Hofmann von Hofmannswaldau, Christian: Herrn von Hofmannswaldau und anderer Deutschen auserlesener und bißher ungedruckter Gedichte anderer Theil. Leipzig, 1697.Verliebte Gedichte. Liebt nacht und finsterniß bey sonne und bey licht;Jst wie ein schweres schiff/ dem der compas gebricht. Und daß ich nicht zu viel von einer sache sage/ Die allen ist bekandt als allgemeine plage/ So muß der vorhang weg. Das mahlwerck ist vollbracht/ Hier hat der mahler selbst sein ebenbild gemacht. Auf eine übersendete nelcke. DU sendest mir das blut von deinem mund und wangen/C. H. v. H. Und eine nelcke muß dein theurer bote seyn: Jch schaue zwar das blut auf weißen feldern prangen; Doch stellt die wärmde sich hier nicht als nachbar ein. Die negel ehr ich zwar mit mehr als kausend küßen/ Jch bin dazu verpflicht/ sie kommt aus deiner hand; Doch wil nichts feuchtes mir auf mund und lippen flüßen: Was geist und wärmde heist/ ist ihr gantz unbekandt. Sie weiß mit honigthau mir nicht den mund zu netzen/ Sie kennt das schmätzeln nicht und diß was züngeln heist/ Sie weiß den purpur nicht auf meinen mund zu setzen/ Jch fühle nicht/ was mich auf meine lippen beist. Sie weiß mir meinen mund nicht schlüpfrig aufzuschließen/ Die feuchte kützelung kennt diese nelcke nicht. Durch warmes böben kan sie keinen kuß versüßen/ Weil näße/ geist und blut der nelcke stets gebricht. Doch kömmt die nelcke mir nicht leichtlich aus dem munde/ Jch aber netze fie durch einen heißen kuß. Ach freundin! wünsche mir doch zeitlich diese stunde/ Da mich entzücken kan dein reicher überfluß. Es reist mich aus mir selbst ein süsses angedencken/ Was mir vor höflichkeit dein kuß hat angethan! Du wirst mir einen kuß bey dieser nelcke schencken/ Und zeigen/ daß dein mund mehr als die blume kan. C. H.
Verliebte Gedichte. Liebt nacht und finſterniß bey ſonne und bey licht;Jſt wie ein ſchweres ſchiff/ dem der compas gebricht. Und daß ich nicht zu viel von einer ſache ſage/ Die allen iſt bekandt als allgemeine plage/ So muß der vorhang weg. Das mahlwerck iſt vollbracht/ Hier hat der mahler ſelbſt ſein ebenbild gemacht. Auf eine uͤberſendete nelcke. DU ſendeſt mir das blut von deinem mund und wangen/C. H. v. H. Und eine nelcke muß dein theurer bote ſeyn: Jch ſchaue zwar das blut auf weißen feldern prangen; Doch ſtellt die waͤrmde ſich hier nicht als nachbar ein. Die negel ehr ich zwar mit mehr als kauſend kuͤßen/ Jch bin dazu verpflicht/ ſie kommt aus deiner hand; Doch wil nichts feuchtes mir auf mund und lippen fluͤßen: Was geiſt und waͤrmde heiſt/ iſt ihr gantz unbekandt. Sie weiß mit honigthau mir nicht den mund zu netzen/ Sie kennt das ſchmaͤtzeln nicht und diß was zuͤngeln heiſt/ Sie weiß den purpur nicht auf meinen mund zu ſetzen/ Jch fuͤhle nicht/ was mich auf meine lippen beiſt. Sie weiß mir meinen mund nicht ſchluͤpfrig aufzuſchließen/ Die feuchte kuͤtzelung kennt dieſe nelcke nicht. Durch warmes boͤben kan ſie keinen kuß verſuͤßen/ Weil naͤße/ geiſt und blut der nelcke ſtets gebricht. Doch koͤmmt die nelcke mir nicht leichtlich aus dem munde/ Jch aber netze fie durch einen heißen kuß. Ach freundin! wuͤnſche mir doch zeitlich dieſe ſtunde/ Da mich entzuͤcken kan dein reicher uͤberfluß. Es reiſt mich aus mir ſelbſt ein ſuͤſſes angedencken/ Was mir vor hoͤflichkeit dein kuß hat angethan! Du wirſt mir einen kuß bey dieſer nelcke ſchencken/ Und zeigen/ daß dein mund mehr als die blume kan. C. H.
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Verliebte Gedichte.
Liebt nacht und finſterniß bey ſonne und bey licht;
Jſt wie ein ſchweres ſchiff/ dem der compas gebricht.
Und daß ich nicht zu viel von einer ſache ſage/
Die allen iſt bekandt als allgemeine plage/
So muß der vorhang weg. Das mahlwerck iſt vollbracht/
Hier hat der mahler ſelbſt ſein ebenbild gemacht.
Auf eine uͤberſendete nelcke.
C. H. v. H.
DU ſendeſt mir das blut von deinem mund und wangen/
Und eine nelcke muß dein theurer bote ſeyn:
Jch ſchaue zwar das blut auf weißen feldern prangen;
Doch ſtellt die waͤrmde ſich hier nicht als nachbar ein.
Die negel ehr ich zwar mit mehr als kauſend kuͤßen/
Jch bin dazu verpflicht/ ſie kommt aus deiner hand;
Doch wil nichts feuchtes mir auf mund und lippen fluͤßen:
Was geiſt und waͤrmde heiſt/ iſt ihr gantz unbekandt.
Sie weiß mit honigthau mir nicht den mund zu netzen/
Sie kennt das ſchmaͤtzeln nicht und diß was zuͤngeln heiſt/
Sie weiß den purpur nicht auf meinen mund zu ſetzen/
Jch fuͤhle nicht/ was mich auf meine lippen beiſt.
Sie weiß mir meinen mund nicht ſchluͤpfrig aufzuſchließen/
Die feuchte kuͤtzelung kennt dieſe nelcke nicht.
Durch warmes boͤben kan ſie keinen kuß verſuͤßen/
Weil naͤße/ geiſt und blut der nelcke ſtets gebricht.
Doch koͤmmt die nelcke mir nicht leichtlich aus dem munde/
Jch aber netze fie durch einen heißen kuß.
Ach freundin! wuͤnſche mir doch zeitlich dieſe ſtunde/
Da mich entzuͤcken kan dein reicher uͤberfluß.
Es reiſt mich aus mir ſelbſt ein ſuͤſſes angedencken/
Was mir vor hoͤflichkeit dein kuß hat angethan!
Du wirſt mir einen kuß bey dieſer nelcke ſchencken/
Und zeigen/ daß dein mund mehr als die blume kan.
C. H.
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