Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Hofmannswaldau, Christian Hofmann von: Herrn von Hofmannswaldau und andrer Deutschen auserlesene und bißher ungedruckte Gedichte. Bd. 5. Leipzig, 1710.

Bild:
<< vorherige Seite

Leanders aus Schlesien
Es muß der mensch nicht seiner selbst vergessen,
Und auf des feindes seite stehn.
Denn welch schiffer führt den kahn
Mit eignem fleiß auf sand und klippen an?

4.
Verzweifflung dämpfft ohndem kein ungelücke:
Sie sieht durch ein vergrößrungs-glas:
Sie macht ein haar zu einem henckers-stricke,
Und kennet weder ziel noch maaß.
Die geduld muß hier allein
Der seele lust und unsre zuslucht seyn.
5.
Jch will den geist nur in geduld erhalten:
Die wetter müssen doch vergehn,
Und solten sich auch erd' und abgrund spalten;
So bleibt gleichwol der himmel stehn.
Jst der himmel nun noch da,
So seh' ich mich noch keinem falle nah.
6.
Was will ich mich nun in der angst verliehren?
Mein feind verdient die ehre nicht:
Es kan sein gifft nicht an mein hertze rühren,
Weil mir der himmel schutz verspricht.
Leid' ich gleich ohn alle schuld;
So leid' ich doch mit ruhiger geduld.


Gemischte Betrachtungen,
Meist aus dem frantzösischen der
Mad.
des Houlieres.
KLagst du, o mensch! den tod, wenn er zum hertzen drin-
get,
Der übereilung an, so kennft du ihn noch nicht:
Er

Leanders aus Schleſien
Es muß der menſch nicht ſeiner ſelbſt vergeſſen,
Und auf des feindes ſeite ſtehn.
Denn welch ſchiffer fuͤhrt den kahn
Mit eignem fleiß auf ſand und klippen an?

4.
Verzweifflung daͤmpfft ohndem kein ungeluͤcke:
Sie ſieht durch ein vergroͤßrungs-glas:
Sie macht ein haar zu einem henckers-ſtricke,
Und kennet weder ziel noch maaß.
Die geduld muß hier allein
Der ſeele luſt und unſre zuſlucht ſeyn.
5.
Jch will den geiſt nur in geduld erhalten:
Die wetter muͤſſen doch vergehn,
Und ſolten ſich auch erd’ und abgrund ſpalten;
So bleibt gleichwol der himmel ſtehn.
Jſt der himmel nun noch da,
So ſeh’ ich mich noch keinem falle nah.
6.
Was will ich mich nun in der angſt verliehren?
Mein feind verdient die ehre nicht:
Es kan ſein gifft nicht an mein hertze ruͤhren,
Weil mir der himmel ſchutz verſpricht.
Leid’ ich gleich ohn alle ſchuld;
So leid’ ich doch mit ruhiger geduld.


