Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Hofmannswaldau, Christian Hofmann von: Herrn von Hofmannswaldau und andrer Deutschen auserlesene und bißher ungedruckte Gedichte. Bd. 5. Leipzig, 1710.

Bild:
<< vorherige Seite
Begräbniß-Gedichte.
Mein haupt ist noch entzwey, ich weiß nicht wo ich bin,
Die wolcken fallen mir auf den bedrängten rücken,
Jhr ungestümer bruch will meinen leib erdrücken.
O weh! es ist geschehn! ich sinck in ohnmacht hin!
Der offt geqvetschte fuß kan länger nicht mehr stehen,
Weil das, worauf er ruht, in drümmern muß zergehen.
Mein unglücks-brausend meer, treibt wie vorhin sein spiel,
Jch weiß die böse zeit, ich rechne noch die wochen,
Da ein erboster wind den mast-baum hat zerbrochen,
Daß er zersplittert weg von meinem schiffe fiel.
O Hertel! Theurer Mann! was hab ich schon vernommen,
Seit daß dein blasser leib ins todten-meer ist kommen;
Das war der erste sturm, drauf brach die mitter-nacht,
Jn der die wolcken sich mit finsterniß umzogen,
Daraus ein starcker knall mit krachen kam geflogen,
Der meinen steuer-mann auch um das leben bracht.
Ach Hallmann! Großer Mann! wie bist du fortgeschwommen,
Sind über meinen port viel tausend strudel kommen.
Du ancker meiner ruh! o meines kummers trost!
Jch mochte meine last auf deine schultern legen,
Trotz schrecken, furcht und angst! trotz allen scharffen schlägen!
Und war gleich haß und neid auf meinen hals erbost,
So wuste deine hand das ruder so zu rühren,
Daß mich kein zwirbel-rad auf klippen konte führen;
Wie dein compaß verrückt, ward der durchbohrte kahn
Jn einem strengen Nord von wellen hingerissen,
Bald tieff, bald in die höh, als wie ein ball, geschmissen,
Ja er griff voller zorn den letzten ancker an.
Das war mein Süßenbach, der aus den todten-köpffen
Mich statt der süßen fluth läst bittre thränen schöpffen.
So schlug der lichte strahl in meinen rath-stuhl ein.
Ach wär er nur nicht auch in Zions tempel kommen!
Daraus er meinen glantz, fast alles gold genommen:
Das schöne heiligthum verlohr der priester schein,
Als Sper und Stiller sich zu ihren vätern machten,
Die cantzel und altar in großen kummer brachten.
Ach! Theuren Lehrer! ach! wär euch die angst bewust!
Jhr würdet recht bestürtzt aus euren gräbern brechen,
Und
Begraͤbniß-Gedichte.
Mein haupt iſt noch entzwey, ich weiß nicht wo ich bin,
Die wolcken fallen mir auf den bedraͤngten ruͤcken,
Jhr ungeſtuͤmer bruch will meinen leib erdruͤcken.
O weh! es iſt geſchehn! ich ſinck in ohnmacht hin!
Der offt geqvetſchte fuß kan laͤnger nicht mehr ſtehen,
Weil das, worauf er ruht, in druͤmmern muß zergehen.
Mein ungluͤcks-brauſend meer, treibt wie vorhin ſein ſpiel,
Jch weiß die boͤſe zeit, ich rechne noch die wochen,
Da ein erboſter wind den maſt-baum hat zerbrochen,
Daß er zerſplittert weg von meinem ſchiffe fiel.
O Hertel! Theurer Mann! was hab ich ſchon vernommen,
Seit daß dein blaſſer leib ins todten-meer iſt kommen;
Das war der erſte ſturm, drauf brach die mitter-nacht,
Jn der die wolcken ſich mit finſterniß umzogen,
Daraus ein ſtarcker knall mit krachen kam geflogen,
Der meinen ſteuer-mann auch um das leben bracht.
Ach Hallmann! Großer Mann! wie biſt du fortgeſchwommen,
Sind uͤber meinen port viel tauſend ſtrudel kommen.
Du ancker meiner ruh! o meines kummers troſt!
Jch mochte meine laſt auf deine ſchultern legen,
Trotz ſchrecken, furcht und angſt! trotz allen ſcharffen ſchlaͤgen!
Und war gleich haß und neid auf meinen hals erboſt,
So wuſte deine hand das ruder ſo zu ruͤhren,
Daß mich kein zwirbel-rad auf klippen konte fuͤhren;
Wie dein compaß verruͤckt, ward der durchbohrte kahn
Jn einem ſtrengen Nord von wellen hingeriſſen,
Bald tieff, bald in die hoͤh, als wie ein ball, geſchmiſſen,
Ja er griff voller zorn den letzten ancker an.
