Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Hofmannswaldau, Christian Hofmann von: Herrn von Hofmannswaldau und andrer Deutschen auserlesene und bißher ungedruckte Gedichte. Bd. 5. Leipzig, 1710.

Bild:
<< vorherige Seite
Vermischte Gedichte.
Selbst seine blöse zeigt. Denn schmeiß ich alles hin,
Und schwere tausendmal, daß ich kein dichter bin:
Die feder wird zerstampt: die dinte wird vergossen,
Aus der doch auch vorhin zuweilen was geflossen,
Das toll in ohren klang. Bald fang ich wieder an
Und suche mit verdruß, ob ich noch dichten kan,
Besonders wenn ich seh', wie andre geld verdienen,
Bey denen witz und kunst, gleich klee im winter, grünen,
Da mischt sich denn der geitz in alle zeilen ein:
Der will vors henckers danck: ich soll ein dichter seyn:
Jch soll mit Laps und Taps um ziel und wette kriegen:
Jch soll, dem Neuburg gleich, bey großen Herren lügen:
Jch soll das, was noch nie in unser welt geschehn,
Und was nicht werden wird, auch in dem dunckeln sehn:
Jch soll der Fürsten witz, der diener redligkeiten:
Jch soll die frömmigkeit, die doch bey unsern zeiten
Ein rares wildpret ist; ich soll die kluge kunst,
Die bey den meisten nichts, als aufgeblasner dunst,
An allen priestern sehn: Jch soll die keuschheit preisen,
Mit der die jungfern noch bis zu den sternen reisen,
Wo der Lucretien ihr altes bildniß steht:
Jch soll der frauen treu, die doch so bald vergeht,
So bald das licht verlöscht, bis an den himmel heben:
Jch soll des Hercules und Herculiskens leben
An unserm Sterops schaun: Ja was? ich soll noch mehr:
Jch soll den ochsen-fuß, und trät' er noch so sehr,
Vor eine engel-hand ums geld paßiren lassen:
Jch soll die kindergen in lauter gold einfassen,
Die doch wol gestern noch die windeln voll gethan:
Jch soll mit angst und müh den ungeschickten Pan,
Der doch das dümmste vieh auf unsrer deutschen erden,
Den ein erzörnter schluß zunächst hieß Doctor werden,
Vor den Cujacius und Duaren ansehn:
Ja endlich soll ich auch wol auf die wahrheit schmähn,
Und das, was laster heist, vor reine tugend schelten:
Der geitz spricht fein dabey: er woll' es wohl vergelten:
Jch solle vor die müh schon wohl vergnüget seyn:
Dis bringe zehnmal mehr, als die critiqven, ein.
Jch
Vermiſchte Gedichte.
Selbſt ſeine bloͤſe zeigt. Denn ſchmeiß ich alles hin,
Und ſchwere tauſendmal, daß ich kein dichter bin:
Die feder wird zerſtampt: die dinte wird vergoſſen,
Aus der doch auch vorhin zuweilen was gefloſſen,
Das toll in ohren klang. Bald fang ich wieder an
Und ſuche mit verdruß, ob ich noch dichten kan,
Beſonders wenn ich ſeh’, wie andre geld verdienen,
Bey denen witz und kunſt, gleich klee im winter, gruͤnen,
Da miſcht ſich denn der geitz in alle zeilen ein:
Der will vors henckers danck: ich ſoll ein dichter ſeyn:
Jch ſoll mit Laps und Taps um ziel und wette kriegen:
Jch ſoll, dem Neuburg gleich, bey großen Herren luͤgen:
Jch ſoll das, was noch nie in unſer welt geſchehn,
Und was nicht werden wird, auch in dem dunckeln ſehn:
Jch ſoll der Fuͤrſten witz, der diener redligkeiten:
Jch ſoll die froͤmmigkeit, die doch bey unſern zeiten
Ein rares wildpret iſt; ich ſoll die kluge kunſt,
Die bey den meiſten nichts, als aufgeblaſner dunſt,
An allen prieſtern ſehn: Jch ſoll die keuſchheit preiſen,
Mit der die jungfern noch bis zu den ſternen reiſen,
Wo der Lucretien ihr altes bildniß ſteht:
Jch ſoll der frauen treu, die doch ſo bald vergeht,
So bald das licht verloͤſcht, bis an den himmel heben:
Jch ſoll des Hercules und Herculiskens leben
An unſerm Sterops ſchaun: Ja was? ich ſoll noch mehr:
Jch ſoll den ochſen-fuß, und traͤt’ er noch ſo ſehr,
Vor eine engel-hand ums geld paßiren laſſen:
Jch ſoll die kindergen in lauter gold einfaſſen,
Die doch wol geſtern noch die windeln voll gethan:
Jch ſoll mit angſt und muͤh den ungeſchickten Pan,
Der doch das duͤmmſte vieh auf unſrer deutſchen erden,
Den ein erzoͤrnter ſchluß zunaͤchſt hieß Doctor werden,
Vor den Cujacius und Duaren anſehn:
Ja endlich ſoll ich auch wol auf die wahrheit ſchmaͤhn,
Und das, was laſter heiſt, vor reine tugend ſchelten:
Der geitz ſpricht fein dabey: er woll’ es wohl vergelten:
Jch ſolle vor die muͤh ſchon wohl vergnuͤget ſeyn:
Dis bringe zehnmal mehr, als die critiqven, ein.
