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Hofmannswaldau, Christian Hofmann von: Herrn von Hofmannswaldau und andrer Deutschen auserlesene und bißher ungedruckte Gedichte. Bd. 5. Leipzig, 1710.

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Leanders aus Schlesien
Bekommest du ein buch, so ließ es blos aus liebe
Der lautern wahrheit durch, obgleich die tolle welt
Erst auf den autor sieht, und aus verkehrtem triebe
Das schönst' und beste buch offt vor verwerfflich hält.
Ein kluger merckt auf das, was er geschrieben siehet,
Und nicht auf die person, die es geschrieben hat.
Bisweilen giebt ein maun, der schein und ehre fliehet,
Uns in der tiefsten noth den allerklügsten rath,
Der menschen ansehn ist ein stern, der bald verschwindet,
Die wahrheit aber bleibt, wenn alles untergeht.
Die wahrheit, die man offt bey albern leuten findet,
Und die Carneades und Plato nicht versteht.
GOtt offenbaret sich ohn absicht der personen:
Er macht uns seinen rath durch arme fischer kund.
Man sieht der wahrheit geist noch bey der einfalt wohnen,
GOtt legt sein hohes wort auch in der kinder mund.
Laß dich den vorwitz nicht in deinem lesen hindern:
Was GOtt verbergen will, das laß verborgen seyn.
Die fackel der vernunfft wird diese nacht nicht mindern.
Sie blendet dich vielmehr durch ihren falschen schein.
Darum bemühe dich nicht in die höh zu klimmen,
Wo man am sichersten auf ebner erden steht.
Die bibel ist ein meer, da elephanten schwimmen,
Und da ein niedrig schaf mit trocknem fuße geht.
Wilst du die heilge schrifft mit nutzen durchstudieren,
So laß des glaubens licht der seele leit-stern seyn,
Und in der einfalt dich den geist der demuth führen,
So dringest du gewiß in die geheimniß' ein.
Jn die geheimniße, in die kein stoltzer meister,
So hoch er sich vermißt, mit seiner klugheit dringt.
Denn GOttes wahrheit flieht die aufgeblaßnen geister,
Die nun ein eitler zug zum bibel-lesen bringt.
Drum laß dich iederzeit den sinn der demuth leiten,
Und schlag der heiligen erklärung nicht in wind.
Verwirff die reden nicht, die von erfahrnen leuten
Nach GOttes sinn und rath genau geprüfet sind.
Laß dich die gleichnisse der alten nicht verdrießen,
Ob sie gleich fleisch und blut vor schlecht und dunckel schätzt.
GOtt
Leanders aus Schleſien
Bekommeſt du ein buch, ſo ließ es blos aus liebe
Der lautern wahrheit durch, obgleich die tolle welt
Erſt auf den autor ſieht, und aus verkehrtem triebe
Das ſchoͤnſt’ und beſte buch offt vor verwerfflich haͤlt.
Ein kluger merckt auf das, was er geſchrieben ſiehet,
Und nicht auf die perſon, die es geſchrieben hat.
Bisweilen giebt ein maun, der ſchein und ehre fliehet,
Uns in der tiefſten noth den allerkluͤgſten rath,
Der menſchen anſehn iſt ein ſtern, der bald verſchwindet,
Die wahrheit aber bleibt, wenn alles untergeht.
Die wahrheit, die man offt bey albern leuten findet,
Und die Carneades und Plato nicht verſteht.
GOtt offenbaret ſich ohn abſicht der perſonen:
Er macht uns ſeinen rath durch arme fiſcher kund.
Man ſieht der wahrheit geiſt noch bey der einfalt wohnen,
GOtt legt ſein hohes wort auch in der kinder mund.
Laß dich den vorwitz nicht in deinem leſen hindern:
Was GOtt verbergen will, das laß verborgen ſeyn.
Die fackel der vernunfft wird dieſe nacht nicht mindern.
Sie blendet dich vielmehr durch ihren falſchen ſchein.
Darum bemuͤhe dich nicht in die hoͤh zu klimmen,
Wo man am ſicherſten auf ebner erden ſteht.
