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Hoffmannswaldau, Christian Hoffmann von: Herrn von Hoffmannswaldau und andrer Deutschen auserlesene und bißher ungedruckte Gedichte. [Bd. 1]. Leipzig, 1695.

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Verliebte Arien.
So du dich selbst kanst lieben/
So nimm die warnung an/
Die ich dir itzt gethan.
Ich werde mich betrüben/
So diese rose stirbt/
Und ohne lust verdirbt.

WIe lange soll noch meine pein/
Durch dich/ o grausame Caliste/
In der verzweifflungs öden wüste
Ein abgematter pilgrim seyn?
Die zeit verlieret jahr um jahr/
Daß ich nach meinem tod wallfahrte/
Und auff die letztere gefahr/
Als bote/ den du schickst/ auff deine botschafft warte.
Zwar klag ichs nicht der höhnschen welt/
Ich kleide mich mit stillem kummer:
Doch glaube daß ein ieder schlummer
Mir deinen zorn für augen stellt.
Lacht gleich die lippe manches mahl/
Nur frölich vor der welt zuscheinen;
Ist doch das hertz ein trauer-saal/
Wo die gedancken mich als leiche schon beweinen.
Mein gantzes leben streicht dahin
In meynung bald nicht mehr zu leben:
Und was mir einen trost soll geben/
Spricht: daß ich noch mehr würdig bin.
Ich sterbe täglich ohne todt/
Der kalte schweiß auff meinen wangen
Ist zwar ein vorbot dieser noth.
Nur daß den letzten stoß ich noch nicht kan empfangen.
Ich scheu mich für dem tode nicht/
Nur daurt es mich dich zu verlassen/
Und durch das traurige verblassen
Zu meiden deiner augen licht.
Mein leben lieb ich/ weil du lebst/
Daß ich in solchem dich kan lieben/
Denn weil du meinen leib begräbst/
Ist weder lust noch schertz der aschen überblieben.
Caliste
U 3
Verliebte Arien.
So du dich ſelbſt kanſt lieben/
So nimm die warnung an/
Die ich dir itzt gethan.
Ich werde mich betruͤben/
So dieſe roſe ſtirbt/
Und ohne luſt verdirbt.

WIe lange ſoll noch meine pein/
Durch dich/ o grauſame Caliſte/
In der verzweifflungs oͤden wuͤſte
Ein abgematter pilgrim ſeyn?
Die zeit verlieret jahr um jahr/
Daß ich nach meinem tod wallfahrte/
Und auff die letztere gefahr/
Als bote/ den du ſchickſt/ auff deine botſchafft warte.
Zwar klag ichs nicht der hoͤhnſchen welt/
Ich kleide mich mit ſtillem kummer:
Doch glaube daß ein ieder ſchlummer
Mir deinen zorn fuͤr augen ſtellt.
Lacht gleich die lippe manches mahl/
Nur froͤlich vor der welt zuſcheinen;
Iſt doch das hertz ein trauer-ſaal/
Wo die gedancken mich als leiche ſchon beweinen.
Mein gantzes leben ſtreicht dahin
In meynung bald nicht mehr zu leben:
Und was mir einen troſt ſoll geben/
Spricht: daß ich noch mehr wuͤrdig bin.
Ich ſterbe taͤglich ohne todt/
Der kalte ſchweiß auff meinen wangen
Iſt zwar ein vorbot dieſer noth.
Nur daß den letzten ſtoß ich noch nicht kan empfangen.
Ich ſcheu mich fuͤr dem tode nicht/
Nur daurt es mich dich zu verlaſſen/
Und durch das traurige verblaſſen
Zu meiden deiner augen licht.
Mein leben lieb ich/ weil du lebſt/
Daß ich in ſolchem dich kan lieben/
Denn weil du meinen leib begraͤbſt/
Iſt weder luſt noch ſchertz der aſchen uͤberblieben.
Caliſte
U 3
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[309/0353] Verliebte Arien. So du dich ſelbſt kanſt lieben/ So nimm die warnung an/ Die ich dir itzt gethan. Ich werde mich betruͤben/ So dieſe roſe ſtirbt/ Und ohne luſt verdirbt. C. H. V. H. WIe lange ſoll noch meine pein/ Durch dich/ o grauſame Caliſte/ In der verzweifflungs oͤden wuͤſte Ein abgematter pilgrim ſeyn? Die zeit verlieret jahr um jahr/ Daß ich nach meinem tod wallfahrte/ Und auff die letztere gefahr/ Als bote/ den du ſchickſt/ auff deine botſchafft warte. Zwar klag ichs nicht der hoͤhnſchen welt/ Ich kleide mich mit ſtillem kummer: Doch glaube daß ein ieder ſchlummer Mir deinen zorn fuͤr augen ſtellt. Lacht gleich die lippe manches mahl/ Nur froͤlich vor der welt zuſcheinen; Iſt doch das hertz ein trauer-ſaal/ Wo die gedancken mich als leiche ſchon beweinen. Mein gantzes leben ſtreicht dahin In meynung bald nicht mehr zu leben: Und was mir einen troſt ſoll geben/ Spricht: daß ich noch mehr wuͤrdig bin. Ich ſterbe taͤglich ohne todt/ Der kalte ſchweiß auff meinen wangen Iſt zwar ein vorbot dieſer noth. Nur daß den letzten ſtoß ich noch nicht kan empfangen. Ich ſcheu mich fuͤr dem tode nicht/ Nur daurt es mich dich zu verlaſſen/ Und durch das traurige verblaſſen Zu meiden deiner augen licht. Mein leben lieb ich/ weil du lebſt/ Daß ich in ſolchem dich kan lieben/ Denn weil du meinen leib begraͤbſt/ Iſt weder luſt noch ſchertz der aſchen uͤberblieben. Caliſte U 3

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Zitationshilfe: Hoffmannswaldau, Christian Hoffmann von: Herrn von Hoffmannswaldau und andrer Deutschen auserlesene und bißher ungedruckte Gedichte. [Bd. 1]. Leipzig, 1695, S. 309. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmannswaldau_gedichte01_1695/353>, abgerufen am 18.06.2024.