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Hofmann von Hofmannswaldau, Christian: Herrn von Hofmannswaldau und anderer Deutschen auserlesener und bißher ungedruckter Gedichte anderer Theil. Leipzig, 1697.

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Begräbniß-Gedichte.

Sich mehr als grobe sinnen quälen:
Dieweil je zärter ein gemüth/
Je mehr und weiter es auch sieht.

Sag' ich: du soltest dich besinnen/
Was noch für trost dein leiden hat/
Das beyleid dieser gantzen stadt/
Ja zweyer grossen Churfürstinnen.
Sprichst du: ein trost von solcher höh
Rechtfertige vielmehr dein weh.
Sag' ich: daß von den sieben erben/
Das liebste pfand von ihrer treu/
Dein sohn dir überblieben sey:
Siehst du in ihm sie täglich sterben.
Jndem ihr bildniß/ das er trägt/
Dir ihren tod vor augen legt.
Sag' ich denn/ dich vergnügt zu machen/
Sie schlaffe/ wecke sie nicht auf/
Durch deiner thränen steken lauf:
So wartest du/ sie soll erwachen.
Doch wenn der neue morgen tagt/
Wird sie viel hefftiger beklagt.
Dermassen weiß ich nichts zu finden/
Wodurch dein schmertz zu stillen sey.
Die wunden sind noch allzu neu/
Und nur die zeit muß sie verbinden.
Zumahl dein kummerreicher geist
Sie immer weit und weiter reist.
Jedoch/ wofern ich was soll rathen/
Weil doch mein unfall mich geübt:
Verlaß den ort/ der dich betrübt/
Und sieh dich um in fremden staaten:
Viel-

Begraͤbniß-Gedichte.

Sich mehr als grobe ſinnen quaͤlen:
Dieweil je zaͤrter ein gemuͤth/
Je mehr und weiter es auch ſieht.

Sag’ ich: du ſolteſt dich beſinnen/
Was noch fuͤr troſt dein leiden hat/
Das beyleid dieſer gantzen ſtadt/
Ja zweyer groſſen Churfuͤrſtinnen.
Sprichſt du: ein troſt von ſolcher hoͤh
Rechtfertige vielmehr dein weh.
Sag’ ich: daß von den ſieben erben/
Das liebſte pfand von ihrer treu/
Dein ſohn dir uͤberblieben ſey:
Siehſt du in ihm ſie taͤglich ſterben.
Jndem ihr bildniß/ das er traͤgt/
Dir ihren tod vor augen legt.
Sag’ ich denn/ dich vergnuͤgt zu machen/
Sie ſchlaffe/ wecke ſie nicht auf/
Durch deiner thraͤnen ſteken lauf:
So warteſt du/ ſie ſoll erwachen.
Doch wenn der neue morgen tagt/
Wird ſie viel hefftiger beklagt.
Dermaſſen weiß ich nichts zu finden/
Wodurch dein ſchmertz zu ſtillen ſey.
Die wunden ſind noch allzu neu/
Und nur die zeit muß ſie verbinden.
Zumahl dein kummerreicher geiſt
Sie immer weit und weiter reiſt.
Jedoch/ wofern ich was ſoll rathen/
Weil doch mein unfall mich geuͤbt:
Verlaß den ort/ der dich betruͤbt/
Und ſieh dich um in fremden ſtaaten:
Viel-
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[176/0192] Begraͤbniß-Gedichte. Sich mehr als grobe ſinnen quaͤlen: Dieweil je zaͤrter ein gemuͤth/ Je mehr und weiter es auch ſieht. Sag’ ich: du ſolteſt dich beſinnen/ Was noch fuͤr troſt dein leiden hat/ Das beyleid dieſer gantzen ſtadt/ Ja zweyer groſſen Churfuͤrſtinnen. Sprichſt du: ein troſt von ſolcher hoͤh Rechtfertige vielmehr dein weh. Sag’ ich: daß von den ſieben erben/ Das liebſte pfand von ihrer treu/ Dein ſohn dir uͤberblieben ſey: Siehſt du in ihm ſie taͤglich ſterben. Jndem ihr bildniß/ das er traͤgt/ Dir ihren tod vor augen legt. Sag’ ich denn/ dich vergnuͤgt zu machen/ Sie ſchlaffe/ wecke ſie nicht auf/ Durch deiner thraͤnen ſteken lauf: So warteſt du/ ſie ſoll erwachen. Doch wenn der neue morgen tagt/ Wird ſie viel hefftiger beklagt. Dermaſſen weiß ich nichts zu finden/ Wodurch dein ſchmertz zu ſtillen ſey. Die wunden ſind noch allzu neu/ Und nur die zeit muß ſie verbinden. Zumahl dein kummerreicher geiſt Sie immer weit und weiter reiſt. Jedoch/ wofern ich was ſoll rathen/ Weil doch mein unfall mich geuͤbt: Verlaß den ort/ der dich betruͤbt/ Und ſieh dich um in fremden ſtaaten: Viel-

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Zitationshilfe: Hofmann von Hofmannswaldau, Christian: Herrn von Hofmannswaldau und anderer Deutschen auserlesener und bißher ungedruckter Gedichte anderer Theil. Leipzig, 1697, S. 176. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmannswaldau_gedichte02_1697/192>, abgerufen am 09.11.2024.