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Hofmannswaldau, Christian Hofmann von: Herrn von Hofmannswaldau und andrer Deutschen auserlesene und bißher ungedruckte Gedichte. Bd. 5. Leipzig, 1710.

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Vermischte Gedichte.
Dein Kettner, der dich pflegt mit himmels-kost zu weiden,
Und kein gefährlich gifft in seine lehren mengt.
Dergleichen priester sind vor andern hoch zu halten,
Jemehr das unkraut sich in Zions gärten dringt.
Der andacht feuer will bey manchem gar erkalten,
Der mit dem munde doch GOtt täglich opffer bringt.
So ist dein Kettner nicht; von so verkehrten lehrern
Jst, Werthes Qvedlinburg! dein heiligthum befreyt.
Wo so ein Haupt regiert, da fehlt es an verehrern
Des reinen glaubens nicht, da herrscht die heiligkeit.
Wer unsern Kettner kennt, der wird ihn loben müssen,
Und den ertheilten ruhm ihm gerne zugestehn.
Jn diesem Lehrer paart sich wissen und gewissen,
Die itzt bey vielen nicht in einem paare gehn.
Wer weiß nicht, wie itzund der schwarm der ignoranten
Ohn' alle wissenschafft des Geistes amt begehrt;
Wie manche lieber gar die frömmigkeit verbannten,
Weil wohllust, geitz und stoltz ihr glaubens-öl verzehrt.
Jn einem priester muß die frömmigkeit nicht fehlen,
Doch ohne wissenschafft kan sie nicht richtig seyn.
Wer demnach eine nur von beyden will erwehlen,
Der stellt sich in das chor bethörter lehrer ein.
Jn unserm Kettner sieht man beyde sich umfassen:
Er scheut den aberwitz, der rotten geister nicht,
Wie die, so die vernunfft als wie den Satan hassen,
Weil sie durch alle macht der falschen schlüsse bricht.
Er kan des Höchsten wort in seinen sprachen lesen,
Er kennet auch zugleich die grentzen der vernunfft,
Spinoza ist vor ihn nicht zu subtil gewesen,
Er weiß die falsche kunst, der atheisten zunfft.
Socinens rotte muß vor seiner feder zittern,
Die wahre lehre bleibt auf festem grunde stehn.
Es kan kein falscher wahn den glaubens-grund erschüttern,
Er muß, als wie der schnee bey heisser glut, zergehn.
Zu diesem wissen kommt auch endlich das gewissen,
Das Kettners klugen geist zur gottesfurcht geführt.
Wer weiß nicht, wie er sich der schnöden welt entrissen,
Und wie sein wandel stets sein hohes amt geziert?
Sein
N 3
Vermiſchte Gedichte.
Dein Kettner, der dich pflegt mit himmels-koſt zu weiden,
Und kein gefaͤhrlich gifft in ſeine lehren mengt.
Dergleichen prieſter ſind vor andern hoch zu halten,
Jemehr das unkraut ſich in Zions gaͤrten dringt.
Der andacht feuer will bey manchem gar erkalten,
Der mit dem munde doch GOtt taͤglich opffer bringt.
So iſt dein Kettner nicht; von ſo verkehrten lehrern
Jſt, Werthes Qvedlinburg! dein heiligthum befreyt.
Wo ſo ein Haupt regiert, da fehlt es an verehrern
Des reinen glaubens nicht, da herrſcht die heiligkeit.
Wer unſern Kettner kennt, der wird ihn loben muͤſſen,
Und den ertheilten ruhm ihm gerne zugeſtehn.
Jn dieſem Lehrer paart ſich wiſſen und gewiſſen,
Die itzt bey vielen nicht in einem paare gehn.
Wer weiß nicht, wie itzund der ſchwarm der ignoranten
Ohn’ alle wiſſenſchafft des Geiſtes amt begehrt;
Wie manche lieber gar die froͤmmigkeit verbannten,
Weil wohlluſt, geitz und ſtoltz ihr glaubens-oͤl verzehrt.
Jn einem prieſter muß die froͤmmigkeit nicht fehlen,
Doch ohne wiſſenſchafft kan ſie nicht richtig ſeyn.
Wer demnach eine nur von beyden will erwehlen,
Der ſtellt ſich in das chor bethoͤrter lehrer ein.
