Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Hoffmann, E. T. A.: Das Fräulein von Scuderi. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 1. München, [1871], S. [203]–312. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

Bild:
<< vorherige Seite

ich falle über ihn her, er schreit auf, doch von hinten festgepackt, stoße ich ihm den Dolch ins Herz -- der Schmuck ist mein! -- Dies gethan, fühlte ich eine Ruhe, eine Zufriedenheit in meiner Seele, wie sonst niemals. Das Gespenst war verschwunden, die Stimme des Satans schwieg. Nun wußte ich, was mein böser Stern wollte, ich mußt' ihm nachgeben oder untergehen. Du begreifst jetzt mein ganzes Thun und Treiben, Olivier! Glaube nicht, daß ich darum, weil ich thun muß, was ich nicht lassen kann, jenem Gefühl des Mitleids, des Erbarmens, was in der Natur des Menschen bedingt sein soll, rein entsagt habe. Du weißt, wie schwer es mir wird, einen Schmuck abzuliefern; wie ich für Manche, deren Tod ich nicht will, gar nicht arbeite, ja wie ich sogar, weiß ich, daß am morgenden Tage Blut mein Gespenst verbannen wird, heute es bei einem tüchtigen Faustschlage bewenden lasse, der den Besitzer meines Kleinods zu Boden streckt und mir dieses in die Hand liefert. -- Dies alles gesprochen, führte mich Cardillac in das geheime Gewölbe und gönnte mir den Anblick seines Juwelen-Cabinets. Der König besitzt es nicht reicher. Bei jedem Schmuck war auf einem kleinen daran gehängten Zettel genau bemerkt, für wen es gearbeitet, wann es durch Diebstahl, Raub oder Mord genommen worden. An deinem Hochzeitstage, sprach Cardillac dumpf und feierlich, an deinem Hochzeitstage, Olivier, wirst du mir, die Hand gelegt auf des gekreuzigten Christus Bild, einen heiligen Eid schwören, so

ich falle über ihn her, er schreit auf, doch von hinten festgepackt, stoße ich ihm den Dolch ins Herz — der Schmuck ist mein! — Dies gethan, fühlte ich eine Ruhe, eine Zufriedenheit in meiner Seele, wie sonst niemals. Das Gespenst war verschwunden, die Stimme des Satans schwieg. Nun wußte ich, was mein böser Stern wollte, ich mußt' ihm nachgeben oder untergehen. Du begreifst jetzt mein ganzes Thun und Treiben, Olivier! Glaube nicht, daß ich darum, weil ich thun muß, was ich nicht lassen kann, jenem Gefühl des Mitleids, des Erbarmens, was in der Natur des Menschen bedingt sein soll, rein entsagt habe. Du weißt, wie schwer es mir wird, einen Schmuck abzuliefern; wie ich für Manche, deren Tod ich nicht will, gar nicht arbeite, ja wie ich sogar, weiß ich, daß am morgenden Tage Blut mein Gespenst verbannen wird, heute es bei einem tüchtigen Faustschlage bewenden lasse, der den Besitzer meines Kleinods zu Boden streckt und mir dieses in die Hand liefert. — Dies alles gesprochen, führte mich Cardillac in das geheime Gewölbe und gönnte mir den Anblick seines Juwelen-Cabinets. Der König besitzt es nicht reicher. Bei jedem Schmuck war auf einem kleinen daran gehängten Zettel genau bemerkt, für wen es gearbeitet, wann es durch Diebstahl, Raub oder Mord genommen worden. An deinem Hochzeitstage, sprach Cardillac dumpf und feierlich, an deinem Hochzeitstage, Olivier, wirst du mir, die Hand gelegt auf des gekreuzigten Christus Bild, einen heiligen Eid schwören, so