Das war mein Suͤßenbach, der aus den todten-koͤpffen
Mich ſtatt der ſuͤßen fluth laͤſt bittre thraͤnen ſchoͤpffen.
So ſchlug der lichte ſtrahl in meinen rath-ſtuhl ein.
Ach waͤr er nur nicht auch in Zions tempel kommen!
Daraus er meinen glantz, faſt alles gold genommen:
Das ſchoͤne heiligthum verlohr der prieſter ſchein,
Als Sper und Stiller ſich zu ihren vaͤtern machten,
Die cantzel und altar in großen kummer brachten.
Ach! Theuren Lehrer! ach! waͤr euch die angſt bewuſt!
Jhr wuͤrdet recht beſtuͤrtzt aus euren graͤbern brechen,
Und
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <lg type="poem">
          <pb facs="#f0114" n="112"/>
          <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">Begra&#x0364;bniß-Gedichte.</hi> </fw><lb/>
          <l>Mein haupt i&#x017F;t noch entzwey, ich weiß nicht wo ich bin,</l><lb/>
          <l>Die wolcken fallen mir auf den bedra&#x0364;ngten ru&#x0364;cken,</l><lb/>
          <l>Jhr unge&#x017F;tu&#x0364;mer bruch will meinen leib erdru&#x0364;cken.</l><lb/>
          <l>O weh! es i&#x017F;t ge&#x017F;chehn! ich &#x017F;inck in ohnmacht hin!</l><lb/>
          <l>Der offt geqvet&#x017F;chte fuß kan la&#x0364;nger nicht mehr &#x017F;tehen,</l><lb/>
          <l>Weil das, worauf er ruht, in dru&#x0364;mmern muß zergehen.</l><lb/>
          <l>Mein unglu&#x0364;cks-brau&#x017F;end meer, treibt wie vorhin &#x017F;ein &#x017F;piel,</l><lb/>
          <l>Jch weiß die bo&#x0364;&#x017F;e zeit, ich rechne noch die wochen,</l><lb/>
          <l>Da ein erbo&#x017F;ter wind den ma&#x017F;t-baum hat zerbrochen,</l><lb/>
          <l>Daß er zer&#x017F;plittert weg von meinem &#x017F;chiffe fiel.</l><lb/>
          <l>O Hertel! Theurer Mann! was hab ich &#x017F;chon vernommen,</l><lb/>
          <l>Seit daß dein bla&#x017F;&#x017F;er leib ins todten-meer i&#x017F;t kommen;</l><lb/>
          <l>Das war der er&#x017F;te &#x017F;turm, drauf brach die mitter-nacht,</l><lb/>
          <l>Jn der die wolcken &#x017F;ich mit fin&#x017F;terniß umzogen,</l><lb/>
          <l>Daraus ein &#x017F;tarcker knall mit krachen kam geflogen,</l><lb/>
          <l>Der meinen &#x017F;teuer-mann auch um das leben bracht.</l><lb/>
          <l>Ach Hallmann! Großer Mann! wie bi&#x017F;t du fortge&#x017F;chwommen,</l><lb/>
          <l>Sind u&#x0364;ber meinen port viel tau&#x017F;end &#x017F;trudel kommen.</l><lb/>
          <l>Du ancker meiner ruh! o meines kummers tro&#x017F;t!</l><lb/>
          <l>Jch mochte meine la&#x017F;t auf deine &#x017F;chultern legen,</l><lb/>
          <l>Trotz &#x017F;chrecken, furcht und ang&#x017F;t! trotz allen &#x017F;charffen &#x017F;chla&#x0364;gen!</l><lb/>
          <l>Und war gleich haß und neid auf meinen hals erbo&#x017F;t,</l><lb/>
          <l>So wu&#x017F;te deine hand das ruder &#x017F;o zu ru&#x0364;hren,</l><lb/>
          <l>Daß mich kein zwirbel-rad auf klippen konte fu&#x0364;hren;</l><lb/>
          <l>Wie dein compaß verru&#x0364;ckt, ward der durchbohrte kahn</l><lb/>
          <l>Jn einem &#x017F;trengen Nord von wellen hingeri&#x017F;&#x017F;en,</l><lb/>
          <l>Bald tieff, bald in die ho&#x0364;h, als wie ein ball, ge&#x017F;chmi&#x017F;&#x017F;en,</l><lb/>
          <l>Ja er griff voller zorn den letzten ancker an.</l><lb/>
          <l>Das war mein Su&#x0364;ßenbach, der aus den todten-ko&#x0364;pffen</l><lb/>