Jch
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <lg type="poem">
          <pb facs="#f0208" n="206"/>
          <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">Vermi&#x017F;chte Gedichte.</hi> </fw><lb/>
          <l>Selb&#x017F;t &#x017F;eine blo&#x0364;&#x017F;e zeigt. Denn &#x017F;chmeiß ich alles hin,</l><lb/>
          <l>Und &#x017F;chwere tau&#x017F;endmal, daß ich kein dichter bin:</l><lb/>
          <l>Die feder wird zer&#x017F;tampt: die dinte wird vergo&#x017F;&#x017F;en,</l><lb/>
          <l>Aus der doch auch vorhin zuweilen was geflo&#x017F;&#x017F;en,</l><lb/>
          <l>Das toll in ohren klang. Bald fang ich wieder an</l><lb/>
          <l>Und &#x017F;uche mit verdruß, ob ich noch dichten kan,</l><lb/>
          <l>Be&#x017F;onders wenn ich &#x017F;eh&#x2019;, wie andre geld verdienen,</l><lb/>
          <l>Bey denen witz und kun&#x017F;t, gleich klee im winter, gru&#x0364;nen,</l><lb/>
          <l>Da mi&#x017F;cht &#x017F;ich denn der geitz in alle zeilen ein:</l><lb/>
          <l>Der will vors henckers danck: ich &#x017F;oll ein dichter &#x017F;eyn:</l><lb/>
          <l>Jch &#x017F;oll mit Laps und Taps um ziel und wette kriegen:</l><lb/>
          <l>Jch &#x017F;oll, dem Neuburg gleich, bey großen Herren lu&#x0364;gen:</l><lb/>
          <l>Jch &#x017F;oll das, was noch nie in un&#x017F;er welt ge&#x017F;chehn,</l><lb/>
          <l>Und was nicht werden wird, auch in dem dunckeln &#x017F;ehn:</l><lb/>
          <l>Jch &#x017F;oll der Fu&#x0364;r&#x017F;ten witz, der diener redligkeiten:</l><lb/>
          <l>Jch &#x017F;oll die fro&#x0364;mmigkeit, die doch bey un&#x017F;ern zeiten</l><lb/>
          <l>Ein rares wildpret i&#x017F;t; ich &#x017F;oll die kluge kun&#x017F;t,</l><lb/>
          <l>Die bey den mei&#x017F;ten nichts, als aufgebla&#x017F;ner dun&#x017F;t,</l><lb/>
          <l>An allen prie&#x017F;tern &#x017F;ehn: Jch &#x017F;oll die keu&#x017F;chheit prei&#x017F;en,</l><lb/>
          <l>Mit der die jungfern noch bis zu den &#x017F;ternen rei&#x017F;en,</l><lb/>
          <l>Wo der Lucretien ihr altes bildniß &#x017F;teht:</l><lb/>
          <l>Jch &#x017F;oll der frauen treu, die doch &#x017F;o bald vergeht,</l><lb/>
          <l>So bald das licht verlo&#x0364;&#x017F;cht, bis an den himmel heben:</l><lb/>
          <l>Jch &#x017F;oll des Hercules und Herculiskens leben</l><lb/>
          <l>An un&#x017F;erm Sterops &#x017F;chaun: Ja was? ich &#x017F;oll noch mehr:</l><lb/>
          <l>Jch &#x017F;oll den och&#x017F;en-fuß, und tra&#x0364;t&#x2019; er noch &#x017F;o &#x017F;ehr,</l><lb/>
          <l>Vor eine engel-hand ums geld paßiren la&#x017F;&#x017F;en:</l><lb/>
          <l>Jch &#x017F;oll die kindergen in lauter gold einfa&#x017F;&#x017F;en,</l><lb/>
          <l>Die doch wol ge&#x017F;tern noch die windeln voll gethan:</l><lb/>
          <l>Jch &#x017F;oll mit ang&#x017F;t und mu&#x0364;h den unge&#x017F;chickten Pan,</l><lb/>
          <l>Der doch das du&#x0364;mm&#x017F;te vieh auf un&#x017F;rer deut&#x017F;chen erden,</l><lb/>
          <l>Den ein erzo&#x0364;rnter &#x017F;chluß zuna&#x0364;ch&#x017F;t hieß Doctor werden,</l><lb/>