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div type="chapter" n="3">
        <p><pb facs="#f0088"/>
ich falle über ihn her, er schreit auf, doch von hinten                festgepackt, stoße ich ihm den Dolch ins Herz &#x2014; der Schmuck ist mein! &#x2014; Dies gethan,                fühlte ich eine Ruhe, eine Zufriedenheit in meiner Seele, wie sonst niemals. Das                Gespenst war verschwunden, die Stimme des Satans schwieg. Nun wußte ich, was mein                böser Stern wollte, ich mußt' ihm nachgeben oder untergehen. Du begreifst jetzt mein                ganzes Thun und Treiben, Olivier! Glaube nicht, daß ich darum, weil ich thun muß, was                ich nicht lassen kann, jenem Gefühl des Mitleids, des Erbarmens, was in der Natur des                Menschen bedingt sein soll, rein entsagt habe. Du weißt, wie schwer es mir wird,                einen Schmuck abzuliefern; wie ich für Manche, deren Tod ich nicht will, gar nicht                arbeite, ja wie ich sogar, weiß ich, daß am morgenden Tage Blut mein Gespenst                verbannen wird, heute es bei einem tüchtigen Faustschlage bewenden lasse, der den                Besitzer meines Kleinods zu Boden streckt und mir dieses in die Hand liefert. &#x2014; Dies                alles gesprochen, führte mich Cardillac in das geheime Gewölbe und gönnte mir den                Anblick seines Juwelen-Cabinets. Der König besitzt es nicht reicher. Bei jedem                Schmuck war auf einem kleinen daran gehängten Zettel genau bemerkt, für wen es                gearbeitet, wann es durch Diebstahl, Raub oder Mord genommen worden. An deinem                Hochzeitstage, sprach Cardillac dumpf und feierlich, an deinem Hochzeitstage,                Olivier, wirst du mir, die Hand gelegt auf des gekreuzigten Christus Bild, einen                heiligen Eid schwören, so<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0088] ich falle über ihn her, er schreit auf, doch von hinten festgepackt, stoße ich ihm den Dolch ins Herz — der Schmuck ist mein! — Dies gethan, fühlte ich eine Ruhe, eine Zufriedenheit in meiner Seele, wie sonst niemals. Das Gespenst war verschwunden, die Stimme des Satans schwieg. Nun wußte ich, was mein böser Stern wollte, ich mußt' ihm nachgeben oder untergehen. Du begreifst jetzt mein ganzes Thun und Treiben, Olivier! Glaube nicht, daß ich darum, weil ich thun muß, was ich nicht lassen kann, jenem Gefühl des Mitleids, des Erbarmens, was in der Natur des Menschen bedingt sein soll, rein entsagt habe. Du weißt, wie schwer es mir wird, einen Schmuck abzuliefern; wie ich für Manche, deren Tod ich nicht will, gar nicht arbeite, ja wie ich sogar, weiß ich, daß am morgenden Tage Blut mein Gespenst verbannen wird, heute es bei einem tüchtigen Faustschlage bewenden lasse, der den Besitzer meines Kleinods zu Boden streckt und mir dieses in die Hand liefert. — Dies alles gesprochen, führte mich Cardillac in das geheime Gewölbe und gönnte mir den Anblick seines Juwelen-Cabinets. Der König besitzt es nicht reicher. Bei jedem Schmuck war auf einem kleinen daran gehängten Zettel genau bemerkt, für wen es gearbeitet, wann es durch Diebstahl, Raub oder Mord genommen worden. An deinem Hochzeitstage, sprach Cardillac dumpf und feierlich, an deinem Hochzeitstage, Olivier, wirst du mir, die Hand gelegt auf des gekreuzigten Christus Bild, einen heiligen Eid schwören, so

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-15T11:42:57Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-15T11:42:57Z)

Weitere Informationen:

Bogensignaturen: nicht gekennzeichnet; Druckfehler: dokumentiert; fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet; i/j in Fraktur: keine Angabe; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: nicht gekennzeichnet; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine; rundes r (ꝛ): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: nein; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: keine Angabe; Vokale mit übergest. e: keine Angabe; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: nein;




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmann_scuderi_1910
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmann_scuderi_1910/88
Zitationshilfe: Hoffmann, E. T. A.: Das Fräulein von Scuderi. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 1. München, [1871], S. [203]–312. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmann_scuderi_1910/88>, abgerufen am 21.11.2024.