          <l>Mich &#x017F;tatt der &#x017F;u&#x0364;ßen fluth la&#x0364;&#x017F;t bittre thra&#x0364;nen &#x017F;cho&#x0364;pffen.</l><lb/>
          <l>So &#x017F;chlug der lichte &#x017F;trahl in meinen rath-&#x017F;tuhl ein.</l><lb/>
          <l>Ach wa&#x0364;r er nur nicht auch in Zions tempel kommen!</l><lb/>
          <l>Daraus er meinen glantz, fa&#x017F;t alles gold genommen:</l><lb/>
          <l>Das &#x017F;cho&#x0364;ne heiligthum verlohr der prie&#x017F;ter &#x017F;chein,</l><lb/>
          <l>Als Sper und Stiller &#x017F;ich zu ihren va&#x0364;tern machten,</l><lb/>
          <l>Die cantzel und altar in großen kummer brachten.</l><lb/>
          <l>Ach! Theuren Lehrer! ach! wa&#x0364;r euch die ang&#x017F;t bewu&#x017F;t!</l><lb/>
          <l>Jhr wu&#x0364;rdet recht be&#x017F;tu&#x0364;rtzt aus euren gra&#x0364;bern brechen,</l><lb/>
          <fw place="bottom" type="catch">Und</fw><lb/>
        </lg>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[112/0114] Begraͤbniß-Gedichte. Mein haupt iſt noch entzwey, ich weiß nicht wo ich bin, Die wolcken fallen mir auf den bedraͤngten ruͤcken, Jhr ungeſtuͤmer bruch will meinen leib erdruͤcken. O weh! es iſt geſchehn! ich ſinck in ohnmacht hin! Der offt geqvetſchte fuß kan laͤnger nicht mehr ſtehen, Weil das, worauf er ruht, in druͤmmern muß zergehen. Mein ungluͤcks-brauſend meer, treibt wie vorhin ſein ſpiel, Jch weiß die boͤſe zeit, ich rechne noch die wochen, Da ein erboſter wind den maſt-baum hat zerbrochen, Daß er zerſplittert weg von meinem ſchiffe fiel. O Hertel! Theurer Mann! was hab ich ſchon vernommen, Seit daß dein blaſſer leib ins todten-meer iſt kommen; Das war der erſte ſturm, drauf brach die mitter-nacht, Jn der die wolcken ſich mit finſterniß umzogen, Daraus ein ſtarcker knall mit krachen kam geflogen, Der meinen ſteuer-mann auch um das leben bracht. Ach Hallmann! Großer Mann! wie biſt du fortgeſchwommen, Sind uͤber meinen port viel tauſend ſtrudel kommen. Du ancker meiner ruh! o meines kummers troſt! Jch mochte meine laſt auf deine ſchultern legen, Trotz ſchrecken, furcht und angſt! trotz allen ſcharffen ſchlaͤgen! Und war gleich haß und neid auf meinen hals erboſt, So wuſte deine hand das ruder ſo zu ruͤhren, Daß mich kein zwirbel-rad auf klippen konte fuͤhren; Wie dein compaß verruͤckt, ward der durchbohrte kahn Jn einem ſtrengen Nord von wellen hingeriſſen, Bald tieff, bald in die hoͤh, als wie ein ball, geſchmiſſen, Ja er griff voller zorn den letzten ancker an. Das war mein Suͤßenbach, der aus den todten-koͤpffen Mich ſtatt der ſuͤßen fluth laͤſt bittre thraͤnen ſchoͤpffen. So ſchlug der lichte ſtrahl in meinen rath-ſtuhl ein. Ach waͤr er nur nicht auch in Zions tempel kommen! Daraus er meinen glantz, faſt alles gold genommen: Das ſchoͤne heiligthum verlohr der prieſter ſchein, Als Sper und Stiller ſich zu ihren vaͤtern machten, Die cantzel und altar in großen kummer brachten. Ach! Theuren Lehrer! ach! waͤr euch die angſt bewuſt! Jhr wuͤrdet recht beſtuͤrtzt aus euren graͤbern brechen, Und

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmannswaldau_gedichte05_1710
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmannswaldau_gedichte05_1710/114
Zitationshilfe: Hofmannswaldau, Christian Hofmann von: Herrn von Hofmannswaldau und andrer Deutschen auserlesene und bißher ungedruckte Gedichte. Bd. 5. Leipzig, 1710, S. 112. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmannswaldau_gedichte05_1710/114>, abgerufen am 23.11.2024.