen, aber dann überfiel sie die Muthlosigkeit, welche vom Elend erzeugt wird. Das und auch wohl falsche Scham, die oft an dem todtwunden Gemüthe nagt, hielt sie von ihrem Entschluß zurück. Wenige Monden nach dem Tode meines Vaters folgte ihm meine Mutter in's Grab. — Arme Anne! arme Anne! rief die Scudery vom Schmerz überwältigt. — Dank und Preis der ewigen Macht des Himmels, daß sie hinüber ist und nicht fallen sieht, den geliebten Sohn unter der Hand des Henkers, mit Schande gebrandmarkt! So schrie Olivier laut auf, indem er einen wilden, entsetzlichen Blick in die Höhe warf. Es wurde draußen unruhig, man ging hin und her. Ho, ho, sprach Olivier mit einem bitteren Lächeln, Desgrais weckt seine Spießgesellen, als ob ich hier entfliehen könnte. Doch weiter! Ich wurde von meinem Meister hart gehalten, unerachtet ich bald am Besten arbeitete, ja wohl endlich den Meister weit übertraf. Es begab sich, daß einst ein Fremder in unsere Werkstatt kam, um einiges Geschmeide zu kaufen. Als Der nun einen schönen Halsschmuck sah, den ich gearbeitet, klopfte er mir mit freundlicher Miene auf die Schuldern, indem er, den Schmuck beäugelnd, sprach: Ei, ei, mein junger Freund, das ist ja ganz vortreffliche Arbeit. Ich wüßte in der That nicht, wer Euch noch anders übertreffen sollte, als René
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Zitationshilfe: | Hoffmann, E. T. A.: Das Fräulein von Scuderi. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 1. München, [1871], S. [203]–312. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmann_scuderi_1910/73>, abgerufen am 16.02.2025. |