Jn unſerm Kettner ſieht man beyde ſich umfaſſen:
Er ſcheut den aberwitz, der rotten geiſter nicht,
Wie die, ſo die vernunfft als wie den Satan haſſen,
Weil ſie durch alle macht der falſchen ſchluͤſſe bricht.
Er kan des Hoͤchſten wort in ſeinen ſprachen leſen,
Er kennet auch zugleich die grentzen der vernunfft,
Spinoza iſt vor ihn nicht zu ſubtil geweſen,
Er weiß die falſche kunſt, der atheiſten zunfft.
Socinens rotte muß vor ſeiner feder zittern,
Die wahre lehre bleibt auf feſtem grunde ſtehn.
Es kan kein falſcher wahn den glaubens-grund erſchuͤttern,
Er muß, als wie der ſchnee bey heiſſer glut, zergehn.
Zu dieſem wiſſen kommt auch endlich das gewiſſen,
Das Kettners klugen geiſt zur gottesfurcht gefuͤhrt.
Wer weiß nicht, wie er ſich der ſchnoͤden welt entriſſen,
Und wie ſein wandel ſtets ſein hohes amt geziert?
Sein
N 3
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[197/0199] Vermiſchte Gedichte. Dein Kettner, der dich pflegt mit himmels-koſt zu weiden, Und kein gefaͤhrlich gifft in ſeine lehren mengt. Dergleichen prieſter ſind vor andern hoch zu halten, Jemehr das unkraut ſich in Zions gaͤrten dringt. Der andacht feuer will bey manchem gar erkalten, Der mit dem munde doch GOtt taͤglich opffer bringt. So iſt dein Kettner nicht; von ſo verkehrten lehrern Jſt, Werthes Qvedlinburg! dein heiligthum befreyt. Wo ſo ein Haupt regiert, da fehlt es an verehrern Des reinen glaubens nicht, da herrſcht die heiligkeit. Wer unſern Kettner kennt, der wird ihn loben muͤſſen, Und den ertheilten ruhm ihm gerne zugeſtehn. Jn dieſem Lehrer paart ſich wiſſen und gewiſſen, Die itzt bey vielen nicht in einem paare gehn. Wer weiß nicht, wie itzund der ſchwarm der ignoranten Ohn’ alle wiſſenſchafft des Geiſtes amt begehrt; Wie manche lieber gar die froͤmmigkeit verbannten, Weil wohlluſt, geitz und ſtoltz ihr glaubens-oͤl verzehrt. Jn einem prieſter muß die froͤmmigkeit nicht fehlen, Doch ohne wiſſenſchafft kan ſie nicht richtig ſeyn. Wer demnach eine nur von beyden will erwehlen, Der ſtellt ſich in das chor bethoͤrter lehrer ein. Jn unſerm Kettner ſieht man beyde ſich umfaſſen: Er ſcheut den aberwitz, der rotten geiſter nicht, Wie die, ſo die vernunfft als wie den Satan haſſen, Weil ſie durch alle macht der falſchen ſchluͤſſe bricht. Er kan des Hoͤchſten wort in ſeinen ſprachen leſen, Er kennet auch zugleich die grentzen der vernunfft, Spinoza iſt vor ihn nicht zu ſubtil geweſen, Er weiß die falſche kunſt, der atheiſten zunfft. Socinens rotte muß vor ſeiner feder zittern, Die wahre lehre bleibt auf feſtem grunde ſtehn. Es kan kein falſcher wahn den glaubens-grund erſchuͤttern, Er muß, als wie der ſchnee bey heiſſer glut, zergehn. Zu dieſem wiſſen kommt auch endlich das gewiſſen, Das Kettners klugen geiſt zur gottesfurcht gefuͤhrt. Wer weiß nicht, wie er ſich der ſchnoͤden welt entriſſen, Und wie ſein wandel ſtets ſein hohes amt geziert? Sein N 3

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Zitationshilfe: Hofmannswaldau, Christian Hofmann von: Herrn von Hofmannswaldau und andrer Deutschen auserlesene und bißher ungedruckte Gedichte. Bd. 5. Leipzig, 1710, S. 197. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmannswaldau_gedichte05_1710/199>, abgerufen am 23.11.2024.