Die bibel iſt ein meer, da elephanten ſchwimmen,
Und da ein niedrig ſchaf mit trocknem fuße geht.
Wilſt du die heilge ſchrifft mit nutzen durchſtudieren,
So laß des glaubens licht der ſeele leit-ſtern ſeyn,
Und in der einfalt dich den geiſt der demuth fuͤhren,
So dringeſt du gewiß in die geheimniß’ ein.
Jn die geheimniße, in die kein ſtoltzer meiſter,
So hoch er ſich vermißt, mit ſeiner klugheit dringt.
Denn GOttes wahrheit flieht die aufgeblaßnen geiſter,
Die nun ein eitler zug zum bibel-leſen bringt.
Drum laß dich iederzeit den ſinn der demuth leiten,
Und ſchlag der heiligen erklaͤrung nicht in wind.
Verwirff die reden nicht, die von erfahrnen leuten
Nach GOttes ſinn und rath genau gepruͤfet ſind.
Laß dich die gleichniſſe der alten nicht verdrießen,
Ob ſie gleich fleiſch und blut vor ſchlecht und dunckel ſchaͤtzt.
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[282/0284] Leanders aus Schleſien Bekommeſt du ein buch, ſo ließ es blos aus liebe Der lautern wahrheit durch, obgleich die tolle welt Erſt auf den autor ſieht, und aus verkehrtem triebe Das ſchoͤnſt’ und beſte buch offt vor verwerfflich haͤlt. Ein kluger merckt auf das, was er geſchrieben ſiehet, Und nicht auf die perſon, die es geſchrieben hat. Bisweilen giebt ein maun, der ſchein und ehre fliehet, Uns in der tiefſten noth den allerkluͤgſten rath, Der menſchen anſehn iſt ein ſtern, der bald verſchwindet, Die wahrheit aber bleibt, wenn alles untergeht. Die wahrheit, die man offt bey albern leuten findet, Und die Carneades und Plato nicht verſteht. GOtt offenbaret ſich ohn abſicht der perſonen: Er macht uns ſeinen rath durch arme fiſcher kund. Man ſieht der wahrheit geiſt noch bey der einfalt wohnen, GOtt legt ſein hohes wort auch in der kinder mund. Laß dich den vorwitz nicht in deinem leſen hindern: Was GOtt verbergen will, das laß verborgen ſeyn. Die fackel der vernunfft wird dieſe nacht nicht mindern. Sie blendet dich vielmehr durch ihren falſchen ſchein. Darum bemuͤhe dich nicht in die hoͤh zu klimmen, Wo man am ſicherſten auf ebner erden ſteht. Die bibel iſt ein meer, da elephanten ſchwimmen, Und da ein niedrig ſchaf mit trocknem fuße geht. Wilſt du die heilge ſchrifft mit nutzen durchſtudieren, So laß des glaubens licht der ſeele leit-ſtern ſeyn, Und in der einfalt dich den geiſt der demuth fuͤhren, So dringeſt du gewiß in die geheimniß’ ein. Jn die geheimniße, in die kein ſtoltzer meiſter, So hoch er ſich vermißt, mit ſeiner klugheit dringt. Denn GOttes wahrheit flieht die aufgeblaßnen geiſter, Die nun ein eitler zug zum bibel-leſen bringt. Drum laß dich iederzeit den ſinn der demuth leiten, Und ſchlag der heiligen erklaͤrung nicht in wind. Verwirff die reden nicht, die von erfahrnen leuten Nach GOttes ſinn und rath genau gepruͤfet ſind. Laß dich die gleichniſſe der alten nicht verdrießen, Ob ſie gleich fleiſch und blut vor ſchlecht und dunckel ſchaͤtzt. GOtt

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Zitationshilfe: Hofmannswaldau, Christian Hofmann von: Herrn von Hofmannswaldau und andrer Deutschen auserlesene und bißher ungedruckte Gedichte. Bd. 5. Leipzig, 1710, S. 282. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmannswaldau_gedichte05_1710/284>, abgerufen am 23.11.2024.