Gemiſchte Betrachtungen,
Meiſt aus dem frantzoͤſiſchen der
Mad.
des Houlieres.
KLagſt du, o menſch! den tod, wenn er zum hertzen drin-
get,
Der uͤbereilung an, ſo kennft du ihn noch nicht:
Er
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <lg type="poem">
          <lg n="3">
            <pb facs="#f0298" n="296"/>
            <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">Leanders aus Schle&#x017F;ien</hi> </fw><lb/>
            <l>Es muß der men&#x017F;ch nicht &#x017F;einer &#x017F;elb&#x017F;t verge&#x017F;&#x017F;en,</l><lb/>
            <l>Und auf des feindes &#x017F;eite &#x017F;tehn.</l><lb/>
            <l>Denn welch &#x017F;chiffer fu&#x0364;hrt den kahn</l><lb/>
            <l>Mit eignem fleiß auf &#x017F;and und klippen an?</l>
          </lg><lb/>
          <lg n="4">
            <head> <hi rendition="#c">4.</hi> </head><lb/>
            <l>Verzweifflung da&#x0364;mpfft ohndem kein ungelu&#x0364;cke:</l><lb/>
            <l>Sie &#x017F;ieht durch ein vergro&#x0364;ßrungs-glas:</l><lb/>
            <l>Sie macht ein haar zu einem henckers-&#x017F;tricke,</l><lb/>
            <l>Und kennet weder ziel noch maaß.</l><lb/>
            <l>Die geduld muß hier allein</l><lb/>
            <l>Der &#x017F;eele lu&#x017F;t und un&#x017F;re zu&#x017F;lucht &#x017F;eyn.</l>
          </lg><lb/>
          <lg n="5">
            <head> <hi rendition="#c">5.</hi> </head><lb/>
            <l>Jch will den gei&#x017F;t nur in geduld erhalten:</l><lb/>
            <l>Die wetter mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en doch vergehn,</l><lb/>
            <l>Und &#x017F;olten &#x017F;ich auch erd&#x2019; und abgrund &#x017F;palten;</l><lb/>
            <l>So bleibt gleichwol der himmel &#x017F;tehn.</l><lb/>
            <l>J&#x017F;t der himmel nun noch da,</l><lb/>
            <l>So &#x017F;eh&#x2019; ich mich noch keinem falle nah.</l>
          </lg><lb/>
          <lg n="6">
            <head> <hi rendition="#c">6.</hi> </head><lb/>
            <l>Was will ich mich nun in der ang&#x017F;t verliehren?</l><lb/>
            <l>Mein feind verdient die ehre nicht:</l><lb/>
            <l>Es kan &#x017F;ein gifft nicht an mein hertze ru&#x0364;hren,</l><lb/>
            <l>Weil mir der himmel &#x017F;chutz ver&#x017F;pricht.</l><lb/>
            <l>Leid&#x2019; ich gleich ohn alle &#x017F;chuld;</l><lb/>
            <l>So leid&#x2019; ich doch mit ruhiger geduld.</l>
          </lg>
        </lg><lb/>
        <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
        <lg type="poem">
          <head> <hi rendition="#c"> <hi rendition="#fr">Gemi&#x017F;chte Betrachtungen,<lb/>
Mei&#x017F;t aus dem frantzo&#x0364;&#x017F;i&#x017F;chen der</hi> <hi rendition="#aq">Mad.<lb/>
des Houlieres.</hi> </hi> </head><lb/>
          <l><hi rendition="#in">K</hi>Lag&#x017F;t du, o men&#x017F;ch! den tod, wenn er zum hertzen drin-</l><lb/>
          <l> <hi rendition="#et">get,</hi> </l><lb/>
          <l>Der u&#x0364;bereilung an, &#x017F;o kennft du ihn noch nicht:</l><lb/>
          <fw place="bottom" type="catch">Er</fw><lb/>
        </lg>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[296/0298] Leanders aus Schleſien Es muß der menſch nicht ſeiner ſelbſt vergeſſen, Und auf des feindes ſeite ſtehn. Denn welch ſchiffer fuͤhrt den kahn Mit eignem fleiß auf ſand und klippen an? 4. Verzweifflung daͤmpfft ohndem kein ungeluͤcke: Sie ſieht durch ein vergroͤßrungs-glas: Sie macht ein haar zu einem henckers-ſtricke, Und kennet weder ziel noch maaß. Die geduld muß hier allein Der ſeele luſt und unſre zuſlucht ſeyn. 5. Jch will den geiſt nur in geduld erhalten: Die wetter muͤſſen doch vergehn, Und ſolten ſich auch erd’ und abgrund ſpalten; So bleibt gleichwol der himmel ſtehn. Jſt der himmel nun noch da, So ſeh’ ich mich noch keinem falle nah. 6. Was will ich mich nun in der angſt verliehren? Mein feind verdient die ehre nicht: Es kan ſein gifft nicht an mein hertze ruͤhren, Weil mir der himmel ſchutz verſpricht. Leid’ ich gleich ohn alle ſchuld; So leid’ ich doch mit ruhiger geduld. Gemiſchte Betrachtungen, Meiſt aus dem frantzoͤſiſchen der Mad. des Houlieres. KLagſt du, o menſch! den tod, wenn er zum hertzen drin- get, Der uͤbereilung an, ſo kennft du ihn noch nicht: Er

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmannswaldau_gedichte05_1710
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmannswaldau_gedichte05_1710/298
Zitationshilfe: Hofmannswaldau, Christian Hofmann von: Herrn von Hofmannswaldau und andrer Deutschen auserlesene und bißher ungedruckte Gedichte. Bd. 5. Leipzig, 1710, S. 296. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmannswaldau_gedichte05_1710/298>, abgerufen am 23.11.2024.