          <l>Vor den Cujacius und Duaren an&#x017F;ehn:</l><lb/>
          <l>Ja endlich &#x017F;oll ich auch wol auf die wahrheit &#x017F;chma&#x0364;hn,</l><lb/>
          <l>Und das, was la&#x017F;ter hei&#x017F;t, vor reine tugend &#x017F;chelten:</l><lb/>
          <l>Der geitz &#x017F;pricht fein dabey: er woll&#x2019; es wohl vergelten:</l><lb/>
          <l>Jch &#x017F;olle vor die mu&#x0364;h &#x017F;chon wohl vergnu&#x0364;get &#x017F;eyn:</l><lb/>
          <l>Dis bringe zehnmal mehr, als die critiqven, ein.</l><lb/>
          <fw place="bottom" type="catch">Jch</fw><lb/>
        </lg>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[206/0208] Vermiſchte Gedichte. Selbſt ſeine bloͤſe zeigt. Denn ſchmeiß ich alles hin, Und ſchwere tauſendmal, daß ich kein dichter bin: Die feder wird zerſtampt: die dinte wird vergoſſen, Aus der doch auch vorhin zuweilen was gefloſſen, Das toll in ohren klang. Bald fang ich wieder an Und ſuche mit verdruß, ob ich noch dichten kan, Beſonders wenn ich ſeh’, wie andre geld verdienen, Bey denen witz und kunſt, gleich klee im winter, gruͤnen, Da miſcht ſich denn der geitz in alle zeilen ein: Der will vors henckers danck: ich ſoll ein dichter ſeyn: Jch ſoll mit Laps und Taps um ziel und wette kriegen: Jch ſoll, dem Neuburg gleich, bey großen Herren luͤgen: Jch ſoll das, was noch nie in unſer welt geſchehn, Und was nicht werden wird, auch in dem dunckeln ſehn: Jch ſoll der Fuͤrſten witz, der diener redligkeiten: Jch ſoll die froͤmmigkeit, die doch bey unſern zeiten Ein rares wildpret iſt; ich ſoll die kluge kunſt, Die bey den meiſten nichts, als aufgeblaſner dunſt, An allen prieſtern ſehn: Jch ſoll die keuſchheit preiſen, Mit der die jungfern noch bis zu den ſternen reiſen, Wo der Lucretien ihr altes bildniß ſteht: Jch ſoll der frauen treu, die doch ſo bald vergeht, So bald das licht verloͤſcht, bis an den himmel heben: Jch ſoll des Hercules und Herculiskens leben An unſerm Sterops ſchaun: Ja was? ich ſoll noch mehr: Jch ſoll den ochſen-fuß, und traͤt’ er noch ſo ſehr, Vor eine engel-hand ums geld paßiren laſſen: Jch ſoll die kindergen in lauter gold einfaſſen, Die doch wol geſtern noch die windeln voll gethan: Jch ſoll mit angſt und muͤh den ungeſchickten Pan, Der doch das duͤmmſte vieh auf unſrer deutſchen erden, Den ein erzoͤrnter ſchluß zunaͤchſt hieß Doctor werden, Vor den Cujacius und Duaren anſehn: Ja endlich ſoll ich auch wol auf die wahrheit ſchmaͤhn, Und das, was laſter heiſt, vor reine tugend ſchelten: Der geitz ſpricht fein dabey: er woll’ es wohl vergelten: Jch ſolle vor die muͤh ſchon wohl vergnuͤget ſeyn: Dis bringe zehnmal mehr, als die critiqven, ein. Jch

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmannswaldau_gedichte05_1710
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmannswaldau_gedichte05_1710/208
Zitationshilfe: Hofmannswaldau, Christian Hofmann von: Herrn von Hofmannswaldau und andrer Deutschen auserlesene und bißher ungedruckte Gedichte. Bd. 5. Leipzig, 1710, S. 206. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmannswaldau_gedichte05_1710/208>, abgerufen am 23.11.2024.