Hoffmannswaldau, Christian Hoffmann von: Herrn von Hoffmannswaldau und andrer Deutschen auserlesene und bißher ungedruckte Gedichte. [Bd. 1]. Leipzig, 1695.
An Herrn D. Wegnern in Franckfurt an der Oder/ als demselben zwey wohlgerathene söhne starben. MEin Herr/ wann durch die last/ der auffgelegten bürde Sein hertze thränen-saltz/ das saltz zu blute würde/ So könte dieses wohl ein zeugniß seiner pein/ Doch keine schilderey so grosser schmertzen seyn. Denn wem ist nicht bekandt/ wie man um freunde trauret? Wie lange der verlust von einem kinde dauret? Zwey aber auff einmahl/ scheint warlich allzuviel/ Wenn sie des himmels schluß und sein verborgnes ziel Aus unsern augen reist: Noch mehr/ wann ihre gaben Als wunderwercke sich der welt gewiesen haben/ Und sie ein vater schon auff erden so erhöht/ Daß ihrer jugend baum in vollen früchten steht. Doch sein gesetztes hertz/ das die gedult regieret/ Wird durch den donnerschlag des todes zwar gerühret/ Nicht aber unterdrückt; denn seine seele denckt/ Daß GOtt und himmel offt im giffte zucker schenckt. Er hat mit saurer müh den einen lehren müssen/ Wie auch ein tauber kan der reden deutung wissen. Den andern hat er gar durch fleiß dahin gebracht/ Daß er sich vor der zeit durch sprachen groß gemacht. Allein der höchste will die lehre selbst vollenden/ Drum müssen beyde sich in seine schule wenden: Er aber giebet sich mit grossen ruhme drein; Weil hier auff erden doch nur lauter pfuscher seyn. An
An Herrn D. Wegnern in Franckfurt an der Oder/ als demſelben zwey wohlgerathene ſoͤhne ſtarben. MEin Herr/ wann durch die laſt/ der auffgelegten buͤrde Sein hertze thraͤnen-ſaltz/ das ſaltz zu blute wuͤrde/ So koͤnte dieſes wohl ein zeugniß ſeiner pein/ Doch keine ſchilderey ſo groſſer ſchmertzen ſeyn. Denn wem iſt nicht bekandt/ wie man um freunde trauret? Wie lange der verluſt von einem kinde dauret? Zwey aber auff einmahl/ ſcheint warlich allzuviel/ Wenn ſie des himmels ſchluß und ſein verborgnes ziel Aus unſern augen reiſt: Noch mehr/ wann ihre gaben Als wunderwercke ſich der welt gewieſen haben/ Und ſie ein vater ſchon auff erden ſo erhoͤht/ Daß ihrer jugend baum in vollen fruͤchten ſteht. Doch ſein geſetztes hertz/ das die gedult regieret/ Wird durch den donnerſchlag des todes zwar geruͤhret/ Nicht aber unterdruͤckt; denn ſeine ſeele denckt/ Daß GOtt und himmel offt im giffte zucker ſchenckt. Er hat mit ſaurer muͤh den einen lehren muͤſſen/ Wie auch ein tauber kan der reden deutung wiſſen. Den andern hat er gar durch fleiß dahin gebracht/ Daß er ſich vor der zeit durch ſprachen groß gemacht. Allein der hoͤchſte will die lehre ſelbſt vollenden/ Drum muͤſſen beyde ſich in ſeine ſchule wenden: Er aber giebet ſich mit groſſen ruhme drein; Weil hier auff erden doch nur lauter pfuſcher ſeyn. An
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Begraͤbniß-Gedichte.
Soll ſie noch laͤnger hier auff erden elend ſeyn?
Soll ſie noch einmahl ſich vom tode martern laſſen?
Ach! goͤnnet andern diß/ die GOtt und himmel haſſen/
Und ſtimmet itzt mit mir in dieſe lieder ein:
Wohl iedem/ welcher ſo wie Leonora fliehet/
Wie Leonora ſchweigt/ wie Leonora bluͤhet!
An Herrn D. Wegnern in Franckfurt
an der Oder/ als demſelben zwey wohlgerathene
ſoͤhne ſtarben.
B. N.
MEin Herr/ wann durch die laſt/ der auffgelegten buͤrde
Sein hertze thraͤnen-ſaltz/ das ſaltz zu blute wuͤrde/
So koͤnte dieſes wohl ein zeugniß ſeiner pein/
Doch keine ſchilderey ſo groſſer ſchmertzen ſeyn.
Denn wem iſt nicht bekandt/ wie man um freunde trauret?
Wie lange der verluſt von einem kinde dauret?
Zwey aber auff einmahl/ ſcheint warlich allzuviel/
Wenn ſie des himmels ſchluß und ſein verborgnes ziel
Aus unſern augen reiſt: Noch mehr/ wann ihre gaben
Als wunderwercke ſich der welt gewieſen haben/
Und ſie ein vater ſchon auff erden ſo erhoͤht/
Daß ihrer jugend baum in vollen fruͤchten ſteht.
Doch ſein geſetztes hertz/ das die gedult regieret/
Wird durch den donnerſchlag des todes zwar geruͤhret/
Nicht aber unterdruͤckt; denn ſeine ſeele denckt/
Daß GOtt und himmel offt im giffte zucker ſchenckt.
Er hat mit ſaurer muͤh den einen lehren muͤſſen/
Wie auch ein tauber kan der reden deutung wiſſen.
Den andern hat er gar durch fleiß dahin gebracht/
Daß er ſich vor der zeit durch ſprachen groß gemacht.
Allein der hoͤchſte will die lehre ſelbſt vollenden/
Drum muͤſſen beyde ſich in ſeine ſchule wenden:
Er aber giebet ſich mit groſſen ruhme drein;
Weil hier auff erden doch nur lauter pfuſcher ſeyn.
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