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Hofmann von Hofmannswaldau, Christian: Herrn von Hofmannswaldau und anderer Deutschen auserlesener und bißher ungedruckter Gedichte anderer Theil. Leipzig, 1697.

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Hochzeit-Gedichte.
Den schleier ließ sie um die zarten schultern hangen/
Dadurch er die gestalt bewegter fluth gewan.
Den alabaster hals hielt eine schnur umfasset
Von perln aus morgen-land/ vor deren glantz erblasset
Die gröste pracht der welt. Jhr braungelocktes haar
Schwam auf dem anmuths-see der reinen liljen-brüste/
Jhr gantzes wesen schien ein paradieß der lüste/
Da lieb und majestät durch huld verknüpffet war.
Zu ihren süssen saß der kleine welt-regierer/
Das weit berühmte kind/ der blinde seelen-führer/
Der in entzückungs-krafft der schönen mutter gleicht.
Sein holder rücken trug die wollust-reichen waffen/
Die er (der trägen welt erhitzten muth zu schaffen)
Jm theuren ambra-safft aus Cypris becher weicht.
Ach mutter fieng er an (und küsset ihre hände)
Sind auff der gantzen welt auch festre seelen-bände/
Als die ein schönes aug aus seinen strahlen flicht?
Der demant schneidet glaß/ glut kan durch eisen dringen/
Hingegen beydes kan theils fluth/ theils hammer zwingen/
Was aber ist das sonst durch seel und geister bricht?
Sie sind der heisse brunn/ da blitz und feuer quillet/
Der ort da krieg und sieg mit anmuth sich umhüllet/
Der platz da freundligkeit und schönheit selber wacht.
Sie reden ohne wort/ man kan aus ihnen sehen/
Wann hoffnung/ lieb und furcht durch hertz und sinnen gehen/
Was lieben heist/ ist erst durch sie nur auffgebracht.
Doch siegt die schönheit nicht/ wo nicht die mund-rubinen
Jn ihrem seelen-krieg als treue kämpffer dienen/
Dieweil ihr purpur auch voll brand und flammen steckt.
Um diese rosen fleust der thau verliebter seelen/
Die zimmetreiche lust der warmen lippen-höhlen
Hat manchen schwachen geist zur munterkeit erweckt.
Hier ist das lust-revier/ wo sich die seelen küssen/
Wann zwey verliebete mit lippen lippen schliessen.
Der reine götter-tranck gleicht nicht der liebligkeit/
Die hier die freundligkeit aus schönheits schalen schencket.
Hier
K 5
Hochzeit-Gedichte.
Den ſchleier ließ ſie um die zarten ſchultern hangen/
Dadurch er die geſtalt bewegter fluth gewan.
Den alabaſter hals hielt eine ſchnur umfaſſet
Von perln aus morgen-land/ vor deren glantz erblaſſet
Die groͤſte pracht der welt. Jhr braungelocktes haar
Schwam auf dem anmuths-ſee der reinen liljen-bruͤſte/
Jhr gantzes weſen ſchien ein paradieß der luͤſte/
Da lieb und majeſtaͤt durch huld verknuͤpffet war.
Zu ihren ſuͤſſen ſaß der kleine welt-regierer/
Das weit beruͤhmte kind/ der blinde ſeelen-fuͤhrer/
Der in entzuͤckungs-krafft der ſchoͤnen mutter gleicht.
Sein holder ruͤcken trug die wolluſt-reichen waffen/
Die er (der traͤgen welt erhitzten muth zu ſchaffen)
Jm theuren ambra-ſafft aus Cypris becher weicht.
Ach mutter fieng er an (und kuͤſſet ihre haͤnde)
Sind auff der gantzen welt auch feſtre ſeelen-baͤnde/
Als die ein ſchoͤnes aug aus ſeinen ſtrahlen flicht?
Der demant ſchneidet glaß/ glut kan durch eiſen dringen/
Hingegen beydes kan theils fluth/ theils hammer zwingen/
Was aber iſt das ſonſt durch ſeel und geiſter bricht?
Sie ſind der heiſſe brunn/ da blitz und feuer quillet/
Der ort da krieg und ſieg mit anmuth ſich umhuͤllet/
Der platz da freundligkeit und ſchoͤnheit ſelber wacht.
Sie reden ohne wort/ man kan aus ihnen ſehen/
Wann hoffnung/ lieb und furcht durch hertz und ſinnen gehen/
Was lieben heiſt/ iſt erſt durch ſie nur auffgebracht.
Doch ſiegt die ſchoͤnheit nicht/ wo nicht die mund-rubinen
Jn ihrem ſeelen-krieg als treue kaͤmpffer dienen/
Dieweil ihr purpur auch voll brand und flammen ſteckt.
Um dieſe roſen fleuſt der thau verliebter ſeelen/
Die zimmetreiche luſt der warmen lippen-hoͤhlen
Hat manchen ſchwachen geiſt zur munterkeit erweckt.
Hier iſt das luſt-revier/ wo ſich die ſeelen kuͤſſen/
Wann zwey verliebete mit lippen lippen ſchlieſſen.
Der reine goͤtter-tranck gleicht nicht der liebligkeit/
Die hier die freundligkeit aus ſchoͤnheits ſchalen ſchencket.
Hier
K 5
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[153/0169] Hochzeit-Gedichte. Den ſchleier ließ ſie um die zarten ſchultern hangen/ Dadurch er die geſtalt bewegter fluth gewan. Den alabaſter hals hielt eine ſchnur umfaſſet Von perln aus morgen-land/ vor deren glantz erblaſſet Die groͤſte pracht der welt. Jhr braungelocktes haar Schwam auf dem anmuths-ſee der reinen liljen-bruͤſte/ Jhr gantzes weſen ſchien ein paradieß der luͤſte/ Da lieb und majeſtaͤt durch huld verknuͤpffet war. Zu ihren ſuͤſſen ſaß der kleine welt-regierer/ Das weit beruͤhmte kind/ der blinde ſeelen-fuͤhrer/ Der in entzuͤckungs-krafft der ſchoͤnen mutter gleicht. Sein holder ruͤcken trug die wolluſt-reichen waffen/ Die er (der traͤgen welt erhitzten muth zu ſchaffen) Jm theuren ambra-ſafft aus Cypris becher weicht. Ach mutter fieng er an (und kuͤſſet ihre haͤnde) Sind auff der gantzen welt auch feſtre ſeelen-baͤnde/ Als die ein ſchoͤnes aug aus ſeinen ſtrahlen flicht? Der demant ſchneidet glaß/ glut kan durch eiſen dringen/ Hingegen beydes kan theils fluth/ theils hammer zwingen/ Was aber iſt das ſonſt durch ſeel und geiſter bricht? Sie ſind der heiſſe brunn/ da blitz und feuer quillet/ Der ort da krieg und ſieg mit anmuth ſich umhuͤllet/ Der platz da freundligkeit und ſchoͤnheit ſelber wacht. Sie reden ohne wort/ man kan aus ihnen ſehen/ Wann hoffnung/ lieb und furcht durch hertz und ſinnen gehen/ Was lieben heiſt/ iſt erſt durch ſie nur auffgebracht. Doch ſiegt die ſchoͤnheit nicht/ wo nicht die mund-rubinen Jn ihrem ſeelen-krieg als treue kaͤmpffer dienen/ Dieweil ihr purpur auch voll brand und flammen ſteckt. Um dieſe roſen fleuſt der thau verliebter ſeelen/ Die zimmetreiche luſt der warmen lippen-hoͤhlen Hat manchen ſchwachen geiſt zur munterkeit erweckt. Hier iſt das luſt-revier/ wo ſich die ſeelen kuͤſſen/ Wann zwey verliebete mit lippen lippen ſchlieſſen. Der reine goͤtter-tranck gleicht nicht der liebligkeit/ Die hier die freundligkeit aus ſchoͤnheits ſchalen ſchencket. Hier K 5

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Zitationshilfe: Hofmann von Hofmannswaldau, Christian: Herrn von Hofmannswaldau und anderer Deutschen auserlesener und bißher ungedruckter Gedichte anderer Theil. Leipzig, 1697, S. 153. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmannswaldau_gedichte02_1697/169>, abgerufen am 09.